Unverhofft im Mittelpunkt
Philipp Heerwagen sieht sich als Führungsspieler und wird in der Partie bei Holstein Kiel erneut im Tor stehen. Der 35-Jährige hat im Fußball viel erlebt.
Philipp Heerwagens Rolle beim FC Ingolstadt schien klar definiert. Sie war in gewisser Weise auch von ihm gesucht. Er sitzt auf der Reservebank, steht gelegentlich während der Spiele auf, feuert an, motiviert die Spieler auf dem Rasen. Doch seit zwei Partien hat sich die Position des 35-Jährigen grundlegend verändert. Seine Beförderung zur Nummer eins war eine pragmatische Entscheidung. Konkurrent Marco Knaller strahlte keine Souveränität aus, leistete sich Fehler und verlor seinen Platz.
Dass Heerwagen von seinen Mannschaftskollegen stets als Teamplayer gelobt wird, beweisen dessen zurückhaltende Aussagen. „Ich will die Mannschaft bereichern und ihr ein gutes Gefühl geben. Nicht nur sportlich, sondern auch abseits des Rasens“, hatte er bereits bei seiner Verpflichtung im August gesagt. „Natürlich kann ich auf dem Platz mehr Einfluss nehmen als von draußen“, sagt Heerwagen, der sich äußerst eloquent und offen gibt. Der älteste Spieler im Kader der Schanzer betrachtet sich als Anführer. So sieht es auch Trainer Alexander Nouri: „Philipp ist eine große Persönlichkeit und bringt eine riesige Erfahrung mit.“ Es gäbe kaum etwas, was Heerwagen im Fußball nicht schon erlebt habe.
Rückkehr in die bayerische Heimat
Der Wechsel zum FC Ingolstadt stellte für Heerwagen eine Art Rückkehr zu den Wurzeln dar. Er ist gebürtiger Kehlheimer, verbrachte seine Jugendjahre bei der SpVgg Unterhaching und beim FC Bayern München. In seiner Vita stehen nach nun 17 Jahren als Profifußballer 33 Bundesligaeinsätze für den VfL Bochum, dazu 158 Zweitligaspiele. Seine ersten absolvierte er in jungen Jahren für Unterhaching, ehe es ihn nach Bochum und zuletzt zum FC St. Pauli verschlug. Doch bei den Hamburgern schien die Karriere mehr oder weniger auszuklingen. Der 1,93-Meter-Mann spielte in erster Linie in der zweiten Mannschaft, tingelte in der Regionalliga über die norddeutschen Fußballplätze. Doch dann, in der Spielzeit 2016/2017, schlug doch noch einmal Heerwagens Stunde. Als sich Stammkeeper Robin Himmelmann am 15. Spieltag verletzte, rückte Heerwagen zur Nummer eins auf. St. Pauli war zu diesem Zeitpunkt abgeschlagener Letzter, hatte lediglich sechs Zähler auf dem Konto. Was danach geschah, bezeichnet Heerwagen als „wohl historisch im deutschen Fußball.“ Der Kiezklub startete eine Aufholjagd, wurde am Ende gar noch Sieber. Heerwagen kassierte in 20 Spielen lediglich zwölf Gegentore, neunmal hielt er seinen Kasten sauber. Doch seinen Stammplatz durfte er nicht behalten. In der vergangenen Spielzeit stand er nach Himmelmanns Rückkehr nicht eine Minute auf dem Feld. „Klar habe ich mir in Ingolstadt eine größere sportliche Perspektive erhofft“, sagt Heerwagen über seinen Wechsel. Doch in erster Linie ist er „einfach froh“, wieder in der bayerischen Heimat zu sein. „Als Mensch bin ich sehr glücklich“, sagt er und stellt die zurückgewonnene Nähe zu Familie und Freunden heraus.
Die sportliche Situation hingegen stelle „eine Herausforderung dar“. Abstiegskampf ist für den Kehlheimer indes nichts Neues. Auf was es ankommt? Das sei gar nicht so leicht zu beschreiben, sagt Heerwagen: „Jedes Rädchen muss ins andere greifen. Man darf sich von äußeren Dingen nicht beeinflussen lassen und muss in jedem Training und Spiel seine Leistung abrufen.“ Die Partie gegen Duisburg habe gezeigt, dass „wir auf dem richtigen Weg sind. Es war anders als in den Wochen zuvor.“ Große Gier und Lust habe er da gespürt. Eigenschaften, die auch gefragt sein werden, wenn die Schanzer – mit Philipp Heerwagen im Tor – am Samstag (13 Uhr) bei Holstein Kiel zu Gast sind.
FC Ingolstadt in Kürze Trainer Alexander Nouri, der einst zwei Jahre lang (2008 bis 2010) als Spieler für Holstein Kiel aktiv war, muss weiterhin auf Christian Träsch, Tobias Schröck und Lucas Galvao verzichten.
Mögliche Aufstellung Heerwagen – Neumann, Matip, Gimber – Krauße, Cohen – Ananou, Kerschbaumer, Otavio – Kutschke, Osawe
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