Der neue VW-Oberkontrolleur Hans Dieter Pötsch hat Makel
Als Aufsichtsratschef soll Hans Dieter Pötsch die Volkswagen-Krise bewältigen. Doch der begnadete Finanzmann könnte ein Problem mit seiner Vergangenheit bekommen.
Er ist ein verkörpertes Bekenntnis. Und das lautet: Wir, die Mächtigen bei Volkswagen, bleiben unter uns. In den Machtzirkel kommt kein Außenstehender. Der neue Chef des Aufsichtsrats, Hans Dieter Pötsch, ist ein Mitglied des alten Establishments bei Volkswagen. Und allein der Vorgang dieser neuen Personalrochade ist bemerkenswert. Pötsch wurde nicht auf einer Hauptversammlung von den Aktionären gewählt. Ein Amtsgericht ernannte ihn am Mittwoch zum Mitglied des Aufsichtsrates, dieser setzte den 64-Jährigen sofort im Anschluss an seine Spitze.
Nun steht er an der Seite von Vorstandschef Matthias Müller, um VW aus der gewaltigen Krise zu führen, die der Skandal um manipulierte Abgaswerte auslöste. Doch ob sich die VW-Eigentümer mit Pötsch den richtigen Mann als glaubwürdigen Oberkontrolleur für einen Neuanfang ausgesucht haben, ist umstritten: Seine Rolle im Abgasskandal brachte dem gebürtigen Österreicher viel Kritik ein. Nachdem die Anschuldigungen der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA schon lange im Internet standen, schwieg Pötsch. Dabei war er als Finanzchef für die Anliegen der Aktionäre zuständig. Viele Anleger fühlen sich zu spät informiert.
In seiner Antrittsrede versicherte Pötsch: „Es ist mir ein persönliches Anliegen, alles zu tun, damit diese Vorgänge restlos aufgeklärt werden.“ Er wirkte angespannt, redete abgehackt und überbetont. Ungewöhnlich ist, dass die Rede auf Youtube zwar einseh-, aber nicht kommentierbar ist.
Pötsch bewies in vielen heiklen Momenten bei VW Geschick
Pötsch wechselte von der Lackieranlagen-Firma Dürr 2003 in die Finanzabteilung von VW. Nach nur wenigen Monaten wurde er oberster Finanzchef des Konzerns. Er wurde laut Einschätzungen von Autoexperten zu einem Vertrauten der Familien Porsche und Piëch. In vielen heiklen Momenten der jüngeren VW-Geschichte bewies er großes Geschick. Seine Berechnungen aus dem Hintergrund trugen unter anderem dazu bei, den Übernahmeversuch vom damaligen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking vor zehn Jahren nicht nur zu vereiteln. Am Ende wurde Porsche in VW integriert – steuerfrei.
Über sein Privatleben ist nicht viel bekannt. Laut dem Munzinger-Archiv ist er verheiratet und hat zwei Kinder. Er mag Bergtouren und Fußball, beim VfL Wolfsburg saß er zeitweise im Aufsichtsrat.
So klug Pötsch in der Finanzstrategie vorging – seit seinem Antritt hat der Konzern seinen Umsatz auf über 200 Milliarden mehr als verdoppelt – die Zeichen der Zeit hat er unterschätzt. Ein Zitat von 2008 in einem Interview mit dem Handelsblatt wirkt aus heutiger Sicht beinahe tragisch. Pötsch antwortete auf die Frage, ob Umweltauflagen für die Automobilindustrie einen Epochenwechsel bedeuteten. „Eine Zäsur erwarte ich nicht“, sagte er damals. „Volkswagen hat große Chancen, diese Situation besser zu bewältigen als andere.“
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