Wie Tanzen im Dreivierteltakt
Die dänische Insel Bornholm ist ein Paradies für Angler. Sie finden dabei vor allem Ruhe. Neulinge müssen jedoch erst einige wichtige Lektionen lernen. Ein Selbstversuch.
Es gibt viele gute Gründe, um nach Bornholm zu reisen. Angelfreunde nennen häufig die 150 Kilometer lange wilde Küstenlinie, zahlreiche Bäche und eine Meerforellenspezies, die es kaum anderswo gibt. Angelführer Udo Schroeter fügt noch einen hinzu: genügend Abstand zur Festlandswelt – und damit die Möglichkeit, zu sich zu finden. Das will ich ausprobieren.
Der Strand zieht mich magisch an, dieser endlose feine, weiße Sand, so fein, dass es knirscht, wenn man ihn betritt. Am liebsten würde ich die Schritte beschleunigen, die Schuhe wegwerfen und johlend ins Wasser stürzen. Aber ich trage eine Neopren-Wathose, ich kann weder die zu groß geratenen Stiefel ausziehen, noch wirklich damit rennen.
Zum Glück! Sonst hätte ich es mir gleich auf meiner allerersten Angeltour mit meinem Guide verdorben. Udo Schroeter hat seine Schritte schon vor dem Strand verlangsamt. Nun bleibt er stehen, schaut auf das Wasser und prüft den Wind.
Rhythmus der Natur
Leise betritt der Angelführer den Strand, die Vögel weichen aus, aber sie ergreifen nicht aufgeregt die Flucht. Das ist die erste Lektion, die ich lerne: Passe dich dem Rhythmus der Natur an. Sonst schaffst du es, schon mit deiner Ankunft den Strand völlig leer zu poltern. Das übernimmt schließlich der Außenbordmotor eines Fischerbootes. „Da kommt ein Nebenerwerbsfischer, um Meerforellen zu holen“, erklärt Udo.
Er ist aus Liebe zum Meer, den Forellen und dem intensiven Bornholmer Licht mit seiner Familie von Fehmarn auf die größte dänische Ostseeinsel ausgewandert. Auf dem Speiseplan der Familie steht mehrmals pro Woche Fisch. Aber nur solcher, der selbst gefangen, ausgenommen und zubereitet wurde: „Nur ein wilder Fisch, der sein Leben lang in Freiheit durch das Meer geschwommen ist, ist energiegeladen und schmeckt auch so“, hatte der Guide bei unserer Vorbesprechung betont und mir zum Beweis ein Stück Graved-Meerforelle angeboten. Ich habe noch nie in meinem Leben einen so leckeren Fisch gegessen und beschließe: Den will ich auch fangen. Doch daran ist in der Bucht von Risegård hinter dem Fischernetz nicht mehr zu denken.
Duft des Meeres
Wir ziehen weiter westwärts. Rhythmisch hole ich Wurf um Wurf ein, wie Udo es mir gezeigt hat. Pausen sollen die Fische animieren, das Schwächeln des Köders für eine Attacke auszunutzen. Dabei entspanne ich mich, atme den Duft des Meeres ein. Im Gegenlicht steht Hannes, ein befreundeter Fliegenfischer. „Das ist wie Tanzen im Dreivierteltakt“, denke ich, als ich die sauberen rhythmischen Würfe beobachte.
Genau in diesem Moment spüre ich einen Widerstand an meiner Schnur. „Da ist was“, rufe ich, – und da ist es auch schon wieder fort. „Wo warst du in deinen Gedanken, als der Fisch gebissen hat?“, fragt mich Udo. Ich schweige. Wie hatte der Guide noch bei der Erklärung der Wurftechnik gesagt: Nur wer sich ganz auf die Rute und die Köderführung fokussiert, wird gute Fänge machen. Hannes zieht einen Fisch nach dem anderen an Land. Aber meist liegen die Forellen noch unter dem Mindestmaß von 40 Zentimetern. Udo zeigt mir, wie wir im Wasser behutsam den Haken lösen und die Fische in die Freiheit entlassen.
Nein, unser Lagerfeuer wird an diesem Abend nicht zum Grillfeuer. Aber wir gehen nicht leer aus: Wir haben Freiheit geschmeckt, Ruhe genossen und von dem alten Handwerk der Jäger gelernt. Und morgen geht es wieder hinaus ans Meer.
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