Einstellung schlägt Aufstellung
Es mutet immer noch unwirklich an. Der FC Augsburg gewinnt in Dortmund, steht auf Platz vier und ist derzeit das heiße Ding der Liga. Vieles davon beruht auf einer alten Erkenntnis.
Über viele Jahrzehnte war der Fußball eine echte Männerdomäne. Doch diese Zeiten sind vorbei. An Spielerinnen auf dem Rasen haben wir uns längst gewöhnt, mittlerweile sitzt die holde Weiblichkeit in immer größerer Zahl auch Fähnchen schwenkend oder mit einem Schal um den Hals auf den Tribünen der Arenen. Und behauptet, etwas von diesem Spiel zu verstehen. Sind weibliche Fans deshalb auch mitunter echte Expertinnen?
Ich muss seit Mittwochabend gestehen – ja. Beim sogenannten Journalistentipp vor dem Bundesligaspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Augsburg gingen mit mir die Gäule und mein schlechtes Gefühl an diesem Abend durch. Ich tippte 4:1 für den Tabellenletzten. Der FCA strafte mich mit einer famosen Leistung bei den großen Borussen Lügen. Ich erntete Hohn und Spott von den Augsburger Kollegen.
Ein Handy dank des FCA
Diese bittere Schmach hätte ich mir ersparen können, wenn ich auf Carmen D., eine Fotografin aus dem Schwabenland, gehört hätte. Sie warnte mich eindringlich vor dieser Prognose, wollte mich zu einem 1:0-Siegestipp für den FCA überreden. Hätte ich nur auf sie gehört. Kollege Alex K., Reporter bei einem Lokalsender, tat’s, gewann ein Handy und fuhr natürlich auch wegen des FCA-Erfolges hochzufrieden nach Hause. Herzlichen Glückwunsch.
An Gratulationen haben sie sich beim FCA in dieser Saison längst gewöhnt. Es ist sensationell und kaum zu glauben, wie diese Mannschaft auftritt, wie sie auch den mit Weltklasseakteuren bestückten Westfalen den Zahn zog. Die lange Verletztenliste wird einfach ignoriert, die auf dem Platz stehen, halten sich an die ewig junge Erkenntnis: Die Einstellung ist wichtiger als die Aufstellung.
Eigentlich ist die Entwicklung dieses Vereins kaum in Worte zu fassen. Vor genau zehn Jahren spielten die Augsburger in der Regionalliga. Am 19. Spieltag gewann das Team des damaligen Trainers Rainer Hörgl bei der SV Elversberg durch ein Tor von Mark Römer mit 1:0. Vor 700 Zuschauern.
Am Mittwochabend spielten die Augsburger Überflieger vor mehr als 80 000 Besuchern in Dortmund. Ein Traum? Nein. Herrliche Realität.
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