500 Arbeitsplätze bei MT Aerospace in Gefahr
Die Europäer wollen ein günstigeres Nachfolgemodell für die Ariane-5-Rakete bauen. Das bringt rund 500 Jobs beim Augsburger Luft- und Raumfahrtunternehmens MT Aerospace in Gefahr.
Das Ausstellungsstück hat MT-Aerospace-Chef Hans J. Steininger mit Bedacht gewählt. Den 600 Teilnehmern des bis 18. September in Augsburg stattfindenden Deutschen Luft- und Raumfahrtkongresses zeigt er das Modell eines Gehäuses für Feststofftanks – in der Fachsprache Booster genannt. Dieses Teil baut das Augsburger Unternehmen für die europäische Trägerrakete Ariane 5 in Metallbauweise.
Das schwarze Schaustück auf dem Kongress ist aber für ein Nachfolgemodell der aktuellen Rakete gedacht. Es besteht aus leichten, energiesparenden Kohlefaserverbundwerkstoffen. Das klingt nach einer weiteren Raumfahrt-Erfolgsstory made in Bavaria, genauer gesagt made in Augsburg.
Der Auftrag könnte nach Italien gehen
Doch Steininger schaut mit ernstem Blick auf das Teil. Der Manager sagt: „Nach jetzigem Stand würde der Auftrag für diesen neuen Feststofftank nach Italien gehen.“ So besteht die Gefahr, dass der mittelständische Anbieter MT Aerospace mit derzeit knapp 500 Mitarbeitern in Augsburg bei dem Nachfolge-Modell der Ariane 5 zu kurz kommt. Steininger wirkt besorgt: „Die Lage ist ernst.“ Der Unternehmens-Lenker meint damit nicht die Gegenwart.
Der zum börsennotierten Bremer Luft- und Raumfahrtkonzern OHB gehörenden Firma geht es gut. MT Aerospace sucht gezielt Fachkräfte. Der Umsatz des profitablen Unternehmens wird 2014 mit rund 140 Millionen Euro nahezu stabil bleiben. Für dieses Jahr sind sechs Starts der europäischen Trägerrakete Ariane 5 vorgesehen. Augsburg ist stets mit von der Partie. Rund zehn Prozent der Baugruppen der Ariane 5 stammen von MT Aerospace. Neben den Boostern sind das große Strukturteile der Raketen und Tanks der Oberstufe.
Die Produktion von MT Aerospace ist derzeit gut ausgelastet. Wer durch die Werkshallen geht, sieht, wie Mitarbeiter in immer neuen Arbeitsschritten geduldig riesige Stahlbehälter bearbeiten. Hier hat die Firma eine Technologie entwickelt, die „weltweit kein Wettbewerber beherrscht“. Doch die MT-Aerospace-Manager arbeiten seit Jahren daran, neben Stahl und Aluminium mehr leichte und dennoch steife Kohlefaserverbundwerkstoffe im Raketenbau einzusetzen. Bereits heute fertigt die Firma unter anderem Tanks für Airbus-Flugzeuge aus dem leichten Material.
Auf dem Feld der Kohlefaserverbundwerkstoffe kooperiert MT Aerospace etwa mit den Forschern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im Augsburger Innovationspark. Solche Projekte unterstützt der Freistaat. Mehr als zehn Millionen Euro hat Bayern in den vergangenen Jahren investiert, damit Raketenteile von MT Aerospace leichter werden. Daher gibt es bei dem Unternehmen Überlegungen, eine neue Produktionshalle für leichte und bis zu elf Meter hohe Raketenteile im Technologiepark in der Nähe der SGL-Arena des FC Augsburg zu bauen.
MT Aerospace nur noch als verlängerte Werkbank?
„Die Fachwelt der Raumfahrt würde dann nach Augsburg pilgern, um zu sehen, wie man so etwas macht“, sagt Steininger. Seine Zuversicht hat aber einen Dämpfer erhalten. Wie es aussieht, könnte die Firma beim Bau des Nachfolgemodells für die Ariane 5 in die Rolle eines reinen Zulieferers ohne die bisherige Entwicklungskompetenz gedrängt werden. MT Aerospace wäre nur noch eine verlängerte Werkbank.
Die Pläne für die Bauteile würden nicht mehr in Augsburg erarbeitet, sondern zentral von großen Ariane-Produzenten wie Airbus erstellt. Folglich stünden die Arbeitsplätze von vielen der rund 120 MT-Aerospace-Ingenieure auf der Kippe. Steiningers Angst: Der Betrieb könnte als Technologiestandort ausbluten, wenn Raumfahrt-Spezialisten Augsburg verlassen. Der Bau einer neuen Halle müsste abgesagt werden und das Werk stünde nach dem Ende der Ariane-5-Produktion etwa im Jahr 2020 vor dem Aus.
Letztlich würde der Augsburger Betrieb Opfer eines brutalen internationalen Preiskrieges um die Satellitenfracht per Rakete ins All. Seit der amerikanische Anbieter SpaceX des US-Internet-Milliardärs Elon Musk Raketenstarts um rund 30 Prozent günstiger als das Ariane-Team anbietet, stehen die Europäer unter Druck. Die Nachfolgerakete der Ariane 5 muss dem Rechnung tragen und billiger werden. Das ist aber nur möglich, wenn die komplizierte Struktur vereinfacht wird.
Bei der Ariane 5 mischen Firmen aus zwölf europäischen Staaten mit. Airbus hat reagiert und als größter Spieler ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem französischen Triebwerksbauer Safran geschlossen, um effizienter Raketen zu bauen. Dadurch sieht sich MT Aerospace an den Rand gedrängt. Anfang Dezember könnte der endgültige Beschluss fallen, ob und welche Rakete auf die Ariane 5 folgt. Geht das zum Nachteil von MT Aerospace aus, ist Augsburgs Tor zum Weltraum in Gefahr. Kommt die Firma doch zum Zug, weil Deutschland sich durchsetzt, sichert das den Standort für bis zu 40 Jahre ab, so lange währt der Lebenszyklus einer Ariane 6.
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