In vier Schritten zur Drachme: So könnte der Grexit ablaufen
Griechenland ist pleite und lehnt die geforderten Reformen ab. Der Austritt aus der Eurozone rückt damit näher. Ein Finanzexperte erklärt, wie der "Grexit" ablaufen könnte.
Der Geldautomat rückt keine Banknoten heraus, Löhne werden mit Schuldscheinen bezahlt und Griechenland verlässt die Eurozone. Ist dieses Szenario möglich? „Auf jeden Fall“ sagt Finanzexperte Professor Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanz-Zentrum. Und wenn die griechischen Politiker so weitermachen wie bisher, sei der Grexit – der Austritt Griechenlands aus der Eurozone – unumgänglich. Nachdem eine Mehrheit der Griechen bei der Volksabstimmung am Sonntag gegen die Sparvorgaben der Gläubiger gestimmt hat, ist eine neue Runde in der Griechenland-Krise eröffnet.
1. Letzte Chance
Weitere Verhandlungen Die europäischen Staats- und Regierungschefs verhandeln weiter mit der griechischen Regierung. Ein Schuldenaufschub oder -erlass sowie weitere Notkredite wären möglich, damit Griechenland zahlungsfähig bleibt. Finanzfachmann Gerke würde eine solche finanzielle Unterstützung aber für einen großen Fehler halten. „Andere Staaten wie Italien oder Spanien hatten auch Probleme und halten sich an den vorgegebenen Sparkurs. Für solche Länder wäre das ein falsches Signal.“ In Europa denken viele Staats- und Regierungschefs ähnlich. Deshalb ist nicht sicher, dass nochmals verhandelt wird. Was aber würde dann passieren?
2. Bankrott: Die EZB dreht den Geldhahn zu
Griechenlands Banken bekommen derzeit Nothilfen von der Europäischen Zentralbank. Seit Monaten sind Ela-Notkredite (Emergency Liquidity Assistance) ihre einzige Geldquelle. Die Bürger dürfen täglich nur 60 Euro am Geldautomaten abheben. Ohne neue Verhandlungen mit den Geldgebern fehlt für Nothilfen aber prinzipiell die Basis. Der Stopp der Nothilfen käme einem Bankrott Griechenlands gleich. „Das Land ist schon jetzt pleite und lebt von den Bürgschaften der Europäischen Zentralbank“, macht Gerke deutlich. Folge: Griechische Banken wären zahlungsunfähig, aus den Geldautomaten kämen keine Banknoten mehr heraus, Firmen würden für staatliche Aufträge kein Geld mehr erhalten, Angestellte im öffentlichen Dienst müssten auf Gehälter verzichten und Renten könnten nicht ausbezahlt werden. Wirtschaftliches Chaos und soziale Unruhen wären die Folge.
3. Griechenland gibt Schuldscheine heraus
Der Ausweg könnten Schuldscheine sein, um das Chaos zu vermeiden. Fachleute sprechen von „IOUs“ – aus dem Englischen „I owe you“, „Ich schulde Ihnen“. Sie sind ein Versprechen eines Schuldners auf eine spätere Zahlung. „Jede Euro-Banknote ist quasi ein Schuldschein“, sagt Gerke. Griechenland könnte Schuldscheine ausgeben, um Löhne und Renten zu überweisen. So könnte die griechische Regierung Zeit überbrücken, bis sie wieder Bargeld zur Verfügung hat oder eine eigene Währung einführt. Nur haben Euro-Scheine ein anderes Gewicht als Schuldscheine der Regierung in Athen. Holger Schmieding von der Berenberg Bank sieht deshalb Probleme, da Geld auf Vertrauen basiert. In eine von der jetzigen Regierung ausgegebene Parallelwährung hätten die Menschen seiner Meinung nach überhaupt kein Vertrauen. In seinem Schuldschein-Szenario liefe es folgendermaßen: Die Regierung zahlt in der Parallelwährung IOU. Ein Rentner, der bislang 500 Euro im Monat bekommt, erhielte dann zwar auf dem Papier 500 IOU. Beim Einkaufen allerdings dürfte er für dieses Papier nur Waren im Gegenwert von 100 oder 150 Euro bekommen. Wer keine Euro habe, müsse in Zukunft viel mehr für Waren zahlen. Viele Griechen würden in kürzester Zeit verarmen.
4. Der Austritt aus der Eurozone
Letzten Endes ist deswegen für den Finanzexperten Gerke der Austritt aus der Eurozone wahrscheinlich. Zwar ist das Ausscheiden aus der Gemeinschaftswährung in den europäischen Verträgen nicht vorgesehen, laut Gerke aber ein faktischer Zwang: „Wenn Griechenland nicht mehr in Euro zahlen kann, muss die Regierung eine neue Währung einführen.“ Nur so könne sie wieder Bargeld in Umlauf bringen und Rechnungen bezahlen. Der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, rät Griechenland bereits ab sofort zur Rückkehr zu einer virtuellen Drachme. Für Bargeschäfte sollten griechische Bürger Euro-Banknoten nutzen, sonst aber die Drachme. Da die Parallelwährung rasch abwerten würde, käme es laut Sinn nach ein bis zwei Jahren zu einem kräftigen Wirtschaftsaufschwung. Der Tourismus würde gestärkt, Griechenland könnte mehr exportieren, da seine Produkte im Ausland billiger werden. Doch auch mit der neuen Währung würden laut Finanzfachmann Gerke auf alle Beteiligten hohe Kosten zukommen: Die EU-Staaten hätten finanzielle Verluste in Milliardenhöhe zu tragen und die griechischen Bürger würden kurzfristig sehr heftig leiden.
Egal, welches Szenario am Ende Realität wird, eines ist für Gerke sicher: „Griechenland beschäftigt uns noch die nächsten zehn Jahre, denn das Land sitzt auf einem riesigen Schuldenberg.“ (mit afp)
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