Es knirscht im Ulmer Getriebe
Vom Glanz der vergangenen Saison ist bei Ratiopharm Ulm nur noch wenig zu spüren. Nun geht es im Pokal-Halbfinale gegen den Bundesliga-Primus Bayern München
Natürlich gibt das niemand im Verein so richtig zu. Aber es ist davon auszugehen, dass man sich insgeheim bei Ratiopharm Ulm wünscht, man wäre in der vergangenen Saison Ausrichter des Top-Four gewesen. Mitte Februar 2017 waren die Basketballer aus der Donaustadt ungeschlagener Tabellenführer der Bundesliga. Sie hatten Alba Berlin, Bamberg und Bayern München besiegt. Dieser ganz und gar erstaunlichen Mannschaft um die amerikanischen Topstars Raymar Morgan und Chris Babb wäre durchaus zuzutrauen gewesen, dass sie vor ihrem eigenen und bekannt begeisterungsfähigen Publikum den deutschen Pokal gewinnt und damit den ersten Titel der Neuzeit holt. Aber damals wurde das Turnier in Berlin ausgetragen und die Ulmer vergeigten die Teilnahme in der Qualifikation durch eine Niederlage gegen Ludwigsburg – es war die bis dahin einzige überhaupt in der vergangenen Saison gegen eine deutsche Mannschaft.
Als Gastgeber ist Ratiopharm Ulm diesmal zwar für das Top-Four gesetzt. Aber auch den größten Optimisten fällt der Glaube daran schwer, dass es nach zwei zweiten Plätzen in den Jahren 2013 und 2014 endlich zum Pokalsieg reichen könnte. Nach dem gewaltigen Umbruch im Sommer und dem Abschied der wichtigsten Spieler knirscht es gewaltig im Ulmer Getriebe, obwohl mehrfach an den personellen Stellschrauben gedreht wurde. Die neu formierte Mannschaft rumpelt durch die Bundesligasaison, sie hat zuletzt innerhalb von fünf Tagen die Heimspiele gegen Gießen und Frankfurt verloren und dabei jeweils blutleere Darbietungen abgeliefert.
Und schließlich hat es Dieter Hoeneß gar nicht gut gemeint mit den Basketballern aus seiner Geburtsstadt Ulm. Der frühere Fußball-Nationalspieler durfte die Halbfinalpartien auslosen und er bescherte den Ulmern als Gegner am Samstag, um 16 Uhr Bayern München. Also die Mannschaft, die in dieser Saison eine ähnlich dominante Rolle spielt wie Ratiopharm Ulm über weite Strecken der vergangenen. In der Basketball-Bundesliga führt Bayern München die Tabelle inzwischen ebenso souverän an wie in der Fußball-Bundesliga und wird damit den Ansprüchen dieser sportlichen Weltmarke gerecht.
Das mit einem Etat von geschätzten 20 Millionen Euro ausgestattete Starensemble aus der Landeshauptstadt hat bereits in der Qualifikation mit dem deutschen Meister Bamberg den wohl dicksten Brocken ausgeschaltet und will in der Ratiopharm-Arena genau 50 Jahre nach dem letzten Pokalsieg erneut den Pott holen. Die Ulmer werden sich zu wehren versuchen, so wie sie das auch im Bundesligaspiel Ende Dezember geplant hatten. Damals waren sie dennoch gegen den Branchenprimus komplett chancenlos und mit dem Ergebnis von 75:89 noch sehr gut bedient.
Realistisch betrachtet wird Ulm am Sonntag also mit hoher Wahrscheinlichkeit das überflüssige Spiel um Platz drei gegen Berlin oder Bayreuth bestreiten. Thorsten Leibenath will das vorab so natürlich nicht akzeptieren und verspricht: „Wir werden raus gehen und München einen gnadenlosen Fight liefern.“ Aber tatsächlich spricht alles dafür, dass der bayerische Innenminister Joachim Herrmann bei der Siegerehrung die Hände von Spielern einer bayerischen Mannschaft schüttelt.
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