Windräder: Warum die Abstandsregelung nicht greift
Horst Seehofer wollte größere Abstände zwischen Windrädern und Wohnhäusern. Warum die Rotoren im Wittelsbacher Land trotzdem viel näher an den Dörfern stehen werden.
10-H-Regelung – war da nicht was? Vor eineinhalb Jahren hat die Bayerische Staatsregierung und vor allem Ministerpräsident Horst Seehofer mit der neuen Abstandsregelung zwischen Windrädern und Wohnhäusern große Erwartungen bei Windkraftgegnern geweckt und für Proteststürme bei Unterstützern der erneuerbaren Energien gesorgt. Zumindest für die im Landkreis Aichach-Friedberg und an dessen Rändern seit Jahren diskutierten und geplanten Windpark-Projekte hat sich durch 10-H nichts verändert. Bei der üblichen Größe eines modernen Windrads inklusive Rotor von 200 Metern müssten sie dann mindestens 2000 Meter vom nächsten Wohngebäude entfernt stehen.
Abstandsregelung löchrig
Kein einziges in der Region bereits gebautes, genehmigtes oder geplantes Windrad hält diesen von Seehofer im Landtagswahlkampf 2013 postulierten Abstand ein. Zum einen, weil die Anträge dazu bereits vor dem Stichtag im Februar 2014 gestellt wurden und Vertrauensschutz genießen. Das Beispiel Pöttmes zeigt zum anderen, dass 10-H löchrig ist wie ein Schweizer Käse: Zwölf Windräder wurden dort erst vor gut einem Monat beantragt. Die Flächen sind von den Kommunen schon vor Jahren ausgewiesene Konzentrationszonen für Windenergienutzung. Auch hier gilt Bestandsschutz, auch wenn Bauanträge dafür erst jetzt eingereicht werden. Darauf hat die Oberste Baubehörde des Freistaats in diesem Jahr nochmals extra hingewiesen.
Wie ist nun der Stand der Dinge? Im Augsburger Land sind bei Meitingen zwei Windräder in Betrieb, gleich hinter der Landkreisgrenze Richtung Günzburg entsteht an der Autobahn ein großer Windpark. Und östlich des Lechs ist sozusagen der Windräder-Hotspot der Region Augsburg. Fünf Räder drehen sich bereits, neun sind im Bau und 28 beantragt, geplant oder angedacht. Würden alle realisiert (was nicht wahrscheinlich ist), handelt es sich nach einer branchenüblichen Überschlagsrechnung um ein Gesamt-Investitionsvolumen von rund 200 Millionen Euro. Dann könnten diese Anlagen im Jahr über 250 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen. Zum Vergleich: 2013 verbrauchten Haushalte, Betriebe, Einrichtungen in den 16 Kommunen im nördlichen Kreis Aichach-Friedberg rund 290 Millionen Kilowattstunden.
Noch ein Größenvergleich: Nach Firmenangaben hat allein das Lechstahlwerk in Meitingen einen Energiebedarf von 800 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr – vor allem für den Betrieb der beiden Elektroöfen. Das entspricht im Übrigen in etwa einem Prozent des Gesamtstromverbrauchs von Bayern.
Fünf Windräder am Netz
Odelzhausen (5) Der erste Windpark der Region, der schon Strom produziert, steht nördlich der Autobahn A8, direkt an der Grenze zum Landkreis Dachau zwischen Adelzhausen und Odelzhausen. Dort laufen seit Ende 2014 fünf Anlagen mit einer Leistung von je 2,4 Megawatt.
Neun Windräder im Bau
Aichach-Blumenthal (6) Die Fundamente für sechs Windräder im Blumenthaler Forst zwischen dem Aichacher Stadtteil Gallenbach, Sielenbach und den Dasinger Ortsteilen Laimering und Rieden liegen bereits. Bis Anfang 2016 soll dieser Windpark am Netz sein.
Friedberg-Bachern (3) Drei Anlagen entstehen im sogenannten Erlauholz zwischen den Friedberger Stadtteilen Bachern und Ottmaring. Die Rotoren werden derzeit montiert und sollen Ende des Jahres in Betrieb gehen.
28 Windräder in der Planung
Baar (4) Auf dem Baarer Berg im Westen der Gemeinde sollen sich vier Windräder drehen. Die Firma Uhl (Ellwangen) stellte Anfang Februar 2014, sozusagen auf den letzten Drücker vor dem Stichtag für die 10-H-Regelung, den seit Langem erwarteten Antrag für den Windpark. Bis heute hat das Landratsamt aber noch nicht darüber entschieden. Seit Mitte 2008 wird in Baar über Windräder am Höhenrücken zwischen Lechtal und Kleiner Paar diskutiert und gestritten. 2009 lehnte eine klare Mehrheit der Baarer in einem Bürgerentscheid die Windkraftnutzung dort ab – seither war das Thema aber nie vom Tisch.
„Brand“ (4) Weiter in der Diskussion ist auch die Windkraftnutzung im Waldgebiet „Brand“ im Landkreisdreieck Aichach-Friedberg, Augsburg, Donau-Ries. Zur Jahresmitte 2014 wurde der bislang gemeindefreie Forst den Gemeinden Holzheim und Münster zugeschlagen. Hier ist seit Jahren ein interkommunaler Windpark angedacht. Die Firma Uhl hat für „Brand“ schon vor drei Jahren vier Anlagen vorgeschlagen.
Pöttmes (12) Am Schnittpunkt von drei Landkreisen auf dem Höhenrücken zwischen Pöttmes und Ehekirchen könnte der größte Windpark der Region überhaupt gebaut werden. Zwölf Anlagen hat das Unternehmen Uka (Meißen, Sachsen) beantragt. Vier Windräder sollen im Kreis Aichach-Friedberg und acht im Nachbarkreis Neuburg-Schrobenhausen stehen. Laut Uka sind Generatoren mit einer Leistung von je 3,2 Megawatt vorgesehen. Ob überhaupt und wenn ja wie viele Anlagen gebaut werden können, hängt auch von der Flugsicherheit ab. Gegen Windräder am Gumppenberg meldete die Bundeswehr wegen der Radaranlagen am Nato-Flugplatz in Zell (Neuburg) schon mal Bedenken an. Bei Pertenau im Pöttmeser Gemeindebereich steht dazu außerdem ein sogenanntes Drehfunkfeuer für alle zivilen Instrumenten-Flugverfahren. Zwei beantragte Windräder bei Holzheim (Kreis Donau-Ries) hat die Flugsicherung bereits wegen Pertenau abgelehnt.
Holzheim (3) Direkt an der Grenze zum Landkreis Donau-Ries ist ein Park mit drei Anlagen nahe des Holzheimer Ortsteils Riedheim bereits genehmigt. Das Verwaltungsgericht hat Klagen der Kommunen Holzheim und Baar gegen das Ja durch das Landratsamt abgelehnt. Es bleibt noch der Schritt vor den Verwaltungsgerichtshof.
Merching (5) Etwa fünf Windräder will die Energiegenossenschaft Lechrain beidseitig der Bundesstraße B2 an der Landkreisgrenze zu Fürstenfeldbruck, östlich des Merchinger Ortsteils Steinach und westlich von Althegnenberg, bauen. Kritik gibt es unter anderem aus der Nachbargemeinde Steindorf.
Die Diskussion ist geschlossen.