Ramazan Özcan: „Wir haben unglaublich viele Schlachten geschlagen“
Die Neuburger Rundschau hat den ehemaligen Torhüter des FC Ingolstadt bei seinem jetzigen Verein Bayer Leverkusen besucht. Im Gespräch erinnert sich „Rambo“ an seinen emotionalsten FCI-Moment sowie seine Anfänge bei den Schanzern
Herr Özcan, Sie sind nach der Saison 2015/2016 zu Bayer Leverkusen gewechselt. Wenn Sie die vergangenen rund zwei Jahre Revue passieren lassen: Fühlen Sie sich in ihrer damaligen Entscheidung, bei Bayer zu unterschreiben, bestätigt?
Özcan: Absolut, zu 100 Prozent! Ich bin bei einem er besten deutschen Klubs, habe sportlich nochmals einen Schritt nach vorne gemacht und mir meinen Traum, in der Champions-League zu spielen, mit dem Einsatz gegen den AS Monaco erfüllt. Von dem her habe ich meine Entscheidung noch in keiner Sekunde bereut.
In den ersten beiden Jahren haben Sie mit Bernd Leno das Torhüter-Duo von Bayer Leverkusen gebildet, jetzt mit Lukas Hradecky. Wie würden Sie Ihre Rolle innerhalb des Teams beschreiben?
Özcan: Ich bin zwar nach außen hin „nur“ der zweite Torwart. Aber ich glaube, dass man gerade als älterer und erfahrener Spieler in einer solch jungen Truppe, wie es bei uns ja der Fall ist, eine Menge zu tun hat. Mein Job ist es, immer Gas zu geben, Spaß mit den Jungs zu haben beziehungsweise ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das bezieht sich gerade auf die jungen Torhüter, bei denen ich mithelfen möchte, sie hochzuziehen. Aber auch im täglichen Training geht es darum, meinen Konkurrenten entsprechend zu pushen oder auch den Verein in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Wie Sie sehen, die Liste hört nicht auf (lacht). Aber das macht mir alles unglaublich viel Spaß.
Nachdem Sie zuvor rund fünf Jahre lang die Nummer eins beim FC Ingolstadt waren: Wie schwer war es, sich an die neue Rolle als Stellvertreter in Leverkusen zu gewöhnen?
Özcan: Überhaupt nicht schwer! Ich sehe jede Trainingseinheit als Wettbewerb an und haue mich entsprechend rein. Ich habe nie vergessen, woher ich komme. Für mich war Bayer Leverkusen früher gleichzusetzen mit Stars wie Hans-Jörg Butt, Ulf Kirsten oder Carsten Ramelow. Als dann 2016 das Angebot kam, bin ich daheim gesessen und habe realisiert, dass ein solcher Verein mich unbedingt haben möchte. Das macht einen natürlich schon sehr stolz und überwiegt dann auch die Tatsache, dass man ‘nur’ die Nummer zwei ist.
Gerade für einen Torhüter ist Spielpraxis das A und O. Als Stellvertreter muss man zumeist ohne Rhythmus auf den Platz und sofort bei 100 Prozent sein. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Özcan: Wie gesagt, ich trainiere jeden Tag so, als würde ich am Wochenende spielen. Das ist einfach meine Einstellung. Ich sehe mich hier nicht als Urlauber und denke, dass das bei Bayer auch entsprechend hoch angesehen wird. Ich bin nach wie vor topfit und möchte noch ein paar Jahre länger auf diesem Niveau agieren.
Zwischen 2011 und 2016 haben Sie in Bayern gelebt, seitdem im Rheinland! Wo fühlt sich denn der Österreicher Ramazan Özcan wohler?
Özcan: Überall! Am Anfang ist mir natürlich schon die Bergluft etwas abgegangen (lacht). Aber auch die Gegend hier ist wirklich sehr schön! Darüber hinaus sind die Rheinländer extrem freundlich und offen. Ich habe auch wieder das große Glück, tolle Nachbarn zu haben, mit denen wir uns hervorragend verstehen. Unsere zweite Tochter ist hier auf die Welt gekommen. Unsere Familie fühlt sich wirklich pudelwohl.
Wenn Sie auf Ihre Zeit beim FC Ingolstadt zurückblicken: Welche Gedanken schießen Ihnen ganz spontan durch den Kopf?
Özcan: Wir haben so viele unglaubliche Schlachten geschlagen, dabei auch etliche schwierige Augenblicke erlebt. Der erste Moment, der mir beim Begriff FC Ingolstadt in den Sinn kommt, ist sicherlich, als ich 2015 die Meisterschale der 2. Liga in die Höhe gehalten habe. Das war schon sehr emotional.
Damit verbunden war der Aufstieg in die Bundesliga. Würden Sie behaupten, dass das erste Jahr im Fußball-Oberhaus mit dem erreichten Klassenerhalt der bislang größte Erfolg in Ihrer Karriere war?
Özcan: Nein, das würde ich eigentlich nicht sagen. Ich habe im Fußball so viele schöne Sachen erlebt, aber auch auf die Fresse bekommen. Letztlich habe ich aus allen Situationen meine Lehren gezogen – und jede Erfahrung hat mich noch stärker gemacht. Deshalb mache ich das ungern, dass ich Erfolge oder auch Misserfolge nur an einem bestimmten Ereignis festmache. Wenn ich jetzt nochmals auf Ingolstadt zurückblicke, gab es zahlreiche tolle Momente und Entwicklungen. In meinen Anfängen hatten wir dort einen Container mit einem Waschbecken. Wenn man das mit den heutigen Gegebenheiten vergleicht, dann ist das schon ein Quantensprung.
Wie intensiv verfolgen Sie denn noch das Geschehen bei Ihrem Ex-Verein?
Özcan: Sehr intensiv! Ich bin nach wie vor in engem Kontakt mit ehemaligen Teamkollegen wie Marvin Matip, Almog Cohen sowie den Betreuern. Es existiert auch noch eine gemeinsame Chat-Gruppe, in der wir uns regelmäßig austauschen.
Stefan Leitl und Andre Mijatovic mussten ja bekanntlich vor einer Woche ihren Trainer-Posten beim FCI räumen. Fühlt man da mit den ehemaligen Teamkollegen besonders mit?
Özcan: Das hat mich schon sehr berührt, da ich mit beiden nach wie vor in engem Kontakt stehe. Ich wünsche Stefan und Andre für die Zukunft wirklich nur das Allerbeste und bin überzeugt, dass sie dennoch weiter ihren Weg gehen werden.
Kommen wir zum Abschluss nochmals auf Ihre Situation zu sprechen. Ihr Vertrag bei Bayer Leverkusen läuft nach dieser Saison aus. Können Sie sich vorstellen, bei Bayer zu bleiben oder würde es Sie reizen, nochmals bei einem anderen Klub den Posten der „Nummer eins“ zu übernehmen?
Özcan: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen. Fakt ist, dass ich noch einige Jahre auf diesem Top-Level spielen möchte, da es mir einfach unheimlich Spaß macht und ich noch viel Hunger und Ehrgeiz in mir habe. Wie es genau weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Wir werden jetzt dann sicher mal Gespräche mit Bayer Leverkusen führen. Auch werde ich mich mit meiner Frau zusammensetzen, um über die Zukunft zu sprechen. Es kommt auch familiär eine entscheidende Phase, da meine ältere Tochter im nächsten Jahr eingeschult wird. Und wer mich kennt, der weiß, dass meine Mädels bei mir an oberster Stelle stehen. Von dem her wird es vor allem eine familiäre Entscheidung sein, die wir zu treffen haben. Ich bin kein Freund davon, meine Tochter jedes Jahr auf eine andere Schule zu schicken. Aber ich sehe diesem Prozess gelassen entgegen. Interview: Dirk Sing
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