Kommt jetzt der Börsencrash, Herr Müller?
Dirk Müller alias „Mister Dax“ erklärt den Einbruch an Chinas Märkten und warnt vor schlimmen Folgen. Und er sagt, welches Mittel als einziges dem Anleger jetzt hilft
Herr Müller, Sie waren jahrelang das Gesicht der Frankfurter Börse. Bekommt man es an Tagen wie diesen nicht mit der Angst zu tun? In China brechen die Börsen ein, der Dax hat in den letzten Tagen rund 1000 Punkte verloren.
Dirk Müller: Angst ist nie ein guter Ratgeber. An der Börse darf man sie auch nicht haben. Respekt vor dem Markt aber gehört immer dazu. Und Demut, da man nie weiß, was als Nächstes kommt. Angst ist es also nicht, aber die Situation ist sicher eine außergewöhnliche.
Steht uns denn ein massiver Börsencrash bevor?
Müller: Die Gefahr ist gegeben. Das muss man einkalkulieren. Einen Börsencrash erwarte ich ohnehin. Die Frage ist nicht, ob er kommt, sondern wann er kommt. Es kann sein, dass er bereits begonnen hat. Es kann aber auch sein, dass wir ein Vorbeben erleben und ein, zwei Jahre Zeit haben. Ich muss aber zugeben, dass die Einschläge näherkommen.
Das klingt dramatisch. Was sind die Gründe für das Beben?
Müller: Die Zusammenhänge sind klar. Das kommt nicht aus heiterem Himmel. Wer sich nicht laufend mit dem Problem beschäftigt, kann sicher denken, dass in China alles toll ist. Wer aber hinter die Kulissen schaut, sieht, dass die Welt anders ist. Die Daten aus China sind das Papier nicht wert, auf denen sie stehen. Da stimmt nichts. Im Boom spielt das keine Rolle, interessant wird es aber, wenn die Situation kippt. Im Leben nicht gibt es dort über sechs Prozent Wachstum. Wenn es in Wirklichkeit drei sind, ist es viel. In China hat sich über 20 Jahre ein Boom aufgebaut. Es floss unglaublich viel Kapital aus aller Welt in das Land. In jedem Boom kommen aber Fehlentwicklungen zustande. In China gibt es heute ganze Städte, in denen praktisch niemand wohnt. In der Stadt New Ordos beispielsweise kommen auf neue Wohnungen für eine Million Menschen gerade etwa 20000 Einwohner. Das kann im Boom funktionieren, wenn der Wert der Wohnungen auch ohne Mieter immer weiter steigt. Aber wenn der Boom endet, bricht das Modell zusammen.
Bereits nach dem Börseneinbruch im Sommer 2015 griff Chinas Regierung massiv in die Märkte ein. Ist jetzt der Punkt erreicht, wo die Kontrolle entgleitet?
Müller: China hatte noch nie die Kontrolle über den Markt. Das ist doch das irrsinnige Missverständnis. Wir wissen es hierzulande eigentlich besser. Volkswirtschaften sind viel zu komplex, als dass sie ein kommunistisches Zentralkomitee steuern könnte. Wir wissen, dass nur das freie Spiel von Angebot und Nachfrage die Märkte im Gleichgewicht hält. Warum sollte das in China anders sein? Warum sollte ein Zentralkomitee in der Lage sein, eines der komplexesten Länder der Erde aus Peking heraus zu steuern? Im Boom können Sie Affen in die Regierung setzen und diese können nichts falsch machen. Doch wenn der Boom endet, zeigt sich, was man angerichtet hat.
Was ist angerichtet worden?
Müller: Ich warne seit geraumer Zeit davor, dass Geld aus China abgezogen wird. Seit einem Jahr sinken die Währungsreserven. Was in China passiert ist, zeigt ein Vergleich mit einem Spielcasino: Wenn Sie ins Casino gehen, bringen Sie Euro mit und tauschen Sie in Plastikchips. Dann spielen Sie und gewinnen. Wenn Sie beim Verlassen die Chips aber zurück in Euro tauschen, wird es eng fürs Casino. Das passiert gerade in China. Investoren haben über 20 Jahre Billionen Dollar, Yen und Euro nach China gebracht und in Yuan getauscht. Jetzt verkaufen die Investoren ihre Anlagen, tauschen Yuan gegen Dollar und ziehen sich zurück. In China schmelzen die Währungsreserven wie Schnee in der Sonne – alleine im Dezember um 108 Milliarden Dollar. Über eine halbe Billion Dollar haben in den letzten zwölf Monaten China verlassen. Die großen Ratten verlassen das sinkende Schiff. Wenn das nicht schnell gedreht wird, bricht China zusammen.
Zusammenbruch – was heißt das?
Müller: Wenn nichts passiert, kommt der Crash. Bricht die chinesische Wirtschaft ein, steht China vor einem Bürgerkrieg. China ist ein Pulverfass der Ethnien, der sozialen Spannungen. Der Freiheitsdrang ist groß. Das alles wird nur durch das Wirtschaftswachstum unter dem Deckel gehalten.
Was Sie beschreiben, das klingt beängstigend. Ist dieser Crash denn unausweichlich?
Müller: Ich denke, es wird so kommen, die Frage ist nur, wann. Wichtig ist: Es können zu jedem Zeitpunkt Maßnahmen ergriffen werden, die das Ganze drehen und ein, zwei Jahre Zeit gewinnen. Noch hat Chinas Regierung über drei Billionen Dollar Devisenreserven, die sie für neue, verrückte Konjunkturprogramme nutzen kann, um den Boom zurückzubringen. Auch die Notenbanken können jederzeit aktiv werden. Deshalb ist es wichtig, die Risiken zu kennen, aber mit kühlem Kopf zu agieren. Die negativen Entwicklungen können auch noch in weiter Ferne liegen.
Wie sehr kann eine China-Krise den Dax-Unternehmen schaden?
Müller: Deutsche Unternehmen sind eng mit China verbunden, das Kritische aber ist der Domino-Effekt. Wenn Chinas Wirtschaft massiv zurückgeht, haben alle Probleme, auch die USA. Derzeit verlassen so viele leere Container Amerikas Häfen Richtung Asien wie seit 2009 nicht mehr. Eine Eintrübung in den USA wirkt auch auf Deutschland zurück.
Wie soll sich der Anleger in dieser Situation verhalten?
Müller: Wichtig ist immer eine Absicherung gegen Kurseinbrüche, das ist das Einzige, was ich den Anlegern selbst empfehlen kann. Ich und der von uns aufgelegte Fonds haben natürlich in die starken, erfolgreichen Unternehmen Europas und der USA investiert, haben unser Depot aber gegen Kurseinbrüche abgesichert. Was derzeit passiert, trifft uns deshalb nur am Rande.
Sind Aktien überhaupt noch das Richtige? Oder sind nun Gold oder Anleihen die Alternative?
Müller: Um Gottes willen! Beim Gold gehe ich noch mit. Gold ist etwas zum Anfassen – und ich rate, 10 bis 20 Prozent Edelmetalle als Anlage zu besitzen. Doch bei Anleihen gibt es eine Blase. Die Anleihenblase ist die größte, die wir je hatten.
Haben Sie denn eine Dax-Prognose für 2016 wie viele Banken auch?
Müller: Ich halte diese Prognosen für Quatsch. In einem Szenario schließt der Dax unter 8000 Punkten, in einem anderen bei 12000. Wer aber kann sagen, welches Szenario am Ende Wirklichkeit wird? Das zu prognostizieren ist völlig unmöglich.
Zur Person Dirk Müller, 47, ist Finanzexperte und Autor, an der Börse war er ab 1992 als amtlich vereidigter Kursmakler tätig. Seine Arbeit trug ihm den Spitznamen „Mr. Dax“ ein. Müller schrieb die Bestseller „Crashkurs“ über die Finanzkrise (2009) und „Cashkurs“ (2011).
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Dieser seltsame "Mr. Dax" hat mich noch nie überzeugt. Was ist schon wenn die Börsen mal um 10%-20% einbrechen? Ist das schon ein Crash? Egal. Zumindest tun sich für den der etwas langfristig denkt ganz gute Einstiegs- bzw. Nachkaufchancen auf.
Ein Grund mehr dass die Zentralbanken den Markt mit Geld fluten.
Die Zentalbanken von Japan & China kaufen aktiv Aktien an ihren Börse, bald wohl auch in den USA & Europa, gängiges Geschäftsmodell ... ?