Der Spätzünder
Einst lebte David Elsner aus dem Koffer und hing beinahe seine Schlittschuhe an den Nagel. Doch er ist beim ERC Ingolstadt heimisch geworden – und spielt konstant wie nie.
„Auf, Greile!“, ruft David Elsner seinem Teamkollegen sarkastisch hinterher. Thomas Greilinger, ausgestattet mit Handgelenken aus Gummi und deshalb eigentlich keiner, um dessen Zielsicherheit man sich sorgen müsste, läuft an zum traditionellen Penaltyschießen am Ende des Abschlusstrainings – und versemmelt. Elsner grinst schelmisch.
Der 26-Jährige hat momentan gut Lachen: nicht nur, weil „der Greile“ verschossen hat, sein ERC Ingolstadt derzeit auf Platz drei der Tabelle liegt und die Stimmung im Kabinentrakt der Panther gelöster gerade nicht sein könnte. Auch für Elsner persönlich läuft es gut und das hat einen im Wortsinn „einfachen“ Grund. Müsste man Eishockey auf eine goldene Regel herunterbrechen, sie würde in etwa lauten: „spiele einfach, arbeite hart und du wirst dafür belohnt“. Konkret: Scheibe tief, Check, Schuss, zurück ins eigene Drittel, Check, Scheibe raus, Check, Scheibe tief, Check, Schuss, Tor – und ab zum Jubeln. Elsner jedenfalls, gemeinsam mit Joachim Ramoser und Tim Wohlgemuth, seinen Partnern in der vierten Sturmreihe, hielt sich zu Saisonbeginn meist an diese Regel, und belohnte sich dafür mit zwei Toren und drei Assists in neun Partien, bei nur knapp neun Minuten Eiszeit pro Spiel.
„Wenn es klappt, dann geht alles ein wenig von alleine“, erklärt der Landshuter seinen aktuellen Aufschwung. „Für mich sind wir auch gar keine vierte Reihe. Wir spielen tolles Eishockey.“ Elsner ist selbstbewusst. Doch das war nicht immer so. Landshut Cannibals, zweite Liga, Anfang 2010: Scouts aus Nordamerika haben ein Auge auf Tobias Rieder und Tom Kühnhackl geworfen. Doch bei einer Partie in Heilbronn fällt ihnen ein weiterer Jungspund auf. Er spielt aggressiv, hat einen guten Schuss, ist torgefährlich – und hört auf den Namen David Elsner. Der damals 18-Jährige wird unerwartet in der siebten Runde von den Nashville Predators gedraftet. Ein Traum wird war und zerbröckelt ebenso plötzlich wieder.
Elsner nimmt an den Vorbereitungscamps in Nashville teil, spielt noch ein Jahr in Landshut (und per Förderlizenz schon damals drei Partien für den ERCI), lehnt ein Vertragsangebot aus Ingolstadt aber ab und wechselt, wie auch Rieder und Kühnhackl, in die kanadischen Juniorenliga OHL. Während sich die zwei Jugendfreunde, beide mittlerweile Stammspieler in der NHL, durchsetzen, endet eine verkorkste Saison für Elsner mit einem One-Way-Ticket zurück nach Deutschland. „Vielleicht hatte auch ich das Talent dazu, war aber einfach ein bisschen zu blöd und habe meine Chance nicht genutzt“, sagt der Stürmer.
Zurück in der Heimat will Elsner bei den Nürnberg Ice Tigers Fuß fassen. Doch der damalige Trainer Tray Tuomie setzt nicht auf ihn. „Ich hatte drei, vier Wechsel pro Spiel und sollte nur Leute über den Haufen fahren. Das macht dich kaputt. Ich stand auf dem Eis, hab’ meine Arbeit gemacht, aber hatte keinen Spaß“, blickt Elsner zurück. Er spielt fortan immer öfter beim Kooperationspartner Frankfurt, pendelt viel, 223 Kilometer einfach, lebt sechs Wochen lang aus dem Koffer. Eine Handvoll Boxershorts, T-Shirts, Hosen, ein Pulli, sonst nichts. „Ich war kurz davor, mit dem Eishockey aufzuhören. Für mich hat das alles keinen Sinn mehr gemacht.“ Dann ruft ein alter Bekannter aus Landshuter Zeiten an. Jiri Ehrenberger, ehemals ERCI-Sportdirektor, lotst Elsner 2015 zurück nach Ingolstadt, wo ihm im zweiten Jahr der endgültige Durchbruch gelingt.
Mittlerweile ist es Elsners vierte Saison bei den Panthern, er ist fester Bestandteil des Teams. Sein Trainer Doug Shedden, der ihm noch im vergangenen Jahr mangelnde Konstanz attestiert hatte, lobt jetzt: „David arbeitet hart, spielt aufmerksam, einfach, zuverlässig und trifft auch noch.“ Die goldene Regel eben. Hält Elsner sie nicht ein, interveniert Shedden. „Manchmal staucht er dich vor der kompletten Mannschaft zusammen, damit es jeder mitkriegt. Am nächsten Tag holt er dich dann zum Vier-Augen-Gespräch in seine Trainerkabine.“
Ab und zu brauche er einfach mal einen „Anschiss“, meint Elsner. Es scheint zu wirken: unter Shedden scorte er in mehr als jeder zweiten Partie. „Es macht wieder Spaß“, sagt Elsner. Wie bestellt kommt in diesem Moment Verteidiger Sean Sullivan vorbei und gibt ihm einen Klaps auf den Hintern. Elsner zieht die Mundwinkel nach oben und grinst.
ERC Ingolstadt in Kürze Im Heimspiel gegen die Tabellenführer der Düsseldorfer EG (heute, 19.30 Uhr) wird erneut Jochen Reimer das Tor hüten. Der Einsatz des angeschlagenen Verteidigers Ville Koistinen entscheidet sich dagegen kurzfristig. Während Ryan Garbutt derzeit lediglich individuell auf dem Eis trainiert und laut Shedden „noch zehn Tage braucht“, ist Laurin Braun wieder voll ins Mannschaftstraining eingestiegen. „Er könnte spielen, aber nach dem Sieg in München sehe ich keinen Grund, meine Aufstellung zu ändern“, so Shedden.
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