Vorsicht Suchtgefahr!

Das Holzrad, an dem Bernhard Schweizer arbeitet, hat im Durchmesser nur etwa vier Zentimeter. Er hat das filigrane Stück an einer Drechselbank für Kinder gefertigt. Die Speichen bestehen aus gekürzten Zahnstochern. In mühevoller Handarbeit bringt er sie einzeln an. Das Rad wird später einen kleinen Schubkarren stützen. Dieser soll eine alpenländische Krippe zieren. Die Krippe hat er ebenfalls in Handarbeit gefertigt.

Zusammen mit sieben weiteren Personen macht Bernhard Schweizer einen Krippenbaukurs des Krippenvereins Mertingen. An zehn Abenden zu je vier Stunden lernen die Teilnehmer unter der Anleitung von den Vorständen Rudolf Sailer und Johanna Reiter, worauf es ankommt. Schweizer arbeitet mittlerweile bereits an seiner zweiten Krippe und ist auch prompt in den Verein eingetreten. „Ich gehe erst, wenn ich rausgeschmissen werde“, lacht er.

Dieses Phänomen ist auch Kursleiterin Johanna Reiter bekannt. „Die meisten bekommen den sogenannten Krippenvirus nach ihrer ersten Krippe. Er ist hochgradig ansteckend, aber völlig ungefährlich“, verspricht die gelernte Krippenbaumeisterin. Den Krippenverein Mertingen e.V. gibt es seit April diesen Jahres. Aus den acht Gründungsmitgliedern von damals sind in nur einem knappen dreiviertel Jahr bereits 26 aktive Mitglieder geworden. Der erste Kurs war rasch ausgebucht und auch die geplanten sind längst voll.

Conny Vihl aus Roggden hatte gleich zweimal Glück. Sie hat im laufenden Kurs einen Platz bekommen und hat sich auch schon für den nächsten vormerken lassen. „Es macht einfach Spaß“, schwärmt sie. „Das hier ist meine erste aber nicht meine letzte Krippe.“ Connys orientalische Krippe ist beinahe fertig. Etwa 130 Stunden Arbeit stecken darin. Mit den zehn mal vier Kursstunden kommt eigentlich niemand hin. „Je nach Aufwand kann man fünf bis zehn Stunden in der Woche rechnen. Das heißt neben den Kurseinheiten, werden an einem anderen Tag noch Hausaufgaben erledigt“, bemerkt Vorstand Rudolf Sailer.

Nach der orientalischen möchte Conny noch eine schwäbische Krippe gestalten. Und für den Laternenkurs hat sie sich auch angemeldet. Doch nicht nur die Kursteilnehmer treffen sich regelmäßig in den Vereinsräumen, ein ehemaliger Luftschutzbunker in der Fuggerstraße in Mertingen, den die Gemeinde dem Verein kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Auch die anderen Mitglieder kommen regelmäßig. Es gibt immer etwas zu tun. Entweder hat die Verwandtschaft von dem kreativen Hobby erfahren und wünscht sich auch eine solche Krippe oder der Verein hat einen Auftrag erhalten. Auf Spendenbasis fertigen die Mitglieder auch gelegentlich Krippen für andere.

Die Materialien für die Kunstwerke finden die Vereinsmitglieder fast überall: Im Wald, auf dem Sperrmüll oder wie die Drechselbank im Kinderzimmer. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Von Ästen, Rinde, Sägemehl über Styropor und Schaum bis hin zu Kupfer, kann alles gebraucht werden. Bis auf die Figuren wird hier alles selber gemacht.