Aus Tradition gut!?
Der FC Ingolstadt hat bislang mit Akteuren aus Österreich erstklassige Erfahrungen gemacht. Thorsten Röcher und Konstantin Kerschbaumer sollen nun in deren (große) Fußstapfen treten.
Wenn Sie beide auf Ihre Kindheit zurückblicken: Was sind die ersten Erinnerungen an den deutschen Fußball?
Röcher: Bei mir ist es die Europameisterschaft 1996, als Oliver Bierhoff im Finale gegen Tschechien das „Golden Goal“ erzielt und Deutschland damit zum Titel geschossen hat. Diese Partie habe ich mir live im Fernsehen angeschaut.
Kerschbaumer: Eine meiner ersten Erinnerungen war jetzt nicht so positiv für die Deutschen (lacht). Das war das Champions-League-Finale 1999 zwischen Bayern München und Manchester United, das die Bayern durch zwei Tore in der Nachspielzeit mit 1:2 verloren. Ich weiß noch, dass damals Ole Gunnar Solskjaer bei Manchester spät eingewechselt wurde und dann den Siegtreffer erzielte.
Zwischen Deutschen und Österreichern gibt es ja gerade sportlich seit Jahrzehnten eine „gesunde Rivalität“, garniert mit der einen oder anderen „liebevollen Frotzelei“. Sind Sie mit diesem speziellen Verhältnis aufgewachsen und wie haben Sie es wahrgenommen?
Röcher: In Österreich bekommt man das schon mit. Es wird ja auch immer wieder gerne an das „Cordoba-Spiel“ erinnert (lacht). Aber ich habe grundsätzlich schon immer den deutschen Fußball beziehungsweise die Bundesliga verfolgt.
Kerschbaumer: So eine richtige Rivalität hab eich eigentlich nicht erlebt. Klar wird hin und wieder mal ein Späßchen gemacht. Aber als Österreicher schaut man ja eher zu den Deutschen hinauf, weil man vor deren Leistungen und Erfolgen im Fußball nur den Hut ziehen kann.
Ein Sieg wie im Testspiel vor der Weltmeisterschaft gegen den „großen Bruder“ (2:1) ist dann aber schon noch etwas Besonderes, oder?
Kerschbaumer: Ja, auf alle Fälle! Für Österreich bedeutet es schon eine ganz Menge, wenn man eine Top-Nation wie Deutschland schlägt. Man möchte ja auch selbst weiterkommen und sich verbessern. Diesbezüglich hat ein solcher Erfolg dann definitiv eine hohe Wertigkeit.
Röcher: Der größte Erfolg ist ja bereits die Tatsache, dass die meisten Jungs schon bei guten Teams in der Bundesliga Stammspieler sind. Von dem her ist das auch ein deutliches Zeichen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.
Nachdem Sie – wie beschrieben – den deutschen Fußball bereits früh verfolgt haben: War es als Kind oder Jugendlicher eigentlich Ihr großer Traum, selbst einmal hochklassig in Deutschland zu spielen?
Röcher: Im Jugendbereich noch nicht. Erst als ich dann in Österreich beim SV Mattersburg Profi geworden bin, war es schon mein großes Ziel, auch einmal im Ausland zu kicken – und hier war dann schon Deutschland meine erste Adresse. Dass es jetzt mit einigen Jahren „Verspätung“ geklappt hat, freut mich natürlich riesig.
Kerschbaumer: Ich wollte schon immer einmal in Deutschland spielen. Bereits 2015 hätte es schon einmal eine Möglichkeit gegeben. Doch dann kam das Angebot vom FC Brentford aus der zweiten englischen Liga, das mich einfach umgehauen und neugierig gemacht hat. Jetzt bin ich aber froh, dass ich seit letztem Jahr tatsächlich in Deutschland bin.
Noch vor 15, 20 Jahren wurde der österreichische Fußball in Deutschland zumeist nur müde belächelt. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Sichtweise mittlerweile verändert hat?
Röcher: Ja, auf alle Fälle.
Kerschbaumer: Das sehe ich genauso wie Thorsten.
Röcher: Man muss ja nur in die Bundesliga oder zweite Liga schauen, wie viele österreichische Akteure sich dort in den zurückliegenden Jahren etabliert haben. Gerade in Liga zwei gibt es fast in jedem Team einen Österreicher, der auch noch eine gute Rolle spielt. Das hat auf das Bewusstsein sicherlich großen Einfluss genommen.
Thorsten war von 2011 bis 2018 Profi in Österreich, Konstantin von 2010 bis 2015 (siehe jeweils „Zur Person“). Sind Sie sich in diesem Zeitraum auch einmal als Kontrahenten gegenüber gestanden?
Kerschbaumer: Ja doch, ich glaube schon.
Röcher: Das muss in der zweiten Liga beim Spiel Mattersburg gegen St. Pölten gewesen sein.
Kerschbaumer: Ja, du hast recht.
Röcher: Wobei ich sagen muss, dass ich den „Kerschi“ als Spieler schon immer gekannt habe – persönlich aber nicht! Das kam jetzt erst hier beim FC Ingolstadt.
Bleiben wir bei zunächst bei Ihnen, Konstantin. Sie haben Ihren Wechsel im Jahr 2015 ins „Mutterland des Fußballs“ zum FC Brentford bereits angesprochen. Haben Sie sich damit einen weiteren Traum erfüllt?
Kerschbaumer: Nein, eigentlich nicht. Mein Wunschziel war immer Deutschland. Klar, als Fußballer schaut man natürlich auch nach England. Aber in erster Linie hat mich das Angebot aus Brentford damals sehr interessiert und überzeugt. Heute bin ich froh darüber, dass ich es angenommen habe. Gerade als Persönlichkeit bin ich dort sehr gereift.
Können Sie das näher beschreiben?
Kerschbaumer: In meinem ersten Jahr hatten wir zunächst einen holländischen Trainer sowie zahlreiche Legionäre im Team. Wenn du dann als Österreicher von einem kleinen Klub kommst, dich kaum jemand kennt und du dich erst einmal durchsetzen musst, dann prägt einen das enorm. Im weiteren Verlauf dieser Saison kam es dann zu zwei Trainerwechseln, sodass ich diese Situation quasi immer wieder hatte. Das prägt einen in der Persönlichkeit und Entwicklung schon enorm.
Sie haben jetzt in der ersten österreichischen sowie jeweils zweiten englischen und deutschen Liga gespielt. Wie kann man diese Klassen miteinander vergleichen?
Kerschbaumer: In Österreich ist das Tempo vielleicht ein bisschen langsamer, dafür die Spielweise technisch versierter. In England hingegen sind das Tempo und die Intensität extrem hoch. Auch ist die individuelle Klasse der einzelnen Akteure richtig gut. Was die zweite deutsche Liga betrifft, ist es für mich ein Mix aus Österreich und England.
Thorsten, im Alter von 27 Jahren wagen Sie nun erstmals den Schritt ins Ausland. Gab es etwas, wovon Sie im Vorfeld am meisten Respekt hatten?
Röcher: Natürlich ist es für mich ein großer Schritt. Ich habe aber in Österreich auch viel Erfahrung gesammelt. Von dem her hatte und habe ich jetzt keinen Bammel vor diesem Abenteuer beim FC Ingolstadt.
Sie sind nun seit rund zwei Wochen Teamkollegen beim FCI. Wie würden Sie sich nach der ersten „Kennenlern-Phase“ gegenseitig beschreiben?
Kerschbaumer: Thorsten ist ein beidfüßiger, sehr vielseitiger Spieler, der gerade auf den Außenbahnen flexibel einsetzbar ist. Aber auch als Mensch ist er ein richtig guter Typ. Wir wohnen im gleichen Hotel, auch unsere Frauen verstehen sich super. Das alles macht die Eingewöhnung natürlich viel einfacher.
Röcher: Wie „Kerschi“ schon gesagt hat, stimmt die Chemie bei uns einfach. Auf dem Platz ist er sehr laufstark, hat eine tolle Übersicht und einen starken letzten Pass. Das Gespräch führte Dirk Sing
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