Knipser Kimmich: Eine schnelle Karriere
Er ist nicht besonders schnell, kein Dribbelkünstler: Trotzdem hat der Münchner als Defensivspieler schnell Karriere gemacht. Jetzt glänzt Josuha Kimmich auch als Angreifer.
Als Josuha Kimmich Dienstnacht aus der Bayern-Kabine kam, war es halb zwölf. Wahrscheinlich hatte er gehofft, um diese Zeit unbehelligt von Journalisten nach Hause zu kommen. So wie David Alaba, der sich mit großen Kopfhörern über den Ohren, ohne einen Blick auf Kameras und Mikrofone davongemacht hatte.
Kimmich geht den Medienvertreten gerne aus dem Weg – wenn auch verbindlicher. Dieses Mal aber würde es kein Entkommen geben. Der 21-Jährige hatte beim 5:0-Sieg des FC Bayern zum Champions-League-Auftakt gegen den russischen Vizemeister FK Rostow zweimal getroffen. Nach den Tor-Premieren in der Nationalelf gegen Norwegen und dem ersten Bundesliga-Treffer gegen Schalke ergibt das eine Torquote auf die jeder Knipser stolz wäre.
Kimmich aber hat nichts, was ihn als Torjäger auszeichnen würde. Mit 1,76 m ist er zu klein für ein Kopfball-Ungeheuer; er ist nicht besonders schnell, kein Dribbelkünstler und auch nicht mit einem besonders strammen Schuss gesegnet. Darüber hinaus ist seine Hauptaufgabe Tore zu verhindern, was vorzugsweise nicht in gegnerischen Strafräumen geschieht. Trotzdem hat Kimmich, der von vielem etwas besitzt, vor allem aber Präzision und Raumgefühl, eine der bemerkenswertesten, jüngeren Karrieren im Land hingelegt.
Kimmich besitzt Lernwillen, Bodenhaftung, Intelligenz
Der FC Bayern hatte ihn vor einem Jahr für acht Millionen Euro Ablöse vom Zweitligisten RB Leipzig geholt. Ein Talent, wie die Münchner schon viele verpflichtet, geformt und wieder verkauft haben, weil es im Münchner Weltklasse-Ensemble nicht reicht, Talent zu haben. Kimmich, der 1,7-Abiturient aus Rottweil aber besitzt neben der fußballerischen Kompetenz Tugenden, die im Unterhaltungsbetrieb Bundesliga oft unterschätzt werden: Lernwillen, Bodenhaftung, Intelligenz. „Fokussiert“, nennt Carlo Ancelotti das Auftreten des Jungspunds. Der Italiener schätzt diese Eigenschaft, die den 21-Jährigen die ihn in nur zwölf Monaten zum Nationalspieler und EM-Teilnehmer gemacht haben – und jetzt auch noch zum Torjäger. Wie geht das zusammen?
Noch immer standen zwei Dutzend Journalisten in der Mixed-Zone, um ihn danach zu Fragen. Angesichts der Übermacht schwenkte der 21-Jährige dann ohne Umwege auf Kameras und Blöcke zu. Im Moment, räumt er ein, „ist es ganz schön viel was passiert und es geht ziemlich schnell.“ Andererseits geht der Kleine jedes Tempo mit. „Sein erstes Tor aber, gab er den Verdienst weiter „war überragend vorbereitet und gehört zu 80 Prozent Douglas.“ Die 20 Prozent waren freilich unverzichtbar, um die Costa-Vorlage zum 3:0 ins Netz zu bugsieren.
Kimmich mit Torschützen-Glück
Zuvor hatten Lewandowski (28.) und Müller (45.) getroffen, ehe Kimmich auch noch per Kopfball (60.) und abschließend Bernat (90.) trafen. „Er hat in jedem Wettbewerb mehr Tore geschossen als ich, er zählt jetzt zu meinen Hauptkonkurrenten“, witzelte Thomas Müller. Erklärungen für sein Torschützen-Glück hatte Kimmich nicht, nur Vermutungen. „Möglich, dass das Tor in der Nationalelf, als Initialzündung wirkt. In jedem Fall hat es Selbstvertrauen gegeben.“ Am Samstag kommt der FC Ingolstadt in die Allianz Arena. Die Ingolstädter werden jetzt nicht nur auf Lewandowski und Müller achten müssen.
Die Diskussion ist geschlossen.