"Wir haben eine Mannschaft, die Spanien besiegen kann"
Bastian Schweinsteiger steht nach seiner Schlüsselbeinverletzung in der Rückrunde vor seinem Comeback - und will in der laufenden Saison am liebsten vier Titel holen.
Im Interview spricht der 27 Jahre alte Bastian Schweinsteiger über sein EM-Traumfinale, großen Hunger, Michael Ballack und sein besonderes Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Herr Schweinsteiger, was machen Sie am 1. Juli 2012?
Schweinsteiger: (lacht): ...da hole ich mir den EM-Pokal in Kiew ab!
Was wäre für Sie das absolute Traum-Finale?
Schweinsteiger: Deutschland gegen die Niederlande - da wäre richtig Brisanz drin. Aber am konstantesten waren in den letzten Jahren die Spanier und wir Deutschen.
Ist Spanien, der Angstgegner der Deutschen in den letzten Jahren, bei der EM 2012 endgültig fällig?
Schweinsteiger: Die Spanier sind sehr, sehr gut. Sie haben eine hohe Spielintelligenz, sind taktisch äußerst variabel und haben mit Puyol, Xavi und Iniesta eine Riesen-Erfahrung auf dem Platz. Da sind sie uns vielleicht einen Tick voraus. Man muss gegen Spanien einen guten Tag erwischen, um sie zu besiegen. Aber wir haben jetzt eine Mannschaft, die das schaffen kann. Wir sind schon relativ nah dran an der Qualität von Spanien, aber einige Dinge müssen wir noch verfeinern.
Was fehlt?
Schweinsteiger: Es gibt in unserem Spiel immer noch Situationen, wo wir noch nicht schnell genug umschalten - und wir könnten auch noch mehr Druck auf den Gegner erzeugen. Ich fand es gut, dass Jogi Löw beim Test in der Ukraine (3:3) mal ein anderes System ausprobiert hat. Wir müssen variabel spielen können. Das hat uns auch ein bisschen gefehlt bei der Vorbereitung auf die WM 2010. Gegen England und Argentinien hat das gereicht - aber eben nicht gegen Spanien.
Vielleicht ist es ein Vorteil für die DFB-Elf, dass sie hungriger ist als Spanien. Schließlich liegt der letzte deutsche Titelgewinn, der EM-Triumph 1996, schon ewig zurück.
Schweinsteiger: Ich glaube, dass der Hunger bei den Spaniern noch immer ungebrochen ist. Wenn man den FC Barcelona sieht, die gewinnen einen Titel nach dem anderen - und sind selbst auf den Weltpokal heiß. Die Spanier haben dieselbe Mentalität mit erfahrenen Kräften. Und wir haben jetzt drei Turniere gespielt und waren immer relativ nah dran. Es ist verständlich, dass in Deutschland die Erwartungshaltung hoch ist. Aber ich versuche da ein bisschen das Gas rauszunehmen.
Für viele ist Deutschland der Turnierfavorit: Warum spielt die DFB-Elf inzwischen so schön?
Schweinsteiger: Ist das so?
Naja, früher stand der deutsche Fußball für Kraft, Athletik und Ausdauer - heute eher für Spielwitz und Technik, wie zuletzt demonstriert beim eindrucksvollen 3:0-Triumph über Holland...
Schweinsteiger: Moment! Ich glaube, dass uns diese Tugenden auch heute noch auszeichnen. Für den deutschen Fußballer ist das einfach die Grundvoraussetzung. Mittlerweile ist die Ausbildung in Deutschland viel professioneller geworden. Jeder Bundesliga-Verein hat ein Nachwuchsleistungszentrum. Wenn ich mal bei den Allerkleinsten beim FC Bayern zuschaue, da wundere ich mich immer wieder, was die schon alles mit dem Ball können.
Die deutsche Nationalelf steht für ihren breiten Kader: Möchten Sie in der Haut von Joachim Löw stecken, wenn's im Mai darum geht, die 23 besten Kicker für die EM zu nominieren?
Schweinsteiger: In der Haut des Trainers möchte ich nicht stecken - und dann auch noch die elf Besten aufstellen zu müssen. Da muss man schon das richtige Händchen haben. Das wird für Jogi Löw schwer genug. Aber es spricht für den deutschen Fußball. Angenommen, Deutschland würde bei der EM eine B-Elf ins Rennen schicken, dann würde auch die eine gute Rolle spielen. Davon bin ich überzeugt.
Wenn wir über die Nationalmannschaft reden, dann darf auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht fehlen. Warum sind ausgerechnet Sie ihr Lieblingsspieler?
Schweinsteiger: Bin ich das? Zumindest freut es mich, wann immer ich Angela Merkel sehe. Ich mag sie, weil sie eine total sympathische Frau ist - und es begeistert mich, wie sie sich auf der Tribüne über unsere Siege freut. Das kommt von innen und ist nicht gespielt. Ich weiß noch, wie sie nach dem Sieg bei der WM 2006 über Argentinien in die Kabine kam und ein Bier mit uns getrunken hat. Und zuletzt, als ich mir das Schlüsselbein brach, hat sie sich sofort bei Uli Hoeneß erkundigt, wie es mir denn gehe. Das muss sie nicht machen. Das ist eine tolle Geste.
Bundestrainer Löw deutete an, dass er sich demnächst mit Michael Ballack aussprechen möchte: Der richtige Weg?
Schweinsteiger: Ich finde das gut. Denn Löw wie auch Ballack sind große Persönlichkeiten im deutschen Fußball. Natürlich ist alles ein wenig unglücklich gelaufen. Ich glaube, das wollten beide nicht, dass es so auseinandergeht. Normalerweise wäre Ballack bei der WM 2010 Kapitän gewesen, und nur durch ein Foul wurde ihm alles genommen - das muss man auch sehen und ist nicht so einfach zu verkraften. Wenn man sieht, was Ballack alles für die Nationalmannschaft geleistet hat, dann macht ein Treffen Sinn. Ich hoffe, dass beide auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Bei EM-Gastgeber Ukraine werden streunende Hunde getötet, damit die Straßen für den Fußball sauber sind. Wie reagieren Sie als leidenschaftlicher Hundebesitzer auf solche Horror-Nachrichten?
Schweinsteiger: Was da in der Ukraine passiert, geht gar nicht. Ich bin strikt dagegen, dass wegen der EM Hunde umgebracht werden. Ich habe selbst einen Hund aus einer Tötungsstation, einen Labrador-Pointer. Der Hund ist mir ans Herz gewachsen - und will ihn nicht mehr missen. (Lars Becker und Oliver Griss, dapd)
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