Die EU will eine Zukunft ohne Pestizide
Zwar verlängerte Brüssel am Dienstag nach einer heftigen Debatte die Zulassung für Glyphosat. Die Kommission will sich aber auf die Gegner zubewegen.
Nach dem monatelangen Krach um Glyphosat war der gestrige Akt nur noch Routine: Da die Vertreter der Mitgliedstaaten schon Ende November der weiteren Nutzung des Unkrautvernichters Glyphosat zugestimmt hatten, verlängerte die EU-Kommission am Dienstag die Zulassung für fünf Jahre – und sorgte gleich wieder für heftigen Streit. Denn am Kernsatz des Bescheids werden sich die Gegner stoßen: "Nach einer gründlichen wissenschaftlichen Bewertung aller verfügbaren Daten über Glyphosat mit dem Ergebnis, dass es keinen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebserkrankungen bei Menschen gibt, hat die Kommission heute einer Erneuerung der Genehmigung für fünf Jahre zugestimmt."
Das wird für Ärger sorgen. Schließlich bestreitet nicht nur die Internationale Krebsforschungsagentur der Vereinten Nationen diese Darstellung. Dort hält man einen Zusammenhang zwischen dem Herbizid und Krebs zumindest für "wahrscheinlich". Die Fronten sind noch keineswegs besänftigt.
Die EU arbeitet daran, die Abhängigkeit von Pestiziden zu verringern
So meldet sich etwa am Dienstag die EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (Efsa) zum ersten Mal selbst zu Wort und warf den Kritikern vor, persönliche Überzeugungen über wissenschaftliche Gutachten zu stellen. Menschen, die Glyphosat ablehnten, befänden sich "in einem Konflikt zwischen Fakten und ihren eigenen Werten, aber anstatt ihre Werteinstellungen zu ändern, versuchen sie, die Fakten in Verruf zu bringen", sagte Efsa-Direktor Bernard Url. Und weiter: "Bei allem, was wir heute wissen, ist Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend."
Die Brüsseler Kommission weiß inzwischen aber auch, dass sie mit den Gegnern reden muss. Der Vizepräsident der Behörde, Frans Timmermans, begrüßte am Dienstag sogar die Europäische Anti-Glyphosat-Bürgerinitiative, die von über einer Million EU-Wählern unterstützt wurde, und versprach mehr Transparenz, um zu zeigen, wie Entscheidungen in diesem Bereich zustande kommen. Mehr noch: "Bereits jetzt arbeitet die EU daran, die Abhängigkeit von Pestiziden zu verringern und eine pestizidfreie Zukunft zu gestalten." Man werde im nächsten Jahr einen Vorschlag machen, um die in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Indikatoren für Risiken durch den Glyphosat-Gebrauch zu vereinheitlichen.
Glyphosat: Es ist zu "nicht sachgerechtem Gebrauch" gekommen
Wie das nach dem monatelangen Stillstand zwischen den Ländern gehen soll, ist nicht absehbar. Allerdings kündigte Timmermans auch neue Regeln für die Arbeit der Efsa an. Denn die Glyphosat-Gegner hatten von Brüssel gefordert, für die wissenschaftliche Bewertung künftig nur noch veröffentlichte Studien zuzulassen, die von den zuständigen Behörden und nicht von der "Industrie" in Auftrag gegeben wurden. So weit wollte die EU-Behörde zwar nicht gehen, versprach jedoch, künftig alle Erhebungen, die für eine Entscheidung relevant seien, offenzulegen.
EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis forderte die Mitgliedstaaten dazu auf, sicherzustellen, den Pestizid-Einsatz im Rahmen zu halten. Diese Stoffe dürften "nur nachhaltig und entsprechend den Anweisungen auf dem Etikett verwendet werden". Der Appell hat einen Grund. Bei der Verwendung von Glyphosat im öffentlichen Raum – also in Parks, am Rand von Spielplätzen, Wanderwegen oder entlang der Bahngleise – ist es nach Angaben aus Brüssel immer wieder auch zu "nicht sachgerechtem Gebrauch" gekommen.
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