„Die Zeit in Ingolstadt hat mich geprägt“
Andreas „Zecke“ Neuendorf gehörte zu den schillernden Figuren bei den Schanzern. Im Interview verrät er, was er in seinen drei Jahren in Oberbayern gelernt hat und warum die damalige Mannschaft eine besondere war
Andreas „Zecke“ Neuendorf ist eine der schillerndsten Figuren, die in der noch jungen Vereinsgeschichte beim FC Ingolstadt aktiv waren. Drei Spielzeiten (2007 bis 2010) lief der Mittelfeldspieler für die Schanzer auf, ehe er zu seinem „Herzensklub“ Hertha BSC zurückkehrte. Die NR hat sich mit dem Berliner vor dem Auftritt der Hertha am Samstag (18.30 Uhr) in Ingolstadt unterhalten. Erfrischend ehrlich spricht er über seine Zeit in Oberbayern und seine Karriere als Trainer.
Herr Neuendorf, Sie sind inzwischen ins Trainergeschäft eingestiegen. Was machen Sie genau?
Neuendorf: Ich trainiere die U15 von Hertha BSC. Ich habe vor 18 Monaten aufgehört, mit gut 39 Jahren selbst aktiv Fußball zu spielen. In den vergangenen Jahren habe ich für Hertha BSC II in der Regionalliga gespielt. Meine Hauptaufgabe war, als helfende Hand die jungen Spieler zu unterstützen. Danach habe ich in Herthas Jugendakademie und bei einem langjährigen Vermarktungspartner mitgearbeitet. Es hat sich dann ergeben, mich als Trainer zu versuchen.
Sie sind dann 2014 zunächst zum Siebtligisten BFC Preußen Berlin gegangen...
Neuendorf: Ich wollte nicht gleich eine Leistungsmannschaft trainieren. Wir sind mit einer durchschnittlichen Mannschaft sogar aufgestiegen.
Warum haben Sie dann beim BFC Preußen aufgehört?
Neuendorf: Den Job bei Preußen habe ich in meiner Freizeit gemacht. An erster Stelle stand immer die Arbeit bei Hertha. Wir haben bei Preußen dreimal abends trainiert und Sonntagmittag gespielt. Das hat sich mit der Arbeitszeit bei Hertha und sonstigen Tätigkeiten nicht überschnitten. Es war von vornherein abgesprochen, sobald ich es zeitlich nicht mehr auf die Reihe bekomme, aufzuhören. Mit der U15 der Hertha haben wir acht Einheiten die Woche. Somit fehlt die Zeit für eine andere Tätigkeit.
Wollen Sie Trainer bleiben und vielleicht sogar einmal im Profibereich arbeiten?
Neuendorf: Wohin die Reise geht, kann ich noch nicht sagen. Bis vor eineinhalb Jahren wollte ich noch gar kein Trainer werden. Jetzt habe ich Blut geleckt und kann mir vorstellen, als Trainer weiterzuarbeiten. Ich will mich durch den Job bei der U15 weiterentwickeln und die Trainerscheine zu Ende machen. Ich fühle mich im Moment wie in einer Ausbildung. Ich schaue mir viel an, spreche mit anderen Trainern und mache alles das, was ich als aktiver Spieler weniger gemacht habe. Daher bin auch der Ingolstädter Zeit sehr dankbar. Sie war sehr prägend und wichtig für meine Persönlichkeitsentwicklung. Dort habe ich gelernt, für eine Mannschaft mitverantwortlich zu sein, den unbändigen Siegeswillen jeden Tag vorzuleben. Früher war ich zwar Profi, habe das aber eher hobbymäßig betrieben.
Meinen Sie damit Ihren Lebenswandel?
Neuendorf: Nein. Ich bereue keinen Tag in meinem Leben. Mir hat mehr die Ernsthaftigkeit gefehlt. Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker. Wenn ich das Gefühl hatte, es passt etwas nicht, war ich bockig und habe mich verhalten wie ein kleines Kind. Als Spieler war man nur für sich selbst verantwortlich. Jetzt habe ich die andere Seite kennengelernt und mich entwickelt. Als Trainer muss man eine ganze Horde im Blick haben. Im Moment lerne ich viel. Man muss die jungen Spieler sichten, sie während der Pubertät betreuen, auf die Schule schauen. Hier ebnet man den Weg zu einer möglichen Profikarriere. Das kann mir auch künftig helfen.
Die Zeit beim FCI war intensiv. Wie kam es damals zum Wechsel?
Neuendorf: Ich hätte vor der Ingolstädter Zeit ins Ausland gehen und dort gutes Geld verdienen können, die Sonne mitnehmen und abends zum Training gehen. Die Gespräche mit Peter Jackwerth, Harald Gärtner und Trainer Jürgen Press verliefen aber super. Sie haben mir das Gefühl gegeben, etwas mit aufbauen zu können. Solch eine Rolle kannte ich bis dahin nicht. Mit Hertha und Leverkusen habe ich Champions League gespielt. Es waren super Spieler da, an die 15 Nationalspieler. Ich war nur selten Leistungsträger. Das sollte in Ingolstadt anders sein und hat die Aufgabe spannend gemacht.
Ihr Start verlief dann aber doch etwas holprig?
Neuendorf: Ich bin schlecht gestartet, war körperlich nicht auf der Höhe, wollte aber unbedingt glänzen und bin dann lange ausgefallen. Wegen der Verletzungen im Schambeinbereich wollte ich meine Karriere schon beenden. Die Leute im Verein haben aber immer an mich geglaubt. Auch privat war es nicht einfach, mein Sohn lebte in Berlin. Ich bin in meinen ersten 18 Monaten in Ingolstadt rund 90000 Kilometer gefahren. Die A9 kannte ich so gut, ich hätte zu „Wetten, dass...“ gehen können.
Nach dem ersten Aufstieg in die 2. Liga folgte der Wiederabstieg...
Neuendorf: Mit Trainer Torsten Fink hatte ich ein gutes Verhältnis, er hat aber mehr auf junge Spieler gesetzt. Das habe ich verstanden. Als er gehen musste und Horst Köppel kam, habe ich wieder mehr gespielt, aber wir konnten uns nicht mehr retten.
Im Jahr darauf gelang der direkte Wiederaufstieg...
Neuendorf: Ich wollte eigentlich gehen, Köppel und der Verein wollten, dass ich bleibe. Nach langem Überlegen habe ich mich entschieden, weiterzumachen. Dann sind wir aufgestiegen. Wir waren eine richtige Einheit damals, hatten mit Stefan Leitl einen super Kapitän, dessen Wort Gewicht hatte. Dazu „kaputte Typen“ wie Ralf Keidel oder Marco Sejna. Im Tor stand zudem Michael Lutz, mit Moritz Hartmann hatte der FCI einen super jungen Stürmer bekommen. Ich will gar keinen vergessen, Andreas Buchner, Marcel Hagmann, Mario Neunaber, viele kannten die Bundesligabühne gar nicht. Auf einmal lief es bei uns gut. Wir waren vielleicht nicht das beste Team, aber das geschlossenste.
„Er kam, sah und spielte sich in unsere Herzen“ stand zum Abschied auf einem Spruchband der Anhänger. Ein Zeichen, dass Sie Eindruck hinterließen...
Neuendorf: Das Spruchband hat es exakt getroffen. Ich bin nach Ingolstadt gekommen und habe erst mal nur zugesehen. Dann habe ich gespielt, wir hatten Erfolg und haben mit der Mannschaft die Herzen der Leute erobert. Ich hatte das, warum ich in Ingolstadt war, erreicht und konnte gehen. Es war ein trauriger und schöner Abschied zugleich. Wir hatten mit dem Aufstieg viel zu feiern. Der FC Ingolstadt hätte meinen Vertrag sogar noch verlängert, was ich ihnen nie vergessen werde. Aber ich wollte nicht gegen Hertha spielen, die in die 2. Liga abgestiegen waren. Noch heute fragen viele, „warum bist du dort weggegangen?“ Aber ich bin Berliner und liebe Hertha und Berlin.
Sind Sie ab und an mal auf dem Gelände in Ingolstadt, das weiter professionalisiert wurde?
Neuendorf: Nein, gar nicht. Ich habe gehört, was alles passiert ist, war aber noch nie dort. Ich finde das fast etwas peinlich, habe die Einladungen aber nie angenommen. Ich wollte einen passenden Moment abwarten und nicht nur kurz vorbeischauen. Den Zeitpunkt gab es noch nicht, wird es aber noch geben. Auch am Samstag werde ich nicht kommen, da wir mit Herthas U15 um 13 Uhr das Spitzenspiel gegen Aue bestreiten.
Wie haben Sie den überraschenden Aufstieg des FCI wahrgenommen?
Neuendorf: Es war sensationell, was da abging. Der FCI hatte ein gutes Team und einen Lauf. Für mich ist es insgesamt nicht überraschend, dass der FCI in der 1. Liga spielt. Der Verein hat mit Peter Jackwerth einen Visionär und mit Harald Gärtner und einigen anderen hervorragende Baumeister. Ich glaube fest an den Klassenerhalt. In Zukunft ist vieles möglich. Ingolstadt wird sich ähnlich wie etwa Mainz etablieren und für positive Schlagezeilen in der Bundesliga sorgen.
Am Samstag treffen der FC Ingolstadt und Hertha BSC aufeinander. Was bedeutet die Paarung für Sie?
Neuendorf: Es ist kein Spiel wie jedes andere für mich. Dennoch würde ich mich über einen Hertha-Sieg freuen. Wenn ich sagen würde, ein Unentschieden wäre gut, wäre ich nicht ehrlich, weil ich immer gewinnen will. Alle Ingolstädter mögen mir verzeihen, aber ich bin nun mal Herthaner.
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