Wehe, wenn Modeste nicht mehr trifft...
Beim 1. FC Köln ist viel von Anthony Modeste abhängig. Ansonsten hat sich der Klub hervorragend entwickelt - vor allem, weil er sich neu erfunden hat. Der heutige FCA-Gegner im Porträt.
Die Bescheidenheit ist grenzenlos, dort, wo früher Großmannssucht und Selbstinszenierung dominierten. Der 1. FC Köln des Jahres 2016 kennt solche Eigenschaften nicht. 21 Punkte hat die Mannschaft von Trainer Peter Stöger an den ersten elf Spieltagen der Bundesligasaison geholt, sie ist Tabellenvierter und es macht nicht den Anschein, als würden die Kölner sich bald aus dem oberen Drittel verabschieden.
Aber wer mit großen Ansagen rechnet, der muss lange warten. „Die Punkteausbeute ist momentan insgesamt schon ein wenig überraschend und natürlich nur eine Momentaufnahme“, sagte Stöger dieser Tage, als er vor dem Spiel gegen den FC Augsburg am Samstag (15.30 Uhr) wieder einmal auf den Aufschwung seines Teams angesprochen wurde.
Die Fragen nach den Gründen für den sehr guten Saisonstart müssen Stöger und Geschäftsführer Jörg Schmadtke Woche für Woche beantworten. Die Situation des 1. FC Köln weckt die Aufmerksamkeit überregionaler und internationaler Medien – unter anderem britische und französische Journalisten besuchten zuletzt die Vereinszentrale am Geißbockheim, um sich ein Bild davon zu machen, was die Überraschungsmannschaft der Bundesliga zu einer solchen macht.
In Köln ist wohltuende Ruhe eingekehrt
Die Gründe sind schnell gefunden. Ein gewaltiger ist die erwähnte Bodenhaftung – im Verein selbst wissen sie die Lage realistisch einzuschätzen. Das steht im Kontrast zu früheren Zeiten, in denen auf eine Serie von zwei Siegen nacheinander die ersten Träume vom Europapokal folgten. Heute ist es so, dass das Erwartungshaltungs-Management der Verantwortlichen wirkt – jedenfalls bei den meisten Fans, die traditionell zur Euphorie neigen.
Wenn jetzt einer vom internationalen Geschäft spricht, dann geschieht das zumeist mit Selbstironie. Es sei allerdings erwähnt, dass Stöger und Schmadtke lange daran gearbeitet haben, dass die Menschen in Köln nicht mehr ad hoc nach den Sternen greifen, wenn es beim FC mal läuft. Und dass Rückschläge in dieser Hinsicht nicht auszuschließen sind.
So oder so: Die Ruhe im Umfeld passt zu der innerhalb der Mannschaft. Eskapaden gibt es längst nicht mehr, im Gegenteil ist der Kölner Kader ein Musterbeispiel für Geschlossenheit. Die Spieler schätzen sich auch abseits des Rasens, unternehmen viel gemeinsam, betonen immer wieder das Mannschaftsgefüge als einen großen Trumpf. Dazu passt das Verhältnis zwischen Team und Trainer.
Wer sich hinter den Kulissen umhört, der erfährt nichts Negatives. Die Spieler schätzen Stögers besonnene Art und dass er ihnen vertraut und Freiheiten einräumt. Im Gegenzug nutzen sie das nicht aus. Bislang funktioniert diese Kombination hervorragend – Stöger ist nun ja schon in seiner vierten Saison beim FC aktiv. So lange haben vor ihm nicht viele Trainer in Köln arbeiten dürfen.
Köln ist von Modeste abhängig
Die Kölner sind darüber hinaus relativ resistent gegen Rückschläge wie Niederlagen und Verletzungspech – mit Torwart Timo Horn, Kapitän Matthias Lehmann sowie Leonardo Bittencourt und Dominic Maroh fallen vier Leistungsträger für den Rest des Jahres aus. Bislang kann der FC das kompensieren. Gefährlich würde es allerdings, wenn Anthony Modeste nicht mehr treffen würde. Gemeinsam mit Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang führt der Franzose die Torjägerliste der Bundesliga mit zwölf Treffern an. Eine Abhängigkeit des FC von seinem besten Stürmer ist nicht von der Hand zu weisen.
Immerhin aber haben die Kölner ihre Spielweise weiterentwickelt. Waren sie nach dem Aufstieg im Sommer 2014 vor allem defensivstark, aber überfordert mit Ballbesitz und Spielgestaltung, so entwickelten sie in der zurückliegenden Saison ein effizientes Konterspiel, das die Grundlage war für Platz neun – die erste einstellige Abschluss-Platzierung in der Bundesliga nach 24 Jahren. Mittlerweile gelingt es den Kölnern teilweise, auch gegen tief stehende Mannschaften Lösungen zu finden.
„Wir haben uns immer in den Bereichen weiterentwickelt, in denen unsere Schwächen lagen“, sagte also Marcel Risse, der seine Mannschaft zuletzt mit einem fantastischen Freistoß in der Nachspielzeit zum 2:1-Derbysieg in Mönchengladbach schoss, dem Kölner Stadt-Anzeiger kürzlich. Aber natürlich folgte schnell eine Relativierung: „Dass längst noch nicht alles klappt ist selbstverständlich – wir sind immer noch der 1. FC Köln und nicht Bayern München.“
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