Strahlender Dritter
Severin Freund freut sich über den gelungenen Auftakt in Oberstdorf. Für die Überraschung aber sorgt der Norweger Anders Jacobsen, der vor Gregor Schlierenzauer gewinnt
Oberstdorf Mit einem breiten Grinsen saß Severin Freund gestern Abend vor den Mikrofonen und erzählte. Davon, wie es ist, in einen Kessel hinabzublicken, in dem fast 25000 Menschen schreien und mit ihren Deutschland-Fähnchen winken. Ein „geiles Gefühl“ sei das, sagte Freund. Etwas geschliffener drückte sich Bundestrainer Werner Schuster aus und sprach von „positiver Stimmung“, die sich auf seine Mannschaft übertragen habe.
Auch Schuster trug ein Dauergrinsen durch Oberstdorf. Kein Wunder, war sein Musterschüler Freund doch mit einem dritten Platz in Oberstdorf in die Vierschanzentournee gestartet. Nur Topfavorit Gregor Schlierenzauer aus Österreich und Überraschungssieger Anders Jacobsen (Norwegen) waren besser mit den schwierigen Bedingungen an der Schattenbergschanze zurechtgekommen.
Vor knapp 25000 Zuschauern wirbelten extreme Winde das Klassement durcheinander und einen so prominenten Springer wie Thomas Morgenstern (Österreich) gar aus dem Finale. Einen zweiten der österreichischen Superadler erwischte es nach dem Wettkampf, der achtplatzierte Andreas Kofler wurde wegen eines nicht regelkonformen Anzugs disqualifiziert.
Frustrierter Lokalmatador
Von Beginn an mit der Zuschauerrolle hatte sich dagegen Lokalmatador Karl Geiger begnügen müssen. Als 51. der Qualifikation vom Samstag hatte der 19-jährige Oberstdorfer denkbar knapp das Springen der besten 50 verpasst. „Ich bin total angefressen“, fasste er seine Enttäuschung kurz und knapp zusammen. Den gestrigen Wettkampf verfolgte er im elterlichen Wohnzimmer vor dem Fernseher, um sich nicht auch noch eine Erkältung einzufangen. Schließlich geht es schon am 1. Januar mit dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen weiter.
Zufriedener Altmeister
Dort wird auch Altmeister Martin Schmitt wieder am Start sein. Erst in letzter Sekunde hatte sich der 34-Jährige mit einem Sieg im unterklassigen Continentalcup für die Vierschanzentournee qualifiziert. In Oberstdorf zeigte er, dass er noch immer zu Weltklasseleistungen fähig ist und landete auf Rang 17. Das reichte, um auch Schmitt ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zu treiben. „Ich bin wieder gut in Form. Ich bin zufrieden und froh, dass ich so ein Niveau erreicht habe“, sagte er und kann sich berechtigte Hoffnungen machen, auch die zweite Hälfte der Tournee nicht nur als Zuschauer zu erleben. Nach dem Springen in Garmisch-Partenkirchen muss Bundestrainer Schuster seine zwölfköpfige Mannschaft auf sechs Springer reduzieren. Gut möglich, dass Schmitt zu den Auserwählten gehört, die weitermachen dürfen. Gestern landete er im teaminternen Ranking auf Platz fünf hinter Freund, Michael Neumayer (8.), Andreas Wellinger (10.) und Richard Freitag (15.).
Mit der Entscheidung an der Spitze hatte Schmitt aber nichts zu tun. Der Wind und die komplizierte Windregel spielten dort die entscheidende Rolle. Vorbei die Zeiten, in denen die Weiten der Springer sofort auch einen Schluss auf die Platzierung zuließen. Bei Freunds zweitem Sprung herrschte starker Aufwind, was Punktabzüge bedeutete, ein verkürzter Anlauf dagegen gab Bonuspunkte – diverse Rechenoperationen waren also nötig, ehe feststand, dass Freund die Führung übernommen hatte. Danach kam Titelverteidiger Schlierenzauer. Auch er sprang stark, auch bei ihm wurde gerechnet. Knapp setzte sich der Österreicher vor Freund an die Spitze.
Die große Überraschung des ersten Durchgangs stand aber noch oben: Jacobsen. Und auch im Finale zeigte er, der zuletzt im Motivationsloch gesteckt und ein Jahr pausiert hatte, dass er wieder in überragender Form ist. Mit einem Satz auf 139 Meter sicherte er sich den Sieg. „Die Bedingungen waren perfekt für mich“, sagte er mit einem Lachen. Und: „Es fühlt sich an wie ein Märchen.“ Gut möglich, dass dieses Märchen in Garmisch-Partenkirchen seine Fortsetzung findet.
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