Handwerker sind alarmiert: Will Brüssel den Meisterbrief abschaffen?
Handwerks-Vertreter glauben, dass die EU-Kommission per Hintertür den deutschen Meisterbrief umgehen will, um Ausländern den Marktzugang zu erleichtern. Sind die Sorgen berechtigt?
Handwerker in der Region haben volle Auftragsbücher. Viele von ihnen profitieren enorm von dem durch die europäische Nullzinspolitik ausgelösten Bau-Boom. Menschen stecken ihr Geld in Steine, weil sie auf der Bank dafür kaum etwas bekommen.
„Ja, es geht uns gut“, sagt denn auch Schwabens Handwerkskammer-Präsident Hans-Peter Rauch beim Frühlingsempfang der schwäbischen Handwerkskammer am Donnerstagabend in Augsburg. Doch wie bei anderen Vertretern der Branche kommt bei ihm schnell Wut zum Vorschein. Die Repräsentanten des Handwerks sind entsetzt über Brüsseler Pläne, eine aus ihrer Sicht weitere Attacke auf den deutschen Meisterbrief zu führen. Diese Qualifikation ist ein Heiligtum des Handwerks. So gibt es insgesamt in Deutschland noch 41 Berufe, bei denen innerhalb eines Unternehmens, das gegründet wird, einer den Meisterbrief haben muss, damit die Firma geführt werden darf.
Ist der Meisterbrief ein Relikt aus dem Mittelalter?
Kritiker sprechen hier von einem zünftischen Relikt aus dem Mittelalter, um den deutschen Markt gegenüber ausländischen Konkurrenten abzuschotten. Nach der Lesart werden durch die Barriere Unternehmensgründungen erschwert, was insgesamt Arbeitsplätze koste. Diese Argumentation führte im Jahr 2004 unter Regie einer rot-grünen Bundesregierung zur Novellierung der Handwerksordnung. So verloren viele Berufe den Meisterstatus.
Der Meisterbrief ist hier also nicht mehr erforderlich, um eine Firma zu gründen und zu führen. Darunter fallen neben Gold- und Silberschmieden, Schuhmachern oder Buchbindern auch Fliesenleger. Gerade die Entwicklung des Fliesenlegerberufes führen heimische Handwerksvertreter gerne an, wenn sie sich Brüsseler Attacken zur weiteren Aushöhlung des Meisterbriefs erwehren wollen. Oft und genüsslich erzählen sie dann ein Beispiel aus Bayern. Denn beim Neubau des Versorgungszentrums der Justizvollzugsanstalt Aichach sind nach dem Ermittlungsstand von einer spanischen Firma Fliesen zum Teil hohl und bucklig verlegt worden. Es ist von einem gigantischen Pfusch die Rede. In vertraulichen Gesprächen sagen Handwerker dazu natürlich: Mit einem heimischen Meisterbetrieb, der für Qualifikation, gute Ausbildung und Qualität stehe, wäre das nicht passiert.
Der Aichacher Skandal scheint sich aber nicht bis zu EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska herumgesprochen zu haben. Denn die Polin gilt unter deutschen Handwerksvertreten als Hauptangreiferin auf den heimischen Meisterbrief, um Firmen aus ihrem Land den Marktzugang in Deutschland zu erleichtern. Polnische Fliesenleger sind bekanntlich auch in Bayern enorm aktiv. Elektrotechniker, Installateure, Heizungsbauer, Zimmerer, Dachdecker oder Gerüstbauer aus dem deutschen Nachbarland tun sich jedoch schwerer, in Deutschland Aufträge zu bekommen. All diese Berufe sind durch den Meisterbrief geschützt. Nach früheren Attacken auf die deutsche Qualitätsbastion schlägt die EU-Kommission nun einen anderen Weg ein. Die Verantwortlichen in Brüssel haben nach Informationen unserer Zeitung verstanden, dass sie den Meisterbrief nur durch die Hintertür torpedieren können. Weil Bildung Ländersache ist, sind die EU-Funktionäre nicht in der Lage, den Meisterbrief frontal anzugehen. Sie wissen auch, dass Kanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer den Stolz des Handwerks mit aller Macht verteidigen. So haben die Brüsseler Angreifer den Umweg über den für Europa geltenden Binnenmarkt gewählt, der auch auf der Säule der Dienstleistungsfreiheit fußt. CSU-Europa-Abgeordneter Markus Ferber ist alarmiert: „Es besteht die Gefahr, dass das deutsche Meisterprinzip ausgehöhlt wird“, sagt er unserer Zeitung.
In Zukunft Plastikkarte statt Meisterbrief?
Das könnte so funktionieren: Die EU-Kommission will eine Dienstleistungskarte einführen. Ein polnischer Installateur, der in Deutschland arbeiten will, müsste mit einer Plastikkarte, auf der Informationen über ihn und seine Firma gespeichert sind, zu einer Handwerkskammer gehen. Dort würde überprüft, ob er trotz fehlenden Meisterbriefs die nötigen Qualifikationen erfüllt. Nach den Brüsseler Plänen hätten die Experten der Kammer dafür bis zu 14 Tage Zeit. Wenn die Kammer zustimmt, aber auch wenn sie in dem Zeitraum mit der Prüfung nicht fertig wird, könnte der Pole in Deutschland arbeiten. Letzteres könnte häufiger passieren, dürften doch der polnischen Sprache mächtige Experten bei den Kammern eher die Ausnahme sein. Genau darauf gehen die Ängste deutscher Handwerker zurück. Sie befürchten Billig-Konkurrenz durch das von der EU geöffnete Schlupfloch.
Schwabens Handwerkskammer-Chef Rauch spricht deshalb davon, dass „uns die Europäische Union nicht nur einen Nerv, sondern ganze Nervenstränge gekostet hat“. Brüssel greife das Handwerk am Herzen an. Rauch führte zu dem Thema in Brüssel ein Gespräch mit dem deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger. Die Diskussion verlief durchaus kontrovers, heißt es.
Dabei verstehen Mitglieder der EU-Kommission die Aufregung in Deutschland nicht. EU-Kommissions-Vize Jyrki Katainen beteuert etwa: „Der Meisterbrief wird nicht angetastet.“ Das stimmt aber aus Sicht von deutschen Handwerkern nur insofern, als dass Brüssel keinen direkten Angriff auf die Qualifikationshürde plant. Indirekt sieht die Sache wohl anders aus.
Die Diskussion ist geschlossen.
Schön, dass sich da völlig unerwartet so viele Regulierungsbefürworter melden, nachdem man sonst Brüssel immer eine weit überzogene Regulierungswut unterstellt. Wer zwingt eigentlich deutsche Auftraggeber, private oder staatliche, Aufträge an z. B. suspekte polnische Firmen, die oft mit dubiosen Werkverträgen und zig Subunternehmen arbeiten, zu vergeben?
"Gleiches Recht" für alle in Europa !
Wieso sollen sich nur Milchbauern/Landwirte & Co., und andere Unternehmen sich dem Europäischen Mark/Wettbewerb stellen.
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Meisterhaft ?
Was macht der Flughafen "Berlin-Schönfeld", habe gelesen die 6,5 Mrd. EUR wurde schon überschritten ....... Made in Gemany ..... ihre Handwerkskammer ?
Bei solchen Entscheidungen ist es kein Wunder, wenn die EU immer weniger Zustimmung bekommt. Gerade im Handwerk ist es enorm wichtig, das man sich auf die Qualität der Firmen verlassen kann. Auch da gibt es noch Murks genug, da brauchts keine Ausländer noch dazu um den Murks zu steigern.
Brüssel kann doch machen was es will. Es wird mit Ausnahme von Großbritannien auf absehbare Zeit immer Mehrheiten geben, die diesen (Sau-)Haufen unterstützt. Leider kann man es nicht freundlicher formulieren.