„Ich empfehle, so oft es geht, mit Karte zu bezahlen“
Als Geschäftsführer des Bankenverbandes ist Michael Kemmer ein Mann vom Fach. Im Interview verrät er, warum ihm die Griechenland-Krise bisher keinen allzu großen Kummer bereitet.
Wenn ein Land seine Banken und die Börse schließt, Herr Kemmer – ist das nur eine Vorsichtsmaßnahme oder schon blanke Panik?
Kemmer: Es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Denn die politische Unsicherheit hat dazu geführt, dass die griechischen Bürger in einer Art Misstrauensvotum am Geldautomaten ihre Euros von der Bank geholt haben. Ein Ansturm der Bürger auf die Banken würde nun dazu führen, dass den Geldinstituten schlicht und ergreifend das Bargeld ausgeht und die Existenz einzelner Banken gefährdet sein könnte. Zudem soll mit den nun auferlegten Kontrollen eine panikartige Flucht von Kapital ins Ausland verhindert werden, die in einer sich selbst beschleunigenden Abwärtsspirale münden könnte.
Viele Geldautomaten waren am Wochenende bereits leer, nun kann jeder Grieche 60 Euro am Tag abheben und jeder Tourist, soviel er will. Geht den Banken in Griechenland nicht allmählich das Bargeld aus?
Kemmer: Mit den nun verhängten Kapitalverkehrskontrollen soll ja gerade vermieden werden, dass den Banken das Geld ausgeht. Wichtig für Griechenland-Urlauber ist derzeit, dass sie an den Geldautomaten in ihrem Verfügungsrahmen weiterhin Bargeld abheben können. Allerdings dürften nicht alle Geldautomaten noch voll befüllt sein. Deshalb empfiehlt es sich, sooft es geht, mit Karte zu bezahlen. Das geht nach wie vor in Restaurants, Hotels, Bars und Geschäften, die die entsprechenden Kreditkarten oder Bankkarten wie die Girocard akzeptieren, die frühere EC-Karte. Ansonsten gilt: Es sollte ausreichend Bargeld von zu Hause mitgenommen werden, möglichst in kleiner Stückelung von 50 Euro und kleiner.
Wie sehr lähmt die Kontrolle des Kapitalverkehrs eigentlich die stark von Importen abhängige griechische Wirtschaft? Angeblich muss ja jede Auslandsüberweisung genehmigt werden.
Kemmer: Klar ist: Die mit Kapitalverkehrskontrollen einhergehenden Beschränkungen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr können den Handel mit Griechenland kurzfristig beeinträchtigen. Details bleiben abzuwarten. Um diese Belastungen so gering wie möglich zu halten, hat die Regierung Ausnahmemöglichkeiten für Zahlungen ans Ausland zugelassen. Außerdem hat die EU-Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beschränkungen nur so kurz wie möglich gelten sollten. Zypern mag da als Blaupause dienen. Hier wurden die im Frühjahr 2013 eingeführten Kapitalverkehrskontrollen in mehreren Einzelschritten bis Anfang 2015 behutsam zurückgeführt.
Der Dax hat am Montag zum Auftakt mehr als vier Prozent verloren. Was macht Sie so sicher, dass die Finanzmärkte auch einen Staatsbankrott ohne größere Blessuren überstehen?
Kemmer: Ein möglicher Zahlungsausfall Griechenlands käme nicht völlig unerwartet. Mit Blick darauf haben viele Akteure bereits ihre Risikopositionen reduziert. Auch die anfänglichen Kursverluste an den europäischen Aktienmärkten haben sich im Handelsverlauf schon wieder spürbar abgeschwächt. Ganz generell darf nicht übersehen werden, dass die griechische Wirtschaft einen Anteil von weniger als zwei Prozent an der gesamten Wirtschaftsleistung des Euroraums hat.
Welche Brandmauern hat die Finanzwelt denn eingezogen, um ein Übergreifen zu verhindern?
Kemmer: Die zu Beginn der Staatsschuldenkrise möglichen Ansteckungseffekte auf andere Eurostaaten sind heute nicht mehr zu befürchten. Als Brandmauern wirken zahlreiche institutionelle Verbesserungen wie der Europäische Stabilitätsmechanismus als gemeinsamer finanzieller Risikopuffer. Aber auch die Europäische Zentralbank kann handeln, sollte sie die Währungsunion systemisch gefährdet sehen. Dafür kann sie entweder mit dem OMT-Programm reagieren, das den Aufkauf von Staatsanleihen einzelner Euro-Staaten vorsieht. Oder sie kann das laufende Aufkaufprogramm von Staatsanleihen passgenau ändern und es vorübergehend aufstocken. Außerdem darf nicht übersehen werden: Die übrigen Eurostaaten, die finanzielle Hilfen erhalten haben, haben überzeugende Wirtschaftsreformen umgesetzt. In diesen Ländern zieht die Konjunktur inzwischen wieder an und die Arbeitslosigkeit sinkt.
Den größten Teil des Ausfallrisikos trägt im Moment der deutsche Steuerzahler. Mit welchen Summen steht Griechenland eigentlich bei den deutschen Banken in der Kreide?
Kemmer: Das Engagement deutscher Banken in Griechenland ist gering und wurde zuletzt weiter zurückgefahren. Derzeit liegt es bei unter vier Milliarden Euro. Der Großteil davon entfällt auf Forderungen an Unternehmen. Insgesamt wies die Bundesbank im Februar 2015 Forderungen gegenüber Griechenland von 19,1 Milliarden Euro aus – davon allerdings gut 15 Milliarden als Hilfskredite der Bundesrepublik, die durch die bundeseigene KfW-Bank weitergeleitet wurden.
Als Argentinien in die Pleite schlitterte, ließ ein Hedgefonds sogar ein Schiff beschlagnahmen, um wenigstens einen Teil seiner Forderungen einzutreiben. Wie kommen Griechenlands Gläubiger im Falle eines Falles denn an Geld?
Kemmer: Dies kann nicht pauschal beantwortet werden. Es ist eine Frage des Einzelfalls, die unter anderem davon abhängt, welche Gerichtsstands- vereinbart wurde.
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