FCA-Gegner Leipzig: "Wir sind eine Bereicherung für die Bundesliga"
Mit Ingolstadt stieg Ralph Hasenhüttl auf, jetzt trainiert er Leipzig und trifft auf den FC Augsburg. Ein Gespräch über Entlassungen, Traditionsvereine und Red Bull.
Herr Hasenhüttl, sprechen Sie und die Sachsen schon eine Sprache? Der Dialekt ist für einen Österreicher bestimmt gewöhnungsbedürftig.
Hasenhüttl: (Lacht) Ich habe das Schwäbische intus, weil ich dort schon gearbeitet habe, das Bayerische sowieso, und jetzt kommt noch das Sächsische hinzu. Das wird wahrscheinlich ein schöner Mischmasch am Ende.
Sie haben sich bewusst für Leipzig entschieden. Inwieweit erleichtert der gute Saisonstart Ihre Arbeit?
Hasenhüttl: Erfolgserlebnisse schaden nie. Wir haben einen nahtlosen Übergang von Ralf Rangnick zu mir geschafft. Wir wollten nicht allzu viel verändern und die Spielweise beibehalten. Wir pflegen eine ähnliche Philosophie von Fußball. Das war wohl auch der Grund, warum Ralf Rangnick mich unbedingt haben wollte.
Sie haben einmal gesagt, Sie versuchen jedes Spiel losgelöst vom Ergebnis zu beurteilen. Ist das überhaupt möglich?
Hasenhüttl: Man muss immer versuchen, die Dinge losgelöst vom Ergebnis zu betrachten. Nur so besteht die Chance, sich zu verbessern. Unsere Aufgabe liegt darin, das Gute und Schlechte zu beurteilen. Was wurde von den Jungs umgesetzt? Hatten wir den richtigen Plan? Es kann auch passieren, dass der Trainer den falschen Ansatz gewählt hat.
Überaus ergebnisorientiert haben zuletzt Bundesliga-Verantwortliche ihre Trainer beurteilt. Wie sehen Sie die Entwicklung, sich so früh von einem Trainer zu trennen?
Hasenhüttl: In unserem Job sind Ergebnisse im Endeffekt die einzigen Argumente. Trainer haben eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Unsere Entscheidungen müssen dazu führen, dass die Arbeit eines Vereins erfolgreich ist. Ist das nicht der Fall, waren es am Ende keine guten Entscheidungen – und man muss die Konsequenzen tragen. Das ist nichts, wo man als Trainer aus allen Wolken fallen darf.
Hasenhüttl fiebert weiter mit seinem Ex-Club FC Ingolstadt mit
Sie können also nachvollziehen, dass Labbadia nach fünf Spieltagen beim HSV beurlaubt wurde?
Hasenhüttl: Stellt sich der Erfolg nicht ein und der Verein glaubt, ein anderer Trainer kann aus der Mannschaft mehr herausholen und es wird ein neuer Impuls benötigt, dann muss der Klub die entsprechende Entscheidung treffen. Der Verein trägt die Verantwortung, dass der neue Trainer funktioniert. Ist das nicht der Fall, kommt irgendwann sicherlich auch die Frage auf: Moment, ihr wechselt einen Trainer nach dem anderen: Funktionieren vielleicht andere Dinge nicht?
Leipzig oder auch der FC Augsburg hielten in der Vergangenheit lange an Trainern fest. Gibt es für einen Bundesligatrainer überhaupt die Sicherheit, langfristig arbeiten zu dürfen?
Hasenhüttl: Sicherheit gibt es nicht. Man muss Woche für Woche Leistung und Ergebnisse abliefern. Das ist so in unserem Geschäft. Ich habe damit überhaupt kein Problem.
Ist die Erwartungshaltung der Klubverantwortlichen zu groß?
Hasenhüttl: Die Erwartungshaltung muss sich den momentanen Möglichkeiten des Klubs angleichen. Dafür muss die sportliche Leitung sorgen. Häufig ist das das Problem der Traditionsvereine. Ein Meistertitel vor 30 Jahren hilft dir in der aktuellen Situation nicht weiter.
Sie haben sich sehr emotional beim FC Ingolstadt verabschiedet. Wie intensiv verfolgen Sie den Verein noch?
Hasenhüttl: Ich verfolge das sehr intensiv, mein Sohn Patrick spielt dort in der zweiten Mannschaft.
Ihrem Nachfolger Markus Kauczinski fehlen die Ergebnisse. Sie kennen das Ingolstädter Umfeld. Wie viel Zeit wird er bekommen?
Hasenhüttl: Kann ich nicht beantworten. Ich finde, die Mannschaft verkauft sich besser, als es die Ergebnisse ausdrücken. Ich wünsche der Truppe, dass sie die Wende schafft. Der Kader hat sich kaum verändert und ich glaube, dass die Mannschaft die Qualität hat, die Klasse erneut zu halten.
Hasenhüttl will sich mit RB Leipzig in der Bundesliga etablieren
Sie sind ein Beispiel für einen Trainer, der aus einem laufenden Vertrag gekauft wurde. Früher wurde vor allem für Spieler bezahlt. Wird Ihr Berufsstand durch Millionen-Transfers aufgewertet?
Hasenhüttl: Von der Seite habe ich es noch gar nicht betrachtet. Ich glaube, die Begehrlichkeiten nach erfolgreichen Trainern werden immer größer – und die stehen dann meist unter Vertrag. Will man einen erfolgreichen Trainer unbedingt haben, muss man für ihn eine Ablöse zahlen. Das ist eine logische Entwicklung.
Als Spieler waren Sie nicht in der Bundesliga aktiv, als Trainer sind Sie in der ersten Liga erfolgreich. Was macht der Trainer Hasenhüttl besser als der Spieler?
Hasenhüttl: (Lacht) Der Trainer Hasenhüttl muss nicht so viel laufen.
Ist das der einzige Grund?
Hasenhüttl: (Lacht weiter) Ich glaube schon.
Ihrer Mannschaft fehlt Bundesligaerfahrung, dennoch spielt sie erfolgreich. Hätten Sie damit gerechnet, dass es gleich so gut läuft?
Hasenhüttl: Rechnen konnten wir damit nicht. Die Leistungen sind aber bislang sehr konstant. Für uns war wichtig zu sehen, dass wir mithalten können.
Welche Spielertypen benötigen Sie für Ihre Art, Fußball spielen zu lassen?
Hasenhüttl: Das muss kein außergewöhnlicher Spielertyp sein. Er muss diszipliniert, lernwillig und verantwortungsbewusst sein. Ein bisserl Fußballspielen sollte er auch können – dann passt das eigentlich alles.
Die Konkurrenz ist gewarnt. Rechnen Sie damit, dass gegnerische Teams künftig defensiver gegen Sie auftreten?
Hasenhüttl: Nein. Wir sind Aufsteiger und wollen uns in der Liga etablieren. Die anderen sind vielleicht gewarnt. Aber nur abwartend spielt in der Bundesliga sowieso niemand.
Boykott der FCA-Ultras stört die Leipziger nicht
Der FC Augsburg legt sein Augenmerk dennoch auf die Defensive.
Hasenhüttl: Die Mannschaft ist in die Euro League gekommen, weil sie gut nach vorne gespielt hat. Vielleicht hat sie unter dem neuen Trainer eine etwas andere Herangehensweise.
Der harte Kern der FCA-Fans boykottiert die Auswärtsfahrt nach Leipzig. Wie gehen Sie mit der Kritik um, die auf Ihren Verein und das Projekt RB einprasselt?
Hasenhüttl: Der Boykott eines Auswärtsspiels ist nicht neu für uns. Aber das Spiel gegen Dortmund war schneller ausverkauft, als das vorstellbar war. Selbst wenn es noch weitere Aktionen geben sollte, tangieren die uns nicht. Mit unserer sympathischen Mannschaft, unserer Spielweise und einer nachhaltigen Philosophie sind wir eine Bereicherung in der Bundesliga. Das Gros der Zuschauer erkennt das.
Wie wird das Red-Bull-Projekt in Ihrer österreichischen Heimat gesehen?
Hasenhüttl: Unser Verein wird sehr positiv gesehen. Wir haben Nationalspieler in unseren Reihen. Die Entwicklung wird mit Freude zur Kenntnis genommen.
Letzte Frage. Mit einem Erfolg gegen Augsburg könnten Sie in die Bundesligaspitze vordringen. Sind die internationalen Plätze ein realistisches Ziel?
Hasenhüttl: Realistisches Ziel ist, zu Hause gegen Augsburg gewinnen zu wollen. Das nächste Spiel ist Woche für Woche unser Ziel. Wo wir am Ende der Saison stehen, ist uns – Stand heute – komplett egal.
Die Diskussion ist geschlossen.