Eine Reform für mehr Medaillen
Deutschland soll erfolgreicher werden. Für den Leistungssport gibt es deshalb ein neues Konzept – das nicht allen gefällt
Der deutsche Spitzensport ist im Umbruch. Politik und Sportverbände wollen mit der Leistungssportreform neu regeln, wie stark die Athleten und Sportarten künftig finanziell unterstützt werden. Doch es geht nicht allein um Fördergelder. Eine Übersicht, was die Reform ändern soll.
Warum soll der Leistungssport in Deutschland reformiert werden?
Ein Blick auf die Ergebnisse der Olympischen Spiele zeigt: Die Zahl der Medaillen ist über die vergangenen Jahrzehnte hinweg rückläufig. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und das für Sport zuständige Bundesinnenministerium (BMI) finden: Deutschland soll sich wieder stärker als Sportnation präsentieren. Gemeinsam mit Landes- und Spitzensportverbänden wollen sie den Leistungssport professionalisieren, sodass er mit der internationalen Konkurrenz mithalten kann.
Was soll sich verändern?
Schlüsselfunktionen in Verbänden und Stützpunkten sowie Trainerstellen sollen mit hauptamtlichen Mitarbeitern besetzt werden. DOSB und BMI wollen das Berufsbild des Trainers vereinheitlichen und mit langfristigen Verträgen bessere Arbeitsbedingungen schaffen. Die 204 Bundesstützpunkte in Deutschland wollen sie auf rund 160 reduzieren, um stärker investieren zu können, sagt DOSB-Präsident Alfons Hörmann: „Die Athleten müssen dann weitere Wege auf sich nehmen, erhalten in den Trainingszentren aber bessere Bedingungen.“
Wie soll die Reform Nachwuchsbereich und Spitzensport verbinden?
Um weniger, aber begabte Sportler stärker zu fördern, will der DOSB die Auswahlkader verkleinern. Im „Olympiakader“ bereiten sich dann Sportler mit Medaillenpotenzial gezielt auf die nächsten Spiele vor. Bei Nachwuchsathleten mit Potenzial soll die Vorbereitung in acht Jahren verlaufen, sie trainieren im „Perspektivkader“.
Was wird sich an der Förderung einzelner Sportarten ändern?
Je nach Medaillenpotenzial werden Disziplinen in Klassen eingeteilt. Im „Exzellenzcluster“ werden sie optimal gefördert, im „Potenzialcluster“ erhalten Verbände weniger, einzelne begabte Athleten bekommen speziell Gelder. Sportarten mit kaum Potenzial werden nicht gefördert. DOSB-Präsident Hörmann sagt: „Wir wollen nicht mehr nach Gießkannenprinzip, sondern gezielt Potenziale fördern.“
Wer bekommt künftig Fördergeld?
Nicht mehr die Medaillen vergangener Wettbewerbe, sondern die Perspektive auf künftige Wettkämpfe soll die Förderhöhe bestimmen. Der Fokus rückt auf den einzelnen Sportler und sein Umfeld. Wie groß die Erfolgsaussichten eines Athleten sind, bestimmt das Potenzialanalysesystem (Potas), ein sportwissenschaftliches Verfahren, anhand von 20 Attributen. Die Einstufung dient Experten bei Beratungen über Fördergelder. Die tatsächliche Förderhöhe legt aber eine Expertenkommission aus DOSB und BMI fest.
Braucht der Sport mehr Geld?
Um den Spitzensport auf allen Ebenen professioneller zu machen, fordern Verbände mehr Geld vom Staat. Das Innenministerium hatte dem DOSB zusätzlich 39 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht gestellt. Im Entwurf für den Bundeshaushalt taucht der Posten aber nicht auf, was Funktionäre erbost.
Warum zögert die Politik nun?
Offenbar muss an der Reform nachgearbeitet werden. Florian Herrmann (CSU), Sportausschuss-Vorsitzender im Landtag, sagt: „Das Konzept war nicht hundertprozentig überzeugend.“ Zweifel hegt er an der Umsetzung: „Ist das, was am Ende herauskommt, auch das, was wir anfangs vorhatten?“
Wie lange dauert es, bis die Reform umgesetzt wird?
Im Februar 2017 wurde sie verabschiedet. Bis zur Bundestagswahl herrschte Stillstand. Sofern die Politik die Mittel bewilligt, wird die Reform schrittweise umgesetzt. Die umstrittene Potas-Einstufung wird für Wintersportarten erst 2019 eingesetzt und für die Sommersportarten 2021, weil keine Ergebnisse vorliegen. Erfolge der Reform erwartet der DOSB zu den Sommerspielen 2024 und den Winterspielen 2026.
Was sagen Kritiker der Reform?
Funktionäre glauben, dass ihrer Disziplin bei ausbleibendem Erfolg ohne Förderung das Aus droht. Auch ob Quereinsteiger und Spätzünder im Nachwuchskonzept eine Chance haben, fragt sich Ex-Skilangläufer Tobias Angerer: „Bleiben bei der Reform nicht Talente auf der Strecke? Ich bin erst mit 24 Jahren in die Weltspitze gekommen. Vielleicht wäre ich durchs Raster gefallen.“
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