Lebensversicherung: Erste Einschnitte nach Reform
Im Eiltempo hat Berlin den Klassiker der Altersvorsorge reformiert. Noch liegt das Gesetz beim Bundespräsidenten zur Unterschrift. Doch die erste Lebensversicherung hat bereits reagiert.
Die Lebensversicherungen leiden unter den Niedrigzinsen, das bekommen die Kunden und auch ihre Aktionäre zu spüren: Das Gesetz zur Reform des Altersvorsorgeklassikers ist noch nicht einmal in Kraft, doch erste Einschnitte gibt es bereits. Kurz nach der Verabschiedung der Reform durch den Bundesrat gab die Württembergische Lebensversicherung trotz erwarteter Gewinne bekannt, dass die Aktionäre vorerst keine Dividende bekommen. Zahlreiche weitere Unternehmen werden nach Einschätzung von Branchenexperten und Verbraucherschützern folgen. Bis Details bekanntwerden, dürfte es allerdings noch eine Weile dauern.
Der Grund: Abgesehen von der Württembergischen Leben ist keine der etwa 70 Lebensversicherungs-AGs börsennotiert und daher auch nicht zur Veröffentlichung einer Pflichtmitteilung gezwungen. "Mir wäre es lieber gewesen, wenn alle zu einer Mitteilung verpflichtet gewesen wären", sagt Versicherungsexperte Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV).
Stille Reserven
Schließlich ist die Dividendensperre auch ein Hinweis für viele Kunden: Ihre Beteiligung an den Bewertungsreserven - auch stille Reserven genannt - dürfte deutlich sinken, sobald das Gesetz in Kraft getreten ist. Bisher erhalten ausscheidende Kunden die Hälfte an den stillen Reserven, die durch Kursgewinne entstehen.
Die Assekuranzen dürfen Bewertungsreserven aus festverzinslichen Papieren künftig nur noch in dem Maße ausschütten, wie Garantiezusagen für die restlichen Versicherten auch sicher sind. ""Auf festverzinsliche Anlagen gibt es durch den Sicherungsbedarf derzeit nichts auszuschütten", sagt Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata. Diese Entlastung für die Branche ist gekoppelt an eine Dividendensperre, die dann eintritt, wenn eine Garantieleistung gefährdet ist.
Spätestens im Geschäftsbericht werden die Aktionäre erfahren, ob sie mit einer Ausschüttung rechnen können. Versicherte dürften mit der jährlichen "Standmitteilung" informiert werden, wie stark sie noch an den Bewertungsreserven beteiligt werden. "Es wird sich zeigen, wie transparent die Mitteilung im Einzelfall ist", sagt Gatschke.
Für die weitere Zukunft macht Heermann den Versicherten wenig Hoffnung. Solange die Kapitalmarktzinsen niedrig bleiben, greife automatisch die gesetzlich verordnete Beschränkung bei der Ausschüttung der Bewertungsreserven auf festverzinsliche Papiere. Aktien und Immobilien sind ausgenommen, machen Heermann zufolge im Schnitt aber etwa nur 10 bis 15 Prozent der Reserven aus.
Kalter Ausstieg
"Wenn die Marktzinsen steigen, gehen die Bewertungsreserven runter. Dann haben die Versicherten aus ökonomischen Gründen wenig davon". Heermann spricht von einem "kalten Ausstieg aus der 2008 eingeführten Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven auf absehbare Zeit, der aber ökonomisch richtig und für die Gemeinschaft der Kunden insgesamt auch sinnvoll ist".
Aktionäre müssen sich ebenfalls auf magerere Zeiten einstellen, bei nicht börsennotierten AGs sind es vor allem institutionelle Investoren. "Es ist nicht davon auszugehen, dass viele Lebensversicherer auf kürzere Sicht noch Dividenden zahlen werden", sagt Christian Badorff von der Ratingagentur Standard & Poor's. Unternehmen mit einem Ergebnisabführungsvertrag dürfen allerdings weiterhin Gewinne an die Muttergesellschaft abführen. Dies trifft der Finanzaufsicht Bafin zufolge auf aktuell 21 Lebensversicherer zu.
Der Knackpunkt ist aus Badorffs Sicht die Berechnung des sogenannten Sicherungsbedarfs. Diesen müssen Versicherer vorhalten, um alle Garantien erfüllen zu können. Die Beteiligung der Kunden an den stillen Einlagen wird auf denjenigen Teil begrenzt werden, der den Sicherungsbedarf übersteigt. Der Sicherungsbedarf wird mit dem Bilanzgewinn und andererseits mit den vorhandenen Bewertungsreserven abgeglichen. Bei der Berechnung wird der Bestand an Zinszusagen eines Unternehmens ins Verhältnis zu den aktuellen Kapitalmarktzinsen gesetzt. Das Problem: Die Assekuranzen haben noch viele Policen mit einem vergleichsweise hohen Garantiezins von bis zu 4 Prozent im Bestand.
"Die finanzielle Stärke eines Unternehmens wird dagegen nicht berücksichtigt", sagt Badorff. Eigenmittelausstattung und Kapitalerträge des Unternehmens bleiben bei der Berechnung außen vor. (dpa)
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