Nur erfolgreich reicht Bundestrainer Joachim Löw nicht
Nie spielte die Nationalmannschaft attraktiver als unter Joachim Löw. Trotzdem wurde er lange kritisiert, besonders nach der EM 2012. Die Konsequenz daraus: mehr Konsequenz.
Mehrere tausend Meter über der Erde hatte Joachim Löw seinen persönlichen Tiefpunkt erreicht. Der Bundestrainer musste sich rechtfertigen. Nicht in einer Pressekonferenz, sondern im Flugzeug, das eine enttäuschte Nationalmannschaft von Warschau aus in die Heimat flog. Viel zu früh, wenn es nach der Erwartungshaltung von Mannschaft und Fans ging. Anhänger und Journalisten lasteten vor allem dem Coach das Ausscheiden im Halbfinale der EM 2012 an. Tags zuvor verlor das Team mit 1:2 gegen Italien. Löw sollte im Flieger erklären, warum er Gomez, Podolski und Kroos von Anfang an spielen ließ. Und warum er bitte Kroos als Manndecker für Andrea Pirlo abstellte. Löw nahm die Schuld auf sich.
Er hatte sich verzockt. Hatte nicht auf die überragenden Fähigkeiten seiner Mannschaft vertraut, sondern sich nach dem Gegner gerichtet. 2008 und 2010 galten die Turniere noch als Erfolg, obwohl man im Halbfinale beziehungsweise Endspiel chancenlos gegen Spanien war. Aber diesmal sollte es der Titel sein. Löw hatte versagt. Jeder durfte sich über ihn lustig machen. Über einen Trainer, der vielleicht ganz gut ist, dem aber die Entschlossenheit für einen Titel fehlt.
Joachim Löw ist der gepflegte Pass lieber als die große Geste
Dabei war er schon damals sehr konsequent, manchmal auch harsch. Weil Michael Ballack und Torsten Frings nicht freiwillig aus der Nationalmannschaft zurücktreten wollten, machte der Bundestrainer ihnen klar, dass sie keine Chance mehr haben. Es waren die letzten Vertreter der Befehl-Gehorsam-Hierarchie. Löw konnte dem Führungsspieler alter Schule nie viel abgewinnen. Der gepflegte Pass war ihm stets lieber als die große Geste.
Der Öffentlichkeit war Löws Führungsstil, sein Erscheinungsbild zu weich. Dieser badische Singsang, Werbung für Pflegeprodukte, sein Faible für modisches Auftreten. Der 56-Jährige ging seinen Weg weiter. Seinen Weg weiterzugehen, bedeutet aber nicht, sich nicht weiterzuentwickeln. Löw rückte nicht von seiner Spielidee ab. Freimütig räumt er ein, von den Spaniern inspiriert worden zu sein. Nur zu gewinnen, reicht ihm nicht. Das ist mit seinen hervorragend ausgebildeten Spielern aber auch kaum möglich. Entweder schön oder gar nicht.
Gegner penibel unter die Lupe nehmen
Nach der Niederlage gegen durchschnittlich begabte Italiener 2012 verfolgte er diese Maxime noch konsequenter. Den Gegner analysierten er und sein Trainerstab weiter pingeligst. Die eigene Mannschaft aber nach dem Gegenüber auszurichten, wollte er nicht mehr. So wurden feinfüßige Brasilianer im WM-Halbfinale 7:1 bezwungen. So wurde Löw 2014 Weltmeister.
Zu einem Säulenheiligen des deutschen Fußballs wie seine Vorgänger Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer wird er aber nicht mehr. Das ist Löw egal. Wer sich tausende Meter über der Erde vor Journalisten rechtfertigen muss, lernt Gelassenheit.
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