Rydzek stürzt am Weltcupsieg vorbei
Eric Frenzel gewinnt als erster seiner Disziplin zum fünften Mal die große Glaskugel. Sein Oberstdorfer Konkurrent hat Mühe, die Niederlage im Final-Duell zu akzeptieren
Im entscheidenden Moment hat Eric Frenzel sein Ritual vergessen. Normalerweise springt der Oberwiesenthaler im Telemark über die Ziellinie, wenn er ein Rennen als Erster beendet. In Schonach hat er’s nicht getan. Stattdessen schickte er einen lauten Schrei Richtung Himmel, reckte beide Arme hinterher. „Es war viel Adrenalin im Körper“, sagte er. Denn sein 41. Weltcuperfolg war nicht irgendein Sieg, er sicherte ihm zum fünften Mal hintereinander die Kristallkugel des Gewinners des Gesamt-Weltcups. Das hat noch kein Kombinierer geschafft. „Ich brauche noch ein bisschen Abstand“, sagte Frenzel kurz nachdem ihm die Kugel überreicht worden war, „es war eine lange und harte Saison, die kräftezehrend war. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Ich brauche ein paar Tage, um das zu realisieren.“
Dass es eine besondere Saison wurde, dazu hat Johannes Rydzek beigetragen. Der Oberstdorfer hat mehrmals mit Frenzel die Führung im Weltcup getauscht. Mit 14 Punkten Rückstand war der 25-Jährige ins finale Wochenende gegangen. Der vierfache Weltmeister der Titelkämpfe in Lahti hatte sich Hoffnungen auf seine erste Kristallkugel gemacht. Daraus wurde nichts. Verloren hatte er das Duell bereits am Samstag, als er im Schlussspurt Frenzels Skienden touchierte und stürzte. Als Dritter des Rennens büßte er 40 Punkte auf seinen Konkurrenten ein. Von einem normalen Rennunfall sprach Bundestrainer Hermann Weinbuch. Rydzek hatte Frenzel, der die Spur gewechselt haben soll, in erster Erregung die Schuld gegeben. „Ich habe meinen Fehler eingestanden“, sagte er tags darauf, „es war doof, dass mir das so rausgerutscht ist.“
Während die beiden Spitzenreiter am Samstag jeweils 101 Meter weit gesprungen waren und nur sechs Sekunden nacheinander in die Loipe durften, war Rydzek am Sonntag ein wesentlich besserer Sprung gelungen. 30 Sekunden betrug die Differenz zu Frenzel beim Start. Diesen Abstand hielt der Allgäuer bis zur Hälfte des 10,5 Kilometer langen Rennens. Doch dann kam Frenzel. Zweieinhalb Kilometer vor dem Ende waren sie gleichauf. „Als ich die Felle habe davon schwimmen gesehen, wurde es hart. Sechs Runden hätten für mich heute gereicht.“ Gefordert waren jedoch sieben. Als Neunter, 27,6 Sekunden nach Sieger Frenzel, kam Rydzek ins Ziel.
Während Eric Frenzel stolz seine fünfte Kristallkugel in Empfang nahm, zog Rydzek ein wenig abseits sein Fazit. „Ich bin super happy mit dem zweiten Platz. Eric war eine Nummer zu groß.“ Doch der Oberwiesenthaler hatte sich schwerer getan als vermutet. Scheinbar war die Last in Anbetracht der Dimension zu schwer. „Es ist etwas Historisches, das mir zwischenzeitlich zu sehr in den Fokus gerückt war“, sagte er, „deswegen war ich nicht so sehr auf mich konzentriert. Das habe ich versucht abzustellen zum Schluss.“ Mit Erfolg.
Weltcup und Weltmeisterschaft – Frenzel und Rydzek waren die Dominatoren. Während der Sachse über die Saison zehn Einzelerfolge holte, krönte sich der Oberstdorfer mit vier Goldmedaillen zum König von Lahti. Als Genugtuung wollte Frenzel seinen Triumph nicht verstanden wissen. „Ich habe eine gute WM hingelegt, habe drei Medaillen gewonnen“, sagte er fast ein bisschen trotzig. Dabei waren auch zwei Goldene, jedoch immer nur gemeinsam mit Teamkollegen. Im Einzel erreichte er nur Silber. Rydzek gab sich ebenfalls bescheiden. „Es war ein Duell auf Augenhöhe“, sagte er, „am Ende hat der Bessere gewonnen.“ Nach diesem nerven- und kräftezehrenden Finale steht für beide Erholung an – auf unterschiedliche Weise. Während es Rydzek in die Ferne zu einem noch unbekannten Ziel zieht, will sich Frenzel zu Hause mit seiner Familie in Flossenbürg Ruhe gönnen. Und dann steht demnächst eine weitere Herausforderung an. Seine Frau Laura ist schwanger. Für Juni ist die Geburt des dritten Kindes angesagt.
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