Kommentar zu Steffi Jones: Fußballteam geerbt – was tun?
Warum Steffi Jones in der Frauen-Nationalmannschaft ein schwieriges Erbe antritt - und was das mit Kaffeeservicen zu tun hat.
Ein Erbe anzutreten, kann eine schwierige Sache sein. Handelt es sich nur um das Kaffeeservice von Tante Frieda, hält sich die Sorge um die Bewahrung des Wertvollen in Grenzen. Das gute Porzellan wird in die nächste Vitrine gestellt und dort in den meisten Fällen vor sich hinstauben, bis es eines Tages weitergereicht wird. Handelt es sich beim Erbe um eine ganze Fußballmannschaft, sieht die Sache anders aus. Wie soll man diese hegen und pflegen, damit sie nicht einstaubt, sondern ihren Glanz behält?
Silvia Neid hört auf dem sportlichen Höhepunkt auf
Eine Aufgabe, mit der sich ab sofort die neue Bundestrainerin Steffi Jones auseinandersetzen wird. Glücklicherweise musste ihre Vorgängerin Silvia Neid nicht aus dem Leben scheiden, um ihr großes Vermächtnis zu übergeben. Es reichte aus, dass Neid ihren sportlichen Weg mit dem Team als vollendet ansah. Abgerundet vor gut einer Woche mit der olympischen Goldmedaille als Sahnehäubchen.
Den Abgang auf dem Höhepunkt ihres Schaffens haben schon andere Trainer vor Neid gut hinbekommen. Jupp Heynckes etwa, dessen Nachfolger noch heute unter der Hinterlassenschaft vom Triple mit dem FC Bayern München ächzen.
Vielen Trainern fällt es schwer, ein solch verantwortungsvolles Erbe anzutreten. Was für eine Bürde kommt da jetzt auf Steffi Jones zu? Silvia Neid hat die deutsche Mannschaft schließlich nicht nur zu vielen sportlichen Erfolgen wie WM- und EM-Titeln geführt, sondern auch den Frauenfußball in eine ganz neue Dimension.
Niemand hätte Silvia Neid ein Kaffeeservice als Prämie gegeben
Unter Neids Ägide hat die Gleichberechtigung endgültig die dicken Wände des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) durchdrungen. Die Organisationsstrukturen und die personelle Ausstattung bei den Frauen wurden komplett denen der Männer angepasst. Und keiner der Funktionäre von heute hätte sich getraut, Silvia Neid für einen Turniersieg ein Kaffeeservice als Prämie anzubieten, wie einst beim EM-Titelgewinn von 1989.
Steffi Jones verfügt über die Fähigkeiten und die Entschlossenheit, das Team weiterzuführen und weiterzuentwickeln – auf, aber auch besonders neben dem Platz. Wenn sie wahr machen kann, was sie angekündigt hat, muss Silva Neid um ihr Erbe nicht bange sein. Im Gegensatz zu jenem legendären Kaffeeservice von 1989, das wohl in einer Vitrine vor sich hin staubt.
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