Zu satt?
Die Machtposition des FC Bayern in der Bundesliga ist mit der Niederlage in Dortmund ins Wanken geraten. Die Spieler reagieren verärgert und schmallippig.
Es war ein denkwürdiges Arrangement, das sich am Samstagabend gegen halb neun auf dem Rasen des Dortmunder Westfalenstadions zu einer interessanten Momentaufnahme formierte. Vor der Südtribüne führten Dortmunder Spieler einen wilden Tanz auf, die schwarz-gelbe Masse ließ sich gemeinsam mit der Mannschaft in ein tiefes Glücksgefühl fallen. Drüben, in der Ecke mit den Bayern-Fans, verloren sich Manuel Neuer, David Alaba, Mats Hummels und Thomas Müller. Die vier blickten sich um, suchten vergeblich nach ihren Mitspielern. Wie zuvor im Dickicht des Dortmunder Defensivkonstrukts. Dortmund feierte nach zahlreichen Demütigungen ein Gefühl der Erlösung, während die Münchner schlecht gelaunt wie lange nicht wirkten.
Zwar steht der Rekordmeister trotz der 0:1-Niederlage in Dortmund noch vor dem BVB, aber dieses Wochenende könnte die Liga verändert haben. Weniger im nackten Zahlenwerk als im Bild von einer scheinbar starren Machtordnung. Und Dortmunds Trainer verstärkte dieses Durcheinander noch ein wenig, indem er eine kleine Prophezeiung zum neuen Tabellenführer RB Leipzig formulierte. Der Erfolg des Aufsteigers sei „keine Eintagsfliege“, erklärte Tuchel, „wir hatten letztes Jahr das Phänomen mit Leicester City in England, und ich würde sagen, dass Leipzig den exakt gleichen Weg gehen kann“.
Der Hunger beim FC Bayern scheint verschwunden
Das war ein letzter kleiner Hieb gegen den FC Bayern, dessen innerer Zusammenhalt beschädigt zu sein scheint. In dieser Deutlichkeit würden sie das niemals zugeben, Trainer Carlo Ancelotti sprach sogar von einer „guten Performance“, nur das Ergebnis habe nicht gepasst. Aber es gibt zahlreiche Indizien für grundlegende Probleme, die sich nicht so einfach aus der Welt schaffen lassen.
Die Gleichgültigkeit gegenüber den Fans, die Manuel Neuer mit dem Satz „Da müssen natürlich mehr Spieler von uns da hingehen“ kritisierte, ist nur ein Detail. Jenseits solcher Randerscheinungen scheint dieser wilde Ehrgeiz, dieser unbedingte Hunger der vergangenen Jahre verschwunden zu sein. Womöglich ist es auch kein Zufall, dass Thomas Müller gerade jetzt in der tiefsten Formkrise seiner bisherigen Karriere steckt. Und Kapitän Lahm, der keinesfalls schlecht gespielt hatte, wurde Mitte der zweiten Halbzeit ausgewechselt. „Ich habe seit meinem fünften Lebensjahr gelernt, dass man die Entscheidungen des Trainers zu akzeptieren hat“, lautete der schmallippige Kommentar des Kapitäns zu dieser ungewöhnlichen Maßnahme.
Vor allem aber reisten die Münchner mit der bitteren Erkenntnis aus Dortmund ab, dass sie nach drei Jahren mit dem fanatischen Optimierer Pep Guardiola in einem Zustand der Stagnation feststecken, während der BVB gerade dabei ist, sich neu zu erfinden. Vor wenigen Wochen hat Tuchel noch ziemlich despektierlich geklungen, als er seinem Leverkusener Kollegen nach der 0:2-Niederlage bei Bayer 04 vorhielt, mit 35 Prozent Ballbesitz könne man kaum behaupten, die bessere Mannschaft gewesen zu sein. Nun hatte Dortmund mit 34 Prozent Ballbesitz gewonnen, und der Trainer sagte, er habe die Münchner Dominanz bewusst „in Kauf genommen, um uns nicht zu überfordern und um gefährlich zu bleiben“. Als Kontermannschaft.
Götze macht sein wohl beste Saisonspiel
Nur in den ersten 20 Minuten hatte sein Team versucht, dominant zu agieren, und Pierre-Emerick Aubameyang traf zum 1:0 (11.). Dann überließen die Dortmunder den Bayern weite Teile des Mittelfelds. Mario Götze, der das Tor vorbereitet und sein wohl bestes Saisonspiel gemacht hatte, bildete in der zweiten Halbzeit eine starke Doppelsechs mit Julian Weigl. Der BVB reüssierte mit der Underdog-Taktik von Köln, Hoffenheim oder Frankfurt, die den Bayern auch schon Punkte klauen konnten.
Es deutet sich an, dass ein Merkmal des neuen BVB eine Art Rückbesinnung auf die Meisterjahre Anfang des Jahrzehnts werden könnte. Das Bedürfnis nach Kontrolle und Dominanz verliert an Bedeutung, stattdessen werden Balleroberungen und Umschaltmomente wieder wichtiger. Und natürlich die gute alte „Gier“, von der Tuchels Vorgänger Jürgen Klopp jahrelang gesprochen hatte.
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