Julian Draxler - Akrobat und Zauberer
Julian Draxler schöpft beim 3:0 gegen die Slowakei endlich einmal sein großes Potenzial aus. Wieder ist es eine Überraschungspersonalie, die dem Spiel den Stempel aufdrückt.
Evian Es ist ja kein wirklich neuer Trick, den Julian Draxler da zur Aufführung gebracht hat. Aber so ist es eben mit den etwas besseren Zauberkunststücken. Man kapiert auch beim zweiten, dritten und vierten Mal nicht genau, was da gerade passiert ist.
So wusste auch Juraj Kucka nicht exakt, was da gerade vor sich ging. Simsalabim, plötzlich war Draxler an ihm vorbeigehuscht. Ein schneller Übersteiger als Finte hat als Ablenkungsmanöver gereicht, um den armen Slowaken verwirrt zurückzulassen. Der anschließende Pass auf Mario Gomez gehört zum Standardrepertoire jedes Bundesligaspielers. Es war die vorentscheidende Szene des Spiels. Nach dem 2:0 für Deutschland glaubten auch die Slowaken nicht mehr daran, noch einmal ins Spiel zurückzufinden.
Die beste Turnierleistung hat die deutsche Mannschaft verdientermaßen ins Viertelfinale geführt. Und wieder einmal war der Held des Spiels ein unerwarteter. Im ersten Spiel waren es Aushilfskraft Shkodran Mustafi und Kurzarbeiter Bastian Schweinsteiger, die der Mannschaft zum Sieg verhalfen. Bestimmende Figur gegen Polen war mit Jérôme Boateng ein Verteidiger, womit alles über die Partie gesagt ist, und im letzten Vorrundenspiel gegen Nordirland durfte sich Mario Gomez feiern lassen, der in den vergangenen Jahren in der Nationalmannschaft eher das Leben eines Schattengewächses geführt hat. Mesut Özil, Mario Götze oder aber Thomas Müller – jene Spieler, die ansonsten für entscheidende Momente vorgesehen sind, halten sich zumindest mit dem Erzielen wichtiger Tore noch zurück. „Ich bin mit meinem Turnier und dem Turnier der Mannschaft zufriedener, als man vielleicht denkt. Es geht mir darum, dass die Mannschaft ihre Top-Performance auf den Platz bringt und da versuche ich, meinen Beitrag zu leisten“, so der Offensivspieler des FC Bayern.
Draxler wird zum besten Spieler der Partie gegen die Slowakei ernannt
In der Tat wirkt die deutsche Mannschaft bei dieser EM reichlich uneitel. Da war Benedikt Höwedes, der nach seiner Degradierung zum Ersatzspieler in der Partie gegen Nordirland Löw ausdrücklich für die Entscheidung lobte, statt seiner Joshua Kimmich einzusetzen. Nun war es Mario Götze, der auf der Bank Platz nehmen musste, obwohl er in der vorigen Partie einer der auffälligsten deutschen Spieler war. Auch er lobte seinen Ersatzmann: „Er hat sehr gut gespielt.“ Mit seiner eigenen Rolle auf der Bank wollte Götze nicht hadern, denn „jeder hat seinen Teil dazu beizutragen zum Erfolg und das Ziel ist noch weit entfernt“.
Das Ziel ist das Finale am 10. Juli in Paris. Freiwillig hergeben will Draxler seinen Platz in der Startelf nun aber natürlich nicht. „Es ist ein sehr schöner Tag für mich und die Mannschaft. Ich habe im Training Vollgas gegeben, dass ich da bin. Ich hoffe, dass ich im nächsten Spiel wieder ran darf“, sagte er, nachdem er von der Uefa zum besten Spieler der Partie ernannt worden war.
EM 2016: Deutschland gegen Slowakei in der Offensive sehr variabel
Draxler zeigte sich zusammen mit Mesut Özil und Thomas Müller unwahrscheinlich variabel hinter dem stürmenden Gomez. Vor allem Draxler war es aber, der mit seinen Dribblings immer wieder Räume in der slowakischen Abwehr fand. Seine Schnelligkeit, die Laufwege von Müller und Özils Pässe sind ein kreativer Dreispitz, wie ihn nur die wenigsten Mannschaften haben. „Die Flexibilität, die wir in den letzten zwei Spielen hatten, ist genial“, freut sich Gomez über seine Zuarbeiter. Er ist es auch, der am meisten von den drei profitiert. Weil sie ihn im Strafraum unterstützen und sich nicht die komplette Hintermannschaft des Gegners auf den Angreifer von Besiktas Istanbul konzentrieren kann.
Ginge es allerdings nach Jérôme Boateng, wäre nicht Draxler als Spieler der Partie ausgezeichnet worden. Er hätte die Trophäe auch nicht für sich reklamiert, nur weil er sein erstes Tor im Nationaldress erzielt hatte. Für ihn waren andere Männer entscheidend. „Die Ärzte und Physios haben alle Vollgas gegeben, sonst hätte ich heute nicht spielen können“, lobte er die medizinische Abteilung. Zu ihr lief er auch nach Treffer und fulminantem Jubelsprung. Schließlich pflegten sie seine malade Wade so fürsorglich, dass er auf dem Platz stehen konnte. Rund 20 Minuten vor Schluss verließ er aber vorsichtshalber das Feld. Das Spiel war da bereits entschieden. Dank der heilenden Hände der Medizinmänner und eines Zaubertricks von Julian Draxler.
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