Die Spur des Fleisches
Der Pferdefleisch-Skandal schlägt Wellen: Immer mehr heimische Unternehmen ziehen Tiefkühl-Lasagnen zurück. In Großbritannien wurden jetzt auch Medikament-Rückstände nachgewiesen.
Der Skandal um falsch ausgezeichnetes Pferdefleisch aus dem Ausland hat Deutschland und vermutlich auch Bayern erreicht. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sprach von einem „bislang einmaligen Fall von Verbrauchertäuschung“, nachdem neben Großbritannien und anderen Ländern hierzulande in Tiefkühlprodukten bei Stichproben solches Pferdefleisch nachgewiesen wurde.
Um welches Fleisch handelt es sich?
Nach bisherigen Erkenntnissen stammt das in Tiefkühlprodukten nachgewiesene Pferdefleisch aus ausländischer Produktion. Deutsches Pferdefleisch gilt nach wie vor als Delikatesse, die gegenüber Rindfleisch sogar günstiger ist und nach Angaben von Pferdemetzger Kaspar Wörle (Allenberg, Kreis Aichach-Friedberg) keine zusätzlichen Antibiotika enthält. Pferdefleisch habe weniger Kalorien als Rind und weise viel Eisen, Kalzium und Vitamin A und B auf.
Wieviel Fleisch ist im Umlauf?
Die französischen Behörden, die in der Firma Spanghero in Südwesten des Landes einen Hauptverantwortlichen ausgemacht haben, haben nun konkrete Zahlen zu der Menge von verarbeitetem Fleisch, hergestellten Fertiggerichten und betroffenen Ländern genannt. Demnach bezog Spanghero über sechs Monate verteilt in 25-Kilogramm-Packungen 750 Tonnen Pferdefleisch aus Rumänien. Das Pferdefleisch war auf Zollpapieren auch als solches ausgezeichnet, wie von dem zyprischen Zwischenhändler ausgestellte Rechnungen an Spanghero zeigen. Von diesen 750 Tonnen Pferdefleisch verkaufte Spanghero rund 200 Tonnen selbst, als Merguez-Würste und unter einer Eigenmarke als Fertiggerichte.
Der Großteil des Fleisches - rund 550 Tonnen - wurde an eine Fabrik des französischen Tiefkühlherstellers Comigel in Luxemburg geliefert - ausgezeichnet als Rindfleisch aus der EU. Aus diesen 550 Tonnen fertigte Comigel schließlich mehr als 4,5 Millionen falsch ausgezeichnete Fertigprodukte. Diese gingen an mindestens 28 Firmen in 13 europäischen Ländern.
Comigel beliefert auch deutsche Supermarkt-Ketten mit Produkten, die dann unter Eigenmarken vertrieben werden. Edeka, Real, Rewe und Kaiser's Tengelmann sowie der Tiefkühl-Heimservice Eismann haben Lasagne-Produkte aus dem Handel genommen. In einigen Stichproben wurde Pferdefleisch gefunden.
Woher stammt das problematische Pferdefleisch?
Die Spur zu dem in Fertigprodukten wie Lasagne nachgewiesenen Pferdefleisch führt zu dem französischen Unternehmen Spanghero. Es soll wissentlich das falsch ausgezeichnete Fleisch verkauft haben, teilte die französische Regierung gestern mit. Die Firma soll juristisch zur Verantwortung gezogen werden.
Wo wurde in Deutschland falsch deklariertes Pferdefleisch gefunden?
Der Ausgangspunkt war Nordrhein-Westfalen. Später wiesen Stichproben in Tiefkühl-Lasagneprodukten der Supermarktketten Real und Edeka Anteile von Pferdefleisch auf. Real rief ein entsprechendes Produkt am Mittwoch zurück. Edeka nahm seine Lasagne vorsorglich schon am Dienstag aus dem Verkauf. Die Rewe-Handelsgruppe teilte am Donnerstag mit, den Verkauf zweier Fertigprodukte gestoppt zu haben. Dabei handle es sich um die Produkte „Mou Lasagne Bolognese“ und „Mou Cannelloni Bolognese“ der Marke Tulip. Es sei nicht auszuschließen, dass die beiden Produkte Pferdefleisch enthalten könnten.
Das baden-württembergische Verbraucherschutzministerium bestätigte gestern, dass die Firma Eismann ebenfalls eine verdächtige Tiefkühl-Lasagne zurückgezogen hat. Ob diese tatsächlich falsch ausgezeichnetes Pferdefleisch enthält, wird noch untersucht. Auch der Großhändler Markant rief entsprechende Lasagneprodukte zurück. Kaiser’s Tengelmann führt Überprüfungen durch, nahm die Lasagne der Eigenmarke A&P aber bereits am Mittwoch vergangener Woche vorsorglich vom Markt. Ein Kühlhaus in Niedersachsen wurde geschlossen, in einem weiteren in Brandenburg wurde verdächtige Lasagne gefunden.
Was unternimmt Bayern im Pferdefleisch-Skandal?
Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat seine Kontrollen von Fertiggerichten mit Fleisch ausgeweitet, bestätigte eine Sprecherin gegenüber unserer Zeitung. Die Kontrolleure wurden auch in einem Kühlhaus fündig. Sie entdeckten verdächtige Produkte, entnahmen Proben. Mit einem Ergebnis wird heute gerechnet.
Wie ist die Lage in Großbritannien?
Aus Großbritannien sind Pferdekadaver nach Frankreich geliefert worden, die wegen verbotener Medikamenten-Rückstände hätten vernichtet werden müssen. Dies räumte gestern der britische Umweltminister David Heath ein. Acht der belasteten Tiere seien in die Nahrungskette gelangt. Mehrere britische Lebensmittelproben enthielten Spuren des Wirkstoffs Phenylbutazon, einem starken Entzündungshemmer für Pferde.
In Deutschland dürfen zum Verzehr bestimmte Pferde keine für den Menschen schädlichen Substanzen wie Phenylbutazon erhalten. Nach Polizei-Angaben sind drei Männer, die im Verdacht des Lebensmittelbetrugs stehen, in zwei Fleischbetrieben in Wales und England festgenommen worden. mit dpa
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