„Bleib neugierig und trau dich!“ - Interview mit Ranga Yogeshwar
Ranga Yogeshwar ist von den Chancen des digitalen Wandels überzeugt. Der bekannte TV-Physiker tauscht sich in Bad Wörishofen mit Unternehmern aus und gibt Tipps.
Herr Yogeshwar, Sie moderieren seit Jahren erfolgreich Wissenssendungen zu verschiedenen Themen aus unserem Alltag. Jetzt haben Sie vor Mittelstands-Unternehmern eine Expertenrunde zum Thema Industrie 4.0 geleitet. Warum reizt Sie dieses Thema?
Ranga Yogeshwar: Deutschland war in der Vergangenheit sehr stark von Kompetenzen in der Industrie geprägt, etwa im Maschinenbau. Jetzt sind wir mit der digitalen Revolution konfrontiert, die vieles verändert. Was mich antreibt, ist mein fester Glaube an die Kreativität, die wir in Deutschland haben. Ich hoffe, dass wir dieses neue Kapitel aktiv mitschreiben. Die erfolgreiche Vergangenheit ist für uns die größte Herausforderung: Die Gefahr besteht, dass wir uns auf vergangenen Lorbeeren ausruhen und den Sprung in die neue Phase nicht schaffen.
Sind die Unternehmen in Deutschland zu konservativ?
Yogeshwar: Jede Veränderung birgt Unsicherheiten. Wenn man wie Deutschland in der Vergangenheit erfolgreich war, erkennt man die Notwendigkeit von Veränderungen nicht so an, als wenn man von null anfängt. Deshalb sind andere Länder womöglich schon weiter.
Welche Chancen ergeben sich durch den digitalen Wandel insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen?
Yogeshwar: Es ist sehr wichtig, dass der Mittelstand sich vernetzt und das Thema für sich begreift. Schließlich leben wir in Deutschland im Wesentlichen vom sehr guten und kreativen Mittelstand. Es sind Unternehmen, die Weltmarktführer in sehr speziellen Branchen sind. Und bislang geht es bei Industrie 4.0 noch zu sehr um die ganz großen Unternehmen. Die sind von der Personaldecke her vielleicht besser geeignet, weil sie bestimmte Kompetenzen im Haus haben. Aber langfristig muss es gelingen, kleine und mittlere Unternehmen in das neue Zeitalter mitzunehmen.
Wie ist das zu bewerkstelligen?
Yogeshwar: Es fängt an beim Mittelstand selbst. Der muss manche Kulturen der Vergangenheit ablegen. Da darf man nicht mehr nur stolz sein auf seine Kernkompetenz. Als Mittelständler muss man begreifen, dass Industrie 4.0 Öffnung bedeutet. Und das nicht nur auf technischer Seite hin zur IT, sondern auch zu neuen Partnern und Geschäftsmodellen. Den Sprung in den digitalen Wandel schafft man nur mit einem Wir-Gefühl. Einzelne Mittelständler, die alles selbst produzieren, werden es langfristig nicht schaffen.
Mittelständler müssen also Ihrer Einschätzung nach miteinander kooperieren?
Yogeshwar: Sie müssen kooperieren und haben damit die Chance, vielleicht sogar neue Produktionsprozesse umzusetzen und neue Produkte zu kreieren. Der digitale Wandel ist für Unternehmen mehr als bloßes Optimieren. Er kann bedeuten, das Unternehmen ganz neu zu erfinden.
Welche Risiken birgt die digitale Revolution für den Mittelstand?
Yogeshwar: Viele haben die Sorge, dass sie abgehängt werden, oder dass sie plötzlich nicht mehr auf dem Markt sind. Und das ist ja durchaus schon vorgekommen. Denken Sie an den Buchhändler: Vor ein paar Jahren hatte er noch eine tolle, traditionelle Position. Dass ein Logistiker aus den USA ihm sein Geschäft kaputt macht, konnte er sich gar nicht vorstellen. Doch dann kam Amazon. Diese Sorgen plagen auch in der Industrie die Menschen. Leute, die 50 Jahre lang erfolgreich waren, fragen sich: Wer verändert denn nun mein Geschäft über Nacht?
Wie kann man darauf reagieren?
Yogeshwar: Die tiefe Sorge haben wir in vielen Bereichen, da können sich ganze Industriezweige schlagartig verändern. Mit Angst dürfen wir darauf aber nicht antworten. Angst ist nie ein guter Wegbegleiter. Wir müssen die Chancen erkennen. Denn mit dem Wandel kommen neue Geschäftsfelder und Partner – und wenn man das offensiv nutzt, macht das Ganze sogar Spaß.
Was können Wirtschaftsstandorte tun, um den Wandel zu bewältigen?
Yogeshwar: Sich in Netzwerken zusammenzusetzen und auszutauschen, ist ein wichtiger Schritt. Also genau das, was gerade in Bad Wörishofen passiert. Zu oft arbeitet bei uns noch jeder für sich, dabei sind elementare Eigenschaften der digitalen Revolution die Öffnung und das Sharing, also das Teilen.
Einigen Arbeitnehmern behagt der digitale Wandel wenig. Sie fürchten um ihre Privatsphäre und Freizeit.
Yogeshwar: Es geht ja nicht darum, das Arbeiten 4.0 als Automatismus aufzufassen, indem wir sagen: Das muss jetzt alles sein! Es geht nicht darum, dass jeder beim Essen auf sein Handy guckt. Das kann man auch zur Seite legen. Es geht darum, dass wir alle den Fortschritt im Detail mitgestalten, um davon zu profitieren. Unternehmer genauso wie ihre Mitarbeiter. Wenn das nicht passiert, sind wir automatisch nur noch Konsumenten. Dabei müssen wir Gestaltungsfreiheit einfordern.
Bleibt nur noch Platz für hochqualifizierte Mitarbeiter, die sich einbringen?
Yogeshwar: Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir eine Entwicklung stabil halten können, bei der eine Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr Anteil nimmt. Aber es gibt ja noch andere Branchen, in denen mehr Menschen gebraucht werden. Man denke mal an den Gesundheitsbereich oder an Soziales. Da werden die Menschen auch langfristig nicht von Technik zu ersetzen sein.
Aber wie kann ein Arbeitnehmer den digitalen Wandel als Chance begreifen?
Yogeshwar: Ich möchte ihm immer wieder zuflüstern: Bleib neugierig, halte dich auf dem Laufenden und trau dich, die Dinge immer wieder auch aus einer anderen Perspektive zu beachten. Der digitale Wandel ist eine Chance für uns als Gesellschaft, weil wir damit so vieles verändern können. Aber man muss sich eben trauen. Und wer sich nur zu Hause einigelt und hofft, dass der digitale Wandel wie ein Sommergewitter an ihm vorüberzieht, wird irgendwann aufwachen und merken: Da hat er etwas Tolles verpasst.
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