„Es gibt nichts Größeres“
Bradley Wiggins fährt als erster Brite zum Gesamtsieg. Sein Landsmann Mark Cavendish gewinnt letzte Etappe auf den Champs-Élysées
Paris Auf dem Roten Teppich der Champs-Élysées war Bradley Wiggins am Ziel seiner Träume: Nach dreiwöchiger Schinderei präsentierte sich der 32-Jährige auf dem Pariser Prachtboulevard als erster britischer Sieger in 109 Jahren Tour de France – und sorgte zu Hause im Vorfeld der Olympischen Spiele für einen Boom ohnegleichen.
Britische Radsport-Fans ließen am Wochenende die Eurostar-Züge von der Insel nach Frankreich aus allen Nähten platzen. Die Mail on Sunday feierte die „berühmtesten Koteletten seit Elvis Presley“. In der Endabrechnung verwies der dürre Wiggins seinen manchmal etwas aufmüpfigen Landsmann und Teamkollegen Christopher Froome (+3:21 Minuten) und den Italiener Vincenzo Nibali (+6:19) auf die Plätze.
„Verdammt noch mal, ich habe die Tour gewonnen – es gibt nichts Größeres!“, jubelte der dreifache Bahn-Olympiasieger, der sich sein erstes Gelbes Trikot auf der siebten Etappe geholt und bis Paris nicht mehr abgegeben hatte. Sein Erfolgsrezept hatte er vom fünffachen Tour-Sieger und einstigem Idol Miguel Indurain: überragend im Zeitfahren, mit den Besten am Berg.
Die 20. und letzte Etappe über lediglich 120 Kilometer war sportlich nur noch für die Sprinter interessant. Im Massenspurt auf den Champs-Élysées unterstrich Weltmeister Mark Cavendish seinen Aufwärtstrend und zog mit insgesamt drei diesjährigen Tageserfolgen mit André Greipel gleich. Der gebürtige Rostocker, der zuvor in Rouen, St. Quentin und Cap d’Agde triumphiert hatte, musste am Sonntag mit Rang acht zufrieden sein. Cavendish hingegen gewann zum vierten Mal die Schlussetappe. Allerdings kann sich Greipel schon am kommenden Samstag revanchieren, wenn die beiden schnellsten Sprinter der Welt beim olympischen Straßenrennen in London wieder die Klingen kreuzen. Selbst Wiggins, der die beiden langen Zeitfahren in Besançon und Chartres gewonnen hatte, hatte sich im Gelben Trikot für seinen Teamkollegen Cavendish bei den direkten Sprint-Vorbereitungen ins Zeug gelegt.
Abgesehen vom bärenstarken Auftritt des Kraftpakets Greipel war die Tour aus deutscher Sicht vor allem vom Pech des Zeitfahr-Weltmeisters Tony Martin geprägt. Der Wahlschweizer stieg mit gebrochener Hand in Besançon aus und bereitet sich seitdem mit zusammengebissenen Zähnen auf den 1. August vor. Im olympischen Zeitfahren will der 27-Jährige versuchen, trotz seines Handicaps auf Augenhöhe mit Olympiasieger Fabian Cancellara und Wiggins um Medaillen zu kämpfen. „Cancellara, der die Tour auch früher, aber unverletzt verließ, ist der Topfavorit“, meinte Martin.
Eine starke Tour – wenn auch auf anderer Ebene – fuhr Christian Knees. Der Bonner war Teil der wie geschmiert laufenden Maschine des überragenden Sky-Teams von Wiggins. 45 Jahre nach dem Drogen-Tod des Engländers Tom Simpson auf dem Mont Ventoux war der Tour-Sieger über seinen Helfer Knees voll des Lobes.
Auch der älteste Tour-Starter Jens Voigt machte wieder von sich reden und hätte auf der 10. Etappe fast seinen insgesamt dritten Tagessieg perfekt gemacht. In Bellegarde-sur-Valserine wurde der 40-Jährige, der auch im nächsten Jahr noch fahren will, Dritter in einer Ausreißergruppe. Seine Equipe RadioShack hatte es von Beginn an nicht leicht.
Dann folgte der Schock um die positive Doping-Kontrolle bei Fränk Schleck, dem ein Diuretikum nachgewiesen worden war. Der Dritte von 2011 verließ die Tour am zweiten Ruhetag. Voigts und Schlecks Teamkollege Andreas Klöden blieb – auch, weil die nötige Unterstützung fehlte – unter seinen Möglichkeiten. Trotzdem reichte es in der Endabrechnung in Paris nach 3497 Kilometern zu Rang elf (+17:54) und damit zur besten Platzierung unter den 13 deutschen Tour-Startern. (dpa)
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