Die größten Kapitalvernichter
Die Börsenturbulenzen haben viele Anleger teuer bezahlt. Besonders traf das Investoren, die auf Solartitel setzten
Frankfurt am Main Commerzbank-Chef Martin Blessing ist es gewöhnt, sich als „Kapitalvernichter“ beschimpfen zu lassen. Jürgen Großmann, Noch-Chef des erfolgsverwöhnten Energieriesen RWE, eher nicht. Die Aktionärsschützer der DSW zählen die beiden Dax-Konzerne ebenso zu den „größten Kapitalvernichtern“ unter Deutschlands Unternehmen wie viele einstige Strahlemänner der Solarbranche, die Baumarktkette Praktiker oder den Erotikhändler Beate Uhse. Für die Anleger sind die 50 miesesten Aktien ein Albtraum. Viele Deutsche dürften die herben Kursverluste in ihrer Börsenskepsis bestätigen.
Auch wenn sich die arg gebeutelten Finanztitel zuletzt etwas erholten: Die Aktie der Commerzbank kennt seit Jahren praktisch nur eine Richtung – abwärts. 2011 war das Papier des teilverstaatlichten Konzerns mit einem Minus von 71 Prozent der größte Verlierer im Deutschen Aktienindex. Während andere Konzerne ihre Anteilseigner nach einem Rekordjahr mit üppigen Dividenden beglücken wollen, gehen Commerzbank-Aktionäre im vierten Jahr in Folge leer aus.
Das Hamburger Solarunternehmen Conergy verbrannte in den letzten fünf Jahren nach Berechnungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, kurz DSW, das Geld seiner Aktionäre fast komplett: Das reichte für Platz eins auf der unrühmlichen DSW-Watchlist.
„Es ist falsch, auf Modethemen zu setzen“, betont DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler angesichts der herben Kursverluste und der Insolvenzen in der Solarbranche. Aktuell seien Unternehmensanleihen Trendthema Nummer eins. Bekannte Mittelständler wie Katjes, Valensina und Bastei-Lübbe locken ebenso mit üppigen Renditeversprechen wie eher regional aufgestellte Unternehmen, etwa die Wiener Feinbäckerei Heberer mit Wurzeln im hessischen Offenbach.
Experten warnen jedoch, sich von bekannten Markennamen oder hohen Zinsen allzu leicht verführen zu lassen. „Anleger müssen sich im Klaren sein, dass sie ihr Geld komplett verlieren können“, warnt Verbraucherschützer Niels Nauhauser. Wozu das führen kann, sei aktuell bei Praktiker zu sehen, warnt DSW-Sprecher Jürgen Kurz. Der Konkurrent von Obi oder Hornbach war durch Missmanagement und überzogene Rabatte („20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“) in die Krise geraten. 2011 erlitt er unter dem Strich einen Verlust von 555 Millionen Euro. Der Aktienkurs brach um fast 83 Prozent ein, in fünf Jahren wurden 95 Prozent des früheren Börsenwerts verbrannt.
Jetzt sollen zusätzlich zu den Aktionären auch die Anleihegläubiger bluten, wettert die DSW. Das strauchelnde Unternehmen hatte noch im Februar 2011 eine Anleihe mit einer stolzen Rendite von 5,875 Prozent pro Jahr angeboten. Viele Privatanleger griffen zu. Praktiker-Chef Thomas Fox forderte nun einen Sanierungsbeitrag der Anleger: Sie sollten die Senkung des Zinssatzes auf 1 Prozent abnicken.
RWE könnte wieder Boden wettmachen
Die DSW sieht ihre Liste der 50 größten Verlustbringer an den Börsen als Warnung für Privatinvestoren. Andererseits würden einige Investoren Ausrutscher in der Kursentwicklung auch als guten Zeitpunkt zum Kauf sehen. Das könnte für RWE gelten. Auf die Energiewende müsse das Management nun eine Antwort finden, sagt Tüngler: „Da die RWE-Papiere 2012 eine respektable Aufholjagd hingelegt haben, gehen wir davon aus, dass der Auftritt in der Watchlist ein einmaliges Ereignis bleiben wird.“ (dpa)
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