Spätes Frühstück und große Feuer
Sylt hat den Ruf, überteuert und bisweilen versnobt zu sein. Wer sich vom Gegenteil überzeugen lassen möchte, sollte im Winter dort Urlaub zu machen.
Die einen wollen immer wieder nach Sylt. Die anderen halten die Insel für einen Haufen überteuerter Immobilien, bevölkert von der besseren Gesellschaft aus Hamburg und Düsseldorf. Irgendwie haben beide Seiten recht. Aber nicht im Winter. Da zieht es Reich und Schön in die schicken Skigebiete – und jene, die Sylt wegen seiner spektakulären Natur und der Luft lieben, sind unter sich. Zehn Gründe die Nordseeinsel bei klirrender Kälte:
Das Licht
Zugegeben, ganz so oft friert es auf Sylt nicht. Aber wenn, dann verwandelt sich das Watt rechts und links des Hindenburgdamms in eine funkelnde Eiswüste. Und während auf der Uwe-Düne, der höchsten Erhebung der ansonsten platten Nordseeschönheit, im Sommer die Sonne gleißend am Himmel steht, taucht sie jetzt alles in friedliche Töne: die Dünen biskuitbeige, der Strandhafer zartgrün, das Meer eisgrau, der Himmel champagnerfarben zwischen aschfahlen Wolken.
Die Lässigkeit
„Auf Sylt gibt es keine Frisur, nur Haare.“ So fasst Jutta Vielberg, Leiterin der Pressestelle der Sylt Marketing GmbH, den Style in ihrer Wahlheimat zusammen. Das gilt im Sommer wie im Winter. Für die Klamotten übrigens ebenso. Auch in den feinsten Lokalitäten der Insel schert sich niemand um vermeintlich angemessenes Schuhwerk.
Die Ausschlaf-Mentalität
Frühstück bis 10 Uhr: Jeder kennt diesen Satz. Doch nicht jedem leuchtet ein, warum er im Urlaub um 9 Uhr aus dem Bett fallen soll, um noch ein paar Frühstücksreste vom Buffet zu klauben. „Deswegen gibt es bei uns Frühstück bis um zwei“, sagt Holger Bodendorf, Sternekoch und Hotelinhaber auf Sylt. Nicht nur bei ihm muss sich kein Gast einen Wecker stellen. So lange servieren viele Hotels auf der Insel die erste Mahlzeit des Tages. Manche gar rund um die Uhr.
Die regionalen Spezialitäten
Made auf Sylt – das zieht. Deswegen gibt es immer mehr Produkte, die auf der Insel hergestellt werden. Vom etwas gewöhnungsbedürftigen Wein über Salz aus der Nordsee bis zu Schokolade. In vielen Manufakturen auf der Insel kann man den Machern beim Produzieren zuschauen. Christian Appel etwa röstet in Rantum seinen eigenen Kaffee. Der Laden ist hip eingerichtet, der Kaffee ein Gedicht. Dazu erzählt Appel mit viel Liebe dessen Geschichte.
Die Teezeremonie
Der Nordfriese trinkt bei jedem Wetter Tee. Dem Festlandmenschen aber schmecken Schietwettertee, Friesenmischung und Sylter Kaminfeuer nach einem Marsch in der Kälte noch ein bisschen besser. In den Teehäusern wird man gut zu den Sorten beraten. Dazu ein Stück Blechkuchen.
Die Biike brennt
Was dem Festlanddeutschen sein Weihnachten, ist dem Sylter das Biikebrennen. „Zu Biike kommen wirklich alle Kinder nach Hause“, sagt Vielberg. Früher verabschiedeten die Sylterinnen mit den Feuern ihre Männer auf die Walfangschiffe. Die Legende besagt, dass die Frauen damit den Dänen einen Wink geben wollten – nach dem Motto „Die Jungs sind jetzt weg, ihr könnt kommen“. Doch das sei totaler Quatsch, sagt Claas-Erik Johannsen, Inhaber eines traditionsreichen Hotels in Keitum. Und grinst. Heute vertreiben die Sylter mit den Biiken Ende Februar den Winter. Dafür ziehen die Einwohner der Inseldörfer mit Fackeln zu großen Holzhaufen. Mit einem Tusch entzünden sie die Biike – und singen dazu ihre Heimathymne, „Üüs Sölring Lön“ („Unser Sylter Land“).
Der Grünkohl
Wie überall an der Küste steht Grünkohl auch auf Sylt im Winter hoch im Kurs. Nach dem Biikebrennen etwa serviert Johannsen den Klassiker „Grünkohl mit alles“. Wobei „alles“ meist salzige Kochwurst, Kassler und Schweinebauch meint. Die dazu servierten Kartoffeln spielen eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger ist Kümmelschnaps im Anschluss.
Das geschonte Konto
Über Sylt kursieren allerhand Mythen, von denen wenige wahr sind. Was aber durchaus richtig ist: Sylt ist nicht gerade ein Billig-Ziel. Wer im Winter kommt, profitiert von speziellen Angeboten. Selbst die edlen Hotels bieten zu dieser Zeit Arrangements an, bei denen man sparen kann. Wer gern günstiger reist, sucht sich spontan eine Ferienwohnung.
Die Strandsaunen
Erst bei 90 Grad im Holzhaus schwitzen, dann raus in die salzige Luft am Strand: Auf Sylt geht das auch im Winter. Wer sich traut, kann direkt aus der Sauna ins Meer flitzen. Bei ein paar Grad Wassertemperatur ist das nichts für zarte Gemüter.
Die Leute
Auch im Winter ist die Insel besucht, aber deutlich weniger als in der Hauptsaison. Und vor allem anders. Wer zu dieser Zeit nach Sylt kommt, sucht Ruhe, will in der Natur sein. Touristenführer Manfred Seeger liebt die Insel zu dieser Zeit. Er empfiehlt auch bei Wind und Wetter einen Marsch um den Ellenbogen, die nördliche Spitze der Insel. Selbst im Sommer ist dort meist wenig los – im Winter verirre sich so gut wie gar keiner dorthin.
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