Ragnar Klavan: Am Torjubel muss er noch arbeiten
FCA-Innenverteidiger Ragnar Klavan erklärt vor dem Spiel gegen Wolfsburg, wie er sich auf das Duell mit Torjäger Bas Dost vorbereitet und was er von ihm noch alles lernen kann.
Bereitet Ihnen der Name Bas Dost schlaflose Nächte?
Ragnar Klavan: Nein, aber ich kenne ihn gut. Wir haben 2008 bei Heracles Almelo schon zusammengespielt. Er war da erst 18. Er hat zwar nicht viel gespielt, aber er war im Training immer fokussiert. Er ist dann später zum SC Heerenveen gewechselt und wurde dort zum Top-Scorer. Da hat man schon gesehen, dass er eine gute Nase hat, um Tore zu schießen.
Sie machen sich also keine Gedanken über Dost?
Ragnar Klavan: Doch, natürlich. Wir bekommen von unserem Videoanalysten immer Videos zusammengestellt. Über die gegnerische Mannschaft, aber auch über jeden einzelnen Spieler. Die können wir über Dropbox dann abrufen. Da beschäftige ich mich natürlich mit Bas Dost, aber auch mit allen anderen Spielern. Denn Wolfsburg hat viele gefährliche Spieler.
Wie erklären Sie seine Explosion mit jetzt elf Toren in der Rückrunde?
Ragnar Klavan: Bas hat einfach einen Lauf.
Und er hat in Wolfsburg unter Dieter Hecking gelernt, nach hinten zu arbeiten. Mit Tim Matavz hat der FCA auch einen Top-Stürmer aus den Niederlanden geholt. Kann er sich genauso entwickeln wie Bas Dost?
Ragnar Klavan: Sie sind körperlich und vom Stil her sehr ähnlich. Tim ist wieder auf einem guten Weg. Er hat jetzt in seiner Verletzungspause sehr viel für seine Fitness gemacht. Das ist sehr wichtig hier. Ich habe, als ich nach Deutschland gekommen bin, auch acht Wochen gebraucht, um fit genug für die Bundesliga zu sein. Die Qualität dazu hat er sicher. Tim hat wirklich einen ähnlich guten Torriecher wie Bas Dost.
Wie können Sie Bas Dost und Wolfsburg stoppen?
Ragnar Klavan: Wir müssen so spielen, wie wir immer zu Hause spielen. Wir müssen gut pressen, in allen Linien kompakt stehen. Wenn wir alle unsere Leistung bringen, ist es möglich, die drei Punkte in Augsburg zu behalten.
Warum läuft es auswärts nicht so?
Ragnar Klavan: Die letzten zwei Auswärtsspiele waren nicht gut von uns. Wir haben weniger investiert als der Gegner, wir sind weniger gelaufen. Für unsere Entwicklung sind aber auch solche Spiele wie gegen Hertha oder Bremen wichtig. Du siehst, dass wir noch viele Sachen besser machen können. Das ist manchmal bitter, wenn du verlierst, aber du musst aus diesen Niederlagen lernen.
Sie haben Ihr Top-Level der Vorrunde sogar noch anheben können...
Ragnar Klavan: Ich fühle mich sehr gut. Diese Saison hab ich fast alle Trainingseinheiten mitmachen können. Das ist gut, darum fühle ich mich besser.
Und Sie haben sich mit zwei Treffern nach der Winterpause zum Torjäger entwickelt.
Ragnar Klavan: Wir haben im Trainingslager diese Standards oft trainiert. Jan-Ingwer und ich sind in diese Ecken oder Freistöße oft auch ohne Gegner reingelaufen, um diese Automatismen einzuüben.
Beim Torjubel haben Sie aber noch keinen Automatismus?
Ragnar Klavan: Das sagen auch die Kollegen in der Kabine, dass ich mir da was ausdenken muss. Aber ich weiß nicht, ob sich das lohnt. Das passiert ja nicht so oft.
Sie haben mit AZ Alkmaar schon in der Europa League gespielt. Sie wissen, was auf den FCA zukommen würde. Ist Ihre Mannschaft schon so weit?
Ragnar Klavan: Wir müssen erst unser Ziel, die 40 Punkte, erreichen. Wir haben aus den letzten vier Spielen nur zwei Zähler geholt. Wir müssen wieder in unseren guten Trend zurückkehren, erst dann können wir weitersehen.
Ihre Berater, Maikel Stevens, war am Dienstag in Augsburg. Zuerst war er in der SGL-Arena und dann haben Sie zusammen zu Abend gegessen. Ging es um Ihre Zukunft?
Ragnar Klavan: (lacht) Sie sind gut informiert. Er kommt nicht nur wegen mir hier her. Ab und zu bespricht er sich mit Herrn Reuter, vielleicht ging es ja um neue Spieler. Das habe ich aber nicht gefragt.
Ihr großer Traum ist aber immer noch die englische Premier League oder?
Ragnar Klavan: Ja, das bleibt sie. Es gibt aber nichts Konkretes. Und wenn es nicht passiert, ist es auch ok.
Sie sind jetzt 29. Wenn Sie Ihren Vertrag in Augsburg bis 2017 erfüllen, sind Sie 31. Ist es dann nicht zu spät?
Ragnar Klavan: Ich bin, auf Englisch sagt man, ein „late bloomer“.
Spätzünder?
Ragnar Klavan: Ja. Ich bin erst seit kurzer Zeit in diesem großen Spiel Bundesliga und meine Entwicklung ist noch nicht zu Ende. Ich fühle mich nicht wie ein 29-Jähriger, ich will noch viel länger im Top-Fußball mitmachen.
Gibt es Anfragen aus England?
Ragnar Klavan: Ich habe eine Absprache mit meinem Berater gemacht. Ich will nicht alle zwei Monate angerufen werden und er sagt: Da ist Interesse oder da. Auf diesem Level, auf dem wir spielen, gibt es immer Interesse. Jeder Verein hat eine Liste, auf der 20 Kandidaten für die Innenverteidiger-Position stehen. Es ist für mich nicht interessant, wenn er sagt, ich stehe auf der Liste.
Wann wäre es interessant?
Ragnar Klavan: Ich habe gesagt, wenn ein Verein wirklich konkret wird, dann kannst du mich anrufen, dann ist’s okay.
Der FCA, so hört man, würde Sie gerne über 2017 hinaus binden. Könnten Sie sich vielleicht sogar vorstellen, auch nach Ihrer Karriere hier zu bleiben?
Ragnar Klavan: Nach dem Fußball? Nein. Ich werde sicher nach Estland zurückkehren, weil Fußball in Estland immer noch so klein ist. Sie haben nicht so viele Leute mit der Erfahrung aus den großen Fußball-Ländern wie Deutschland oder Niederlande. Ich will aber kein Profitrainer, sondern ein Jugendtrainer werden. Das ist sehr wichtig. Ich bin mit Trainern groß geworden, die alles für mich getan haben. Darüber bin ich sehr glücklich, aber sie hatten nicht so eine Ausbildung wie die Trainer hier in Deutschland oder den Niederlanden. Wir sind so ein kleines Fußball-Land, wir müssen diese Erfahrung nutzen.
Das klingt alles schon sehr konkret?
Ragnar Klavan: Ich habe mir schon ein paar Gedanken gemacht. Ich weiß sicher, dass ich mit meiner Familie nach Estland zurückkehren will, um etwas mit Fußball zu machen.
Die politische Lage ist aber unruhig. Macht man sich große Sorgen in Estland wegen der Lage in der Ukraine?
Ragnar Klavan: Das wird von den Medien etwas übertrieben. Unser Nachbar ist Russland. Das ist jetzt so und wird in 30, 40 Jahren auch so sein. Wir müssen einfach damit leben.
Das Interview führte Robert Götz.
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