Augsburger Pleite-Drama: Die Nerven liegen blank
Der Münchner Investor Paragon steigt doch nicht bei Weltbild aus. Die Beschäftigten müssen aber weiter zittern.
Edin Hadzic und Krischan von Moeller waren verärgert. Beinahe hätten die Manager der Münchner Investmentgesellschaft Paragon ihr Angebot für die Übernahme des angeschlagenen Augsburger Verlages Weltbild zurückgezogen. So groß muss ihr Zorn auf die Augsburger Abgesandten der Gewerkschaft Verdi gewesen sein. So sehr müssen die Finanziers den Glauben verloren haben, dass sich ein Kompromiss für ein tragfähiges Konzept zum Erhalt von rund 2000 Arbeitsplätzen erzielen lässt.
Verhandlungen auf Augenhöhe
Die Lage war ernst. Nachdem unsere Zeitung über ein mögliches Aus für die Weltbild-Rettung berichtet hatte, legte Manager Magazin online nach und meldete ebenfalls, der Rettungsplan sei gefährdet. Die Journalisten dieser Internet-Nachrichtenbörse gingen einen Schritt weiter und spekulierten, Weltbild könne zerschlagen werden. Denn pro Monat verbrenne der Konzern nach Schätzungen von Insidern rund fünf Millionen Euro. Diese Zahl lässt sich nicht belegen. Fest steht nur: Weltbild schreibt nach wie vor rote Zahlen. Der Druck auf das Unternehmen ist groß. Und er wäre noch größer geworden, wenn die lange als Retter gefeierten Paragon-Manager den Absprung vollzogen hätten. Schließlich schienen die Münchner Investoren zuletzt die einzigen Interessenten zu sein, die Weltbild als Ganzes übernehmen wollen. Mit entsprechender Spannung wurde das Ergebnis des Weltbild-Krisengipfels am Mittwoch in München erwartet. Kurz vor Beginn des Treffens von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz und den Paragon-Leuten waren positive Signale nach außen gedrungen. Nach der Veranstaltung war klar: Die „netten Burschen aus München“, wie der österreichische Industrielle Josef Taus die Investoren einmal spaßig genannt hat, wollen weiterverhandeln.
Wie es schließlich am Rande des Krisen-Treffens hieß, sei die Gesprächs-Atmosphäre wieder entspannter. Die Verhandlungen könnten jetzt auf Augenhöhe fortgesetzt werden. Zudem erfuhr unsere Zeitung, dass die Paragon-Manager anstreben, Weltbild zu 100 Prozent zu übernehmen. Ursprünglich war von 51 Prozent die Rede, den restlichen Anteil hätte Geiwitz im Namen der Gläubiger weitergeführt – eine besondere Konstruktion in der deutschen Insolvenzgeschichte.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Nach dem Weltbild-Krisengipfel gilt die philosophische Binsenweisheit des einstigen deutschen Nationaltrainers Sepp Herberger: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ Geiwitz, Paragon-Experten und Gewerkschafter müssen nämlich erneut eine lange Liste von Streitpunkten abarbeiten, etwa die Frage, wie viele Arbeitsplätze bei Weltbild noch wegfallen sollen. Hier gab es wilde Spekulationen. Nach Unterlagen, die unserer Zeitung vorliegen, gibt es Planungen, 135 bis 165 weitere Vollzeitstellen zu streichen, davon 100 in der Verwaltung und 50 in der Logistik. Zuletzt waren jeweils 1200 Beschäftigte für Weltbild in den Filialen und im Verlag tätig.
Für Unmut aufseiten der Gewerkschaft hatte aber vor allem die plötzlich aufgetauchte Zahl von bis 250 Arbeitsplätzen gesorgt, die nach dem Willen von Paragon abgebaut werden muss. Diese Forderung, so ist zu hören, habe sowohl die Weltbild-Betriebsräte als auch Geiwitz erzürnt. Der Insolvenzverwalter ist bestrebt, möglichst viele Stellen zu erhalten. Folglich war von seiner Seite kein böses Wort über Weltbild-Betriebsräte der Gewerkschaft Verdi zu hören. Manch Beobachter sprach von einem Schmusekurs. Weder Geiwitz noch die Verdi-Funktionäre nehmen dazu Stellung.
Auf alle Fälle liegen die Nerven innerhalb der Gruppe der Weltbild-Betriebsräte blank. Nach wie vor fühlen sich nicht zu Verdi gehörende Beschäftigtenvertreter unzureichend informiert und ausgegrenzt.
Die Stimmung im Betrieb sei generell schlecht, wird berichtet. Das drücke auf die Psyche. Von Zusammenbrüchen ist die Rede, währt das Drama doch schon mehr als ein halbes Jahr. Jetzt haben die Beschäftigten zumindest die Hoffnung, dass sich Geiwitz und Paragon einigen. In einer am Mittwochabend nach dem Krisen-Gipfel vom PR-Stab des Insolvenzverwalters verschickten Pressemitteilung ist von einem „geänderten Angebot“ die Rede. Details werden nicht genannt. Geiwitz sichert zu, die neue Offerte zu prüfen. Ob er einverstanden ist, dass Paragon 100 Prozent an Weltbild übernimmt? Und gestern tauchte in Augsburg aus verschiedenen Quellen ein altes Gerücht wieder auf. Die Weltbild-Logistik könnte abgetrennt und an einen anderen Investor als Paragon verkauft werden. Auch dazu schweigen alle Parteien. Wie am Vortag waren die Verdi-Gewerkschafter nicht zu erreichen. Die Paragon-Offiziellen tauchten ebenfalls ab. Das Zittern für die Weltbild-Beschäftigten geht weiter. Es ist unklar, wann im Augsburger Insolvenz-Drama Klarheit herrscht.
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