Uwe Seeler: "Mit Punkten ist nicht zu rechnen"
Hamburgs Fußball-Legende Uwe Seeler macht sich Sorgen. Was dem HSV fehlt, welche Fehler gemacht wurden und was er sich vom Spiel gegen die Bayern erwartet.
Wie sehr leiden Sie, wenn Sie sehen, was aus dem HSV geworden ist?
Seeler: Auch wenn ich schon vorgewarnt war nach der letzten Saison: Dass es genauso weiter geht, hat mich dann aber doch überrascht.
Ausgerechnet jetzt warten auch noch äußerst schwierige Aufgaben auf den so arg gebeutelten HSV...
Seeler: …das kann man so sagen. Zuerst die Bayern, dann Gladbach und wenig später Dortmund. Die Mannschaft braucht ein neue Mischung. Man hat ja vor dieser Saison neue Leute geholt – auch wenn nicht so viel Geld da ist, wie sein sollte. Das Problem ist, dass man sehr spät eingekauft hat.
Mit Klaus-Michael Kühne hat der HSV einen zahlungskräftigen Unternehmer im Hintergrund, der unter anderem den Transfer von Lewis Holtby ermöglicht hat. Was halten Sie vom Engagement des Milliardärs?
Seeler: Wie gesagt, der HSV braucht mehr Geld. Von daher tut die Unterstützung von Herrn Kühne natürlich gut. Aber man darf sich nicht abhängig machen. Wenn Herr Kühne sagt, der oder der muss weg, dann ist das nicht gut.
Hoffnungen ruhen auf Dietmar Beiersdorfer
Kühne soll auch die Entlassung von Mirko Slomka vorangetrieben haben. War es richtig, den Trainer so früh in der Saison vor die Tür zu setzen?
Seeler: Schwer zu sagen, ob man erst noch die Spiele gegen Bayern, Gladbach oder Dortmund hätte abwarten und dann entscheiden sollen.
Jetzt soll es der bisherige U23-Trainer, Josef Zinnbauer, richten.
Seeler: Ich kenne ihn nicht persönlich. Ich weiß, dass er mit der zweiten Mannschaft sehr erfolgreich war. Die hat unter ihm jedes Spiel gewonnen.
Mit Dietmar Beiersdorfer in der Klubspitze dachten vielen, jetzt kehrt Ruhe in den Verein ein. Er war und ist immer noch ein Hoffnungsträger.
Seeler: Aber auch er ist ja erst spät gekommen. Deshalb haben sich wichtige Entscheidungen verzögert. Und das lässt sich jetzt nur schwer reparieren. Ich hoffe, dass Dietmar es schafft und er dafür sorgt, dass wieder Gemeinsamkeit und Ordnung herrschen – nicht nur auf dem Platz, sondern auch dahinter, in der Klubführung. Das ist beim HSV verloren gegangen. Jeder glaubte, Recht zu haben und mitreden zu können. Es sind in den vergangenen Jahren viele Fehler gemacht worden.
Hätte der Abstieg vielleicht sogar eine reinigende Wirkung gehabt?
Seeler: Das mit der reinigenden Kraft hört man manchmal. Aber ich bin da anderer Meinung. Es wäre für den Verein und auch für die Stadt eine Katastrophe gewesen. Der HSV hat Schulden. In der 2. Liga hätten sich die Einnahmen halbiert. Glauben Sie mir, ich war nach dem Schlusspfiff beim Relegationsspiels völlig erschöpft. Dabei bin ich normalerweise ein ziemlich gelassener Mensch, auch bei HSV-Spielen. Es war ein Wunder, dass wir nicht abgestiegen sind. Da war unglaublich viel Glück im Spiel.
Was sagen Ihre alten Weggefährten vom HSV, wenn Sie mit denen über die Situation sprechen?
Seeler: Bei denen ist die Enttäuschung ebenfalls sehr groß – wie bei allen Fans. Obwohl die ja wirklich vernünftig sind. Von denen verlangt ja keiner, dass man oben mitspielt – aber ein Platz im gesicherten Mittelfeld, das wäre schon schön.
Können Sie noch an den letzten Auftritt Ihres HSV erinnern, der Sie als Zuschauer so richtig beglückt hat?
Seeler: Ehrlich gesagt nein. Die Negativbilder überdecken leider alles. Gegen Paderborn – das war erschreckend. Gegen Hannover hat die Mannschaft immerhin gekämpft.
Lassogga braucht Unterstützung
Der HSV ist als einziger Klub ohne Torerfolg. Ihnen, dem ehemaligen Torjäger, muss die aktuelle Sturmspitze Pierre-Michel Lasogga richtig Leid tun.
Seeler: Das ist ein guter Mann. Er kämpft und ackert. Aber er braucht Leute, die ihn in Szene setzen.
Was erwarten Sie von der Elf des Hamburger SV gegen den FC Bayern München?
Seeler: Dass sie sich achtbar aus der Affäre zieht – mehr nicht. Mit Punkten ist nicht zu rechnen.
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