Der Traum vom Augsburger Roboter-Valley
Der Kuka-Konzern investiert kräftig in seinen schwäbischen Heimatstandort. Unternehmens-Chef Till Reuter hofft, dass sich innovative Firmen rund um den Stammsitz ansiedeln.
Die Augsburger Kuka AG verzeichnet immer neue Umsatz- und Ergebnis-Rekorde. Der Aktienkurs ist durch die Decke gegangen und Kanzlerin Angela Merkel schwärmt von dem Unternehmen als Speerspitze deutscher Technologie. Was soll da noch kommen?
Jetzt könnte sich Till Reuter, Chef des Roboter- und Automatisierungsunternehmens, zurücklehnen und den Erfolg genießen. Davon will der 47-Jährige aber nichts wissen. „Wir haben noch viel vor“, sagt er und schaut auf das im Bau befindliche Forschungs- und Entwicklungszentrum des Konzerns am Augsburger Stammsitz. Das Projekt ist schon weit gediehen. Hier ziehen ab Ende des Jahres rund 900 Spezialisten ein, um mit neuen Automatisierungskonzepten die Industrie weiter zu revolutionieren.
Roboter werden immer intelligenter
Roboter werden immer intelligenter und arbeiten Hand in Hand mit Menschen. Die elektronischen Helfer verlassen ihre Schutzzäune, sind sie doch mit einer zunehmend raffinierteren Software und Sensorik ausgestattet. Kuka ist längst auch ein IT-Konzern. Die Verknüpfung von Mechanik, also Robotergehäusen mit Elektronik, Informationstechnologie und selbst entwickelten Steuerungen lassen den Kuka-Chef auf neue Kunden hoffen. „Industrie 4.0“ heißt das Schlagwort. Die Augsburger gelten hier weltweit als Pioniere für die Umwälzung der industriellen Fertigung. Was abstrakt klingt, wird wohl ein Segen für den Standort Deutschland sein. Reuter kann sich etwa vorstellen, dass ein Hersteller von Sportschuhen, der jetzt noch in China produzieren lässt, die Fertigung zum Teil wieder nach Deutschland zurückverlagert.
Wie soll das gehen? Hier kommt das veränderte Konsumverhalten ins Spiel. Immer mehr Kunden wollen sich Produkte im Internet nach ihrem Geschmack zusammenbauen und dann möglichst rasch geliefert bekommen. Wer zum Beispiel Joggingschuhe mit Streifen in seiner Lieblingsfarbe kaufen will, könnte online das Produkt selbst entwerfen. Das Geschäftsmodell funktioniert aber nicht mit der Produktion der Waren in anderen Kontinenten. Bis der Schuh in Deutschland ist, vergehen rund sechs Wochen. So lange braucht der Container per Schiff und dann Lkw oder Bahn, ehe er in Bayern ankommt. Das ist für Internet-Einkäufer, die es gewohnt sind, am nächsten Tag beliefert zu werden, indiskutabel.
„Industrie 4.0“, also die Verknüpfung der Produktion mit der Datenwelt, würde Online-Schuhkäufer zu kreativen Königen machen. So wird es Reuter gerne gehört haben, als Adidas-Vertriebschef Roland Auschel angekündigt hat, dass in einigen Jahren Roboter in Geschäften des Unternehmens Schuhe nach Wünschen der Kunden produzieren. Während der Auftraggeber einen Cappuccino trinkt, wird sein Traumschuh mit etwa zwei quietschgelben und einem neongrünen Streifen in passender Größe im Laden hergestellt. Das Adidas-Projekt fördert das Bundeswirtschaftsministerium. Adidas wolle dabei auch Kuka-Roboter einsetzen, sagte eine Sprecherin des Unternehmens.
So wird in Deutschland eine neue Stufe der industriellen Revolutionsrakete gezündet. Reuter glaubt, heimische Firmen hätten gute Chancen, sich auf dem Feld gegen US-Konkurrenten zu behaupten: „Wir verstehen etwas davon, verschiedene Technologien, also Mechanik und Software, in gut funktionierende Systeme zu integrieren.“ Damit spielt er auf die Erfolge deutscher Maschinen- und Autobauer an.
Greifen Apple und Google deutschen Automobilbau an?
Die amerikanische Konkurrenz ist aber erfindungsreich. Konzerne wie Google und Apple kämpfen aus dem Silicon Valley heraus um die Vorherrschaft im Zeitalter der „Industrie 4.0“. Die amerikanischen Daten- und Software-Riesen scheinen dabei sogar in die deutsche Königsdisziplin – den Automobilbau – vordringen zu wollen. Google experimentiert mit selbstfahrenden Autos. Und das Wall Street Journal spekuliert, Apple plane ein Elektrofahrzeug. Das läuft auf einen heißen transatlantischen Kampf um die Vorherrschaft in Sachen „Industrie 4.0“ hinaus. Auch deswegen war die Kanzlerin bei Kuka. Und daher kann sich Reuter nicht zurücklehnen. Das Unternehmen hat rund 60 Millionen Euro in den Bau des Entwicklungszentrums investiert. Jetzt träumt der Kuka-Chef von einem „Robo-Valley“ um den Firmensitz in Augsburg. Wie sich rund um die US-Städte San Francisco und San José ein weltweit führendes Zentrum der IT- und Hightech-Industrie entwickelt hat, könnten sich (natürlich im viel kleineren Maßstab) junge Tüftler, die gerade ein Unternehmen gegründet haben und auch Zulieferfirmen bei der Kuka-Zentrale ansiedeln.
Auch der nahe Augsburger Innovationspark unweit der Uni und zahlreiche Forschungseinrichtungen bieten Platz für Kuka-Mitstreiter. So würde ein Robo-Valley, eine Art Roboter-Tal entstehen. Ingenieure und Software-Spezialisten könnten wie auf einem Campus zusammen neue Anwendungen entwickeln. „Wir haben noch Platz hier“, sagt der Kuka-Chef. Reuter denkt dabei nicht nur an „Industrie 4.0“, sondern auch an den „Haushalt 4.0“. Er kann sich vorstellen, dass „es in fünf bis zehn Jahren Roboter gibt, die einfache Gerichte kochen und im Haushalt Getränke holen“. So ein Roboter soll dann dank Kameratechnik auch in der Lage sein, Einbrecher auszumachen und Bilder der ungebetenen Gäste auf das Smartphone der Eigentümer zu schicken. Das wäre „Sicherheit 4.0“ – nur eines der vielen Themen, die kreative Köpfe im Augsburger Robo-Valley vorantreiben könnten.
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