So läuft es in Japan
Der ehemalige Trainer des ERC Ingolstadt Greg Thomson betreut die japanische Eishockey-Nationalmannschaft. Er erzählt von Schwierigkeiten mit der Sprache und der Verständigung sowie dem sportlichen Niveau in Asien.
Seit rund einem Jahr ist der ehemalige Chef- und Assistenz-Trainer des ERC Ingolstadt, Greg Thomson, als Nationalcoach in Japan tätig. In dieser Woche bereitet sich der 53-Jährige mit seinem Team in Ingolstadt auf die anstehende Olympia-Qualifikation in Riga (1. bis 4. September) vor. Dazu gehört an diesem Wochenende auch die Teilnahme am Gäuboden-Cup in Straubing sowie ein Besuch des heutigen CHL-Heimspiels der Panther gegen die ZSC Lions.
Herr Thomson, was ist schwieriger: Bayerisch oder Japanisch?
Thomson: (lacht) Definitiv Japanisch! Wie will man die Sprache lernen, wenn man die Schrift nicht lesen kann? Auch sind die Dialekte im Japanischen äußerst schwierig. Wenn man ein und dasselbe Wort anders ausspricht, kann es das Gegenteil bedeuten. Einige japanische Begriffe habe ich mir aber schon angeeignet.
Wie würden Sie die japanische Mentalität beschreiben?
Thomson: Grundsätzlich sind die Menschen sehr freundlich und zuvorkommend! Darüber hinaus herrscht ein wahnsinniger Respekt von jüngeren Leuten den älteren gegenüber – auch wenn der Altersunterschied nur ein paar Jahre beträgt. Damit habe ich schon ein bisschen Probleme. Ich kann Ihnen da ein gutes Beispiel nennen: Als wir hier im Hotel angekommen sind, hat die Zuteilung der Zwei-Bett-Zimmer sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Es wurde intensiv diskutiert, ob man einem jüngeren und älteren Spieler aus Gründen des Respekts zusammen ein Zimmer geben kann. Auch im Sport selbst ist diese „Disziplin“ nicht förderlich. Wenn du als junger Akteur zu viel Respekt vor einem erfahrenen Spieler zeigst, entwickelst du dich nicht.
Wie ist es eigentlich zu Ihrem Engagement als japanischer Nationaltrainer gekommen?
Thomson: Nachdem ich meinen Vorgänger Mark Mahon zuvor einige Male als Assistenz-Coach unterstützt habe beziehungsweise Mark sich entschieden hatte, als Sportmanager zu den Kölner Haien zu wechseln, gab es mit dem Verband intensive Gespräche. Und letztlich hat man sich dann auch für mich entschieden.
Wie viel Zeit verbringen Sie in der Regel vor Ort in Japan?
Thomson: Im Grunde pendel ich während der Saison eigentlich zwischen Deutschland und Japan hin und her. Ich bin drei, vier Wochen hier und dann wieder einen Monat dort. Ehrlich gesagt, habe ich das ganze Reisen anfangs schon etwas unterschätzt. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich etwas daran.
Auf welche Art und Weise verständigen Sie sich mit der Mannschaft und Ihrem Trainerteam?
Thomson: Auch das ist nicht ganz einfach, nachdem nur ein paar Spieler Englisch sprechen. Der Rest läuft über einen Dolmetscher ab, der ständig an meiner Seite ist. Während des Trainings ist das nicht so ein großes Problem. Schwieriger wird es dann bei den Spielen, wenn du während oder direkt nach einer Aktion etwas sagen willst. Das muss dann von einem Dolmetscher immer erst übersetzt werden.
Wie würden Sie das sportliche Niveau der japanischen Nationalmannschaft im Vergleich zu Deutschland einschätzen?
Thomson: Schwer zu sagen. Ich denke aber, dass sich das Team in der DEL2 irgendwo zwischen Tabellenspitze und Mittelfeld einpendeln würde. Die Jungs sind läuferisch und technisch gut ausgebildet. Was ihnen jedoch etwas fehlt, ist die nötige Physis. Auch habe ich bislang vergeblich nach einem schussstarken Akteur der „Marke Jakub Ficenec“ gesucht. Einen solchen Spielertypen haben wir leider nicht.
Welchen Stellenwert hat das Eishockey in Japan?
Thomson: Auch wenn dieser nicht sonderlich groß ist, wird der Eishockey-Sport aufgrund des vorhandenen Respekts der Leute trotzdem ernst genommen. Mein Vertrag läuft beispielsweise nicht über den dortigen Eishockey-, sondern Olympischen Verband. Ich muss nach jedem Turnier einen ausführlichen Bericht abgeben. Daran sieht man, dass sich die Verantwortlichen mit diesem Thema intensiv beschäftigen.
Können Sie uns beschreiben, wie der Liga-Spielbetrieb in Japan organisiert wird?
Thomson: In Japan selbst gibt es nur vier Mannschaften, die zusammen mit vier Teams aus Südkorea sowie jeweils einer Truppe aus Russland und China eine Liga bilden. Von dem her ist die Auswahl an Spielern nicht sonderlich groß. Ich würde es daher befürworten, wenn es in Japan eine eigene Spielklasse mit sieben oder acht Klubs geben würde. Dann könnte sich auch der Nachwuchs deutlich besser entwickeln.
Das nächste größere Turnier ist die Olympia-Qualifikation Anfang September in Riga mit Deutschland, Österreich, Japan und Gastgeber Lettland. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Thomson: Natürlich gehen wir als großer Außenseiter in diesen Wettbewerb. Aber es gibt immer eine gewisse Hoffnung. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur den Auftritt Islands bei der Fußball-EM. In einem solch kurzen Turnierverlauf mit drei Teams kann alles passieren. Letztlich ist man von vielen kleinen Dingen abhängig.
Freuen Sie sich auf das Duell mit Deutschland besonders?
Thomson: Ja, auf alle Fälle. Als wir die Qualifikation für dieses Turnier absolviert haben, war es bereits mein großer Wunsch, in die „Deutschland-Gruppe“ zu kommen. Und nachdem sich die Polen im zweiten Qualifikationsfeld gegen Ungarn durchgesetzt haben, sind sie aufgrund der Weltranglistenpunkte in die andere Gruppe mit Weißrussland gewandert. Das hat mich sehr gefreut. In meinen Augen hat Deutschland in unserer Gruppe die Favoritenrolle inne.
Lassen Sie uns abschließend etwas vorausblicken. Sehen Sie Ihre derzeitige Aufgabe in Japan als Langzeit-Job für die kommenden Jahre oder tendieren Sie künftig wieder in Richtung Vereinstrainer?
Thomson: Meine jetzige Tätigkeit macht mir sicherlich Spaß. Aber ich vermisse schon etwas die tägliche Arbeit mit einer Mannschaft auf dem Eis. Auch was die ganzen Reisestrapazen betrifft, kann ich mir es eigentlich nicht vorstellen, diesen Job zehn Jahre lang zu machen.
Heute Champions Hockey League Am heutigen Samstagnachmittag bestreitet der ERC Ingolstadt sein zweites Spiel in der Champions League. Um 16.30 Uhr sind die ZSC Lions Zürich aus der Schweiz in der Saturn-Arena zu Gast. Die Panther müssen dabei weiterhin auf Benedikt Kohl und Marc Schmidpeter verzichten. Das erste Aufeinandertreffen der beiden Klubs verlor der ERC am vergangenen Dienstag mit 0:2. Der Erste und Zweite der Dreiergruppe qualifizieren sich fürs Sechzehntelfinale. Die Gruppe wird von Lukko Rauman aus Finnland komplettiert.
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