Arabisch zum Frühstück: Trend zu mehrsprachiger Erziehung
Nach dem Motto "Früh übt sich" wollen manche Eltern ihre Kinder schon von Geburt an zu kleinen Sprachtalenten heranziehen. Doch die Rechnung geht nicht immer auf.
Italienisch am Buffett, Russisch auf der Picknickdecke, Spanisch am Grill. Das Sprachwirrwarr beim Sommerfest des Kölner Vereins mehrSprache e.V. ist gewollt. Hier treffen sich Familien, die ihre Kinder mehrsprachig erziehen.
Die 20 Monate alte Matilda scheint sich noch nicht ganz sicher zu sein, welche Sprache sie lieber mag: Italienisch oder Deutsch? Zuhause heißt es "Buongiorno", in der Kita "Guten Morgen". Bislang klappe das Hin- und Herschalten zwischen den Sprachen gut, erzählt Alessandra Coppari, Matildas Mutter. Manche Begriffe gebe es allerdings nur in der einen oder nur in der anderen Sprache. Die Mütze ist und bleibt das "Cappellini".
Neben Sprache auch Kultur vermitteln
Alessandra Coppari ist selbst zweisprachig aufgewachsen, fühlt sich aber als Italienerin. "Matilda italienisch zu erziehen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Die Sprache hängt ja untrennbar mit meiner Herkunft zusammen." Ihr sei es wichtig, Matilda neben reinen Sprachkenntnissen auch die italienische Kultur zu vermitteln.
Um diese ganz selbstverständliche Mehrsprachigkeit werden viele binationale Familien beneidet. Das führt dazu, dass immer häufiger auch rein deutsche Familien beschließen, ihren Kindern von Geburt an eine andere Sprache beizubringen. So spricht der 45 Jahre alte Alex H. aus Köln mit seiner vierjährigen Tochter nur Englisch - obwohl er kein Muttersprachler ist. Er spricht Englisch gut, aber der deutsche Akzent ist deutlich herauszuhören. Und manchmal, zum Beispiel spät abends, sucht er nach Worten. Dennoch hält er mit eisernem Willen durch.
Kulturelle Praxis sollte nicht fehlen
Die Erziehungswissenschaftlerin Christina Allemann-Ghionda, Expertin für Mehrsprachigkeit, rät von einem solchen Vorgehen ab: "Mehrsprachige Erziehung ohne bilingualen Hintergrund der Eltern ist sinnlos, ja abstrus." Kinder bräuchten eine kulturelle und emotionale Bindung zur Sprache. Für viele Eltern sei mehrsprachiges Erziehen zur regelrechten Mode geworden. "Natürlich schadet es den Kindern nicht, wenn sie in der Kita chinesische Lieder singen. Viel davon übrig bleibt aber auch nicht", sagt die Wissenschaftlerin. Ohne kulturelle Praxis bleibe es für Kinder "nicht mehr als ein Spiel".
Beim Verein mehrSprache haben nahezu alle Familien einen sogenannten bilingualen Hintergrund. Immer öfter erhält Paola Longobardi, die Vorsitzende, aber auch Anfragen von deutschen Paaren, die ihre Kinder auf Englisch erziehen wollen. "Da werde ich vorsichtig und frage ganz genau nach. Gibt es vielleicht eine englische Patentante, lebt einer der Elternteile in einem englischsprachigen Land?" Nicht selten weist sie diese Eltern schließlich ab.
"Es ist wichtig, dass die Kinder Räume haben, in denen sie konsequent mal nur eine Sprache sprechen", sagt Olga Fröhlich. Die 31-Jährige leitet die russische Kindergruppe, ihre zweijährige Tochter Loreley ist immer mit dabei. Auch Loreley ist seit ihrer Geburt von zwei Sprachen umgeben. Vom Vater hört die Kleine Deutsch, von der Mutter Russisch.
Akzentfreies Sprechen beschäftigt die Eltern
Für Partnerschaften kann die mehrsprachige Erziehung auch zur Herausforderung werden. "Natürlich kommt es häufiger zu Missverständnissen", erzählt Olga Fröhlich. Ihr Mann versteht Russisch nur ansatzweise. Manchmal versuche er sich an ein paar russischen Brocken, das jedoch zum Leidwesen seiner Frau. "Loreley soll schließlich akzentfrei russisch lernen", sagt die 31-jährige Mutter. Ja, die Sache mit dem Akzent, dies scheint unter sogenannten bilingualen Eltern ein wichtiges Thema zu sein. Auch für Alessandra Coppari sei es ein "ganz klares Ziel", dass Mathildas Italienisch akzentfrei wird.
Ein Patentrezept für mehrsprachige Erziehung gebe es nicht, sagt Allemann-Ghionda. Wichtig sei vor allem die Konsequenz: "Kinder brauchen eine klare Orientierung und keine halbherzigen Versuche." Sonst könnten die Kinder Schwierigkeiten bekommen - und das in beiden Sprachen. (dpa)
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