Milchpreis: Wenn Melken zum Verlustgeschäft wird
Die Milchpreise sind im Keller. Das mag Verbraucher freuen, aber Erzeuger aus ganz Deutschland protestieren in Bayern. Warum ihre Wut diesmal besonders groß ist.
Der Discounter Aldi Süd hat vorgelegt. Vor einigen Wochen senkte er den Preis für die Packung Butter auf 79 Cent, auch Milch und Sahne wurden billiger. Und wenn es eine Regel im Lebensmitteleinzelhandel gibt, dann die: Wenn Aldi die Preise senkt, zieht die Konkurrenz nach. Manche Kunden dürften sich darüber freuen. Doch nur fünf Autominuten von der Aldi-Filiale in Dasing im Kreis Aichach-Friedberg entfernt ist die Schattenseite der billigen Milch zu sehen.
Der Hof von Johann Breitsameter liegt idyllisch am Ortsrand. Von hier aus sieht man auf eine sanfte Hügellandschaft, durchsetzt mit Feldern und Wäldern. Blumen säumen die Häuser, in der Mitte des Hofes steht ein riesiger Nussbaum.
Stolz zeigt der 52-Jährige seinen modernisierten Kuhstall. Der Stall ist ringsum offen, durch die Dachfenster fällt Sonnenlicht. Die 60 Kühe haben viel Platz und Stroh auf dem Boden. Selbst eine Kuh-Dusche baute Breitsameter ein – in den heißen Sommermonaten der Renner bei den Tieren.
Breitsameter lebt ausschließlich von der Milch. Sein Beruf macht ihm Spaß, sagt er. Doch mittlerweile arbeitet er zu einem Stundenlohn, der weit unter dem gesetzlichen Minimum von 8,50 Euro liegt. Ganz abgesehen von den mehreren hunderttausend Euro, die er vor vier Jahren in den Stall investiert hat.
Seit eineinhalb Jahren sinkt der Milchpreis
Seit etwa eineinhalb Jahren sinkt der Milchpreis beständig. Noch Anfang 2014 erhielten bayerische Landwirte etwa 41 Cent pro Kilo Milch, jetzt sind es teilweise weniger als 30 Cent. Wie der Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM) errechnet hat, können Betriebe ab einem Preis von etwa 45 Cent kostendeckend arbeiten.
Breitsameter reicht es. Deswegen will der Landwirt am Dienstag seinem Ärger Luft machen – zusammen mit anderen Bauern. Seit mehreren Tagen sind Landwirte aus ganz Deutschland mit ihren Traktoren Richtung Bayern unterwegs, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen.
Die Abschlusskundgebung findet in München statt, weil der BDM Druck auf Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) machen will – und auf dessen Parteikollegen, Bundesagrarminister Christian Schmidt. Auf die CSU-Politiker sind die BDM-Mitglieder gar nicht gut zu sprechen. Schmidt werfen sie vor, den Ernst der Lage zu ignorieren.
Erst ab 21 Cent pro Kilo Milch hilft der Staat
Dass der Milchpreis immer wieder fällt, ist für die Bauern nichts Neues. Doch seit der Abschaffung der europaweiten Milchquote am 1. April haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Seither können die Erzeuger so viel Milch produzieren, wie sie wollen.
Staatliche Hilfe erhalten die Bauern erst, wenn der Preis auf etwa 21 Cent fällt. Der BDM fordert deshalb ein Sicherheitsnetz, das bei extrem niedrigen Preisen greift. In diesem Fall sollte der Staat den Landwirten verbieten, mehr als eine bestimmte Menge Milch zu produzieren. Also eine zeitlich befristete Quote.
BDM-Sprecher Hans Foldenauer sieht das Problem in der weltweiten Überproduktion. In der EU sei die produzierte Menge beständig gewachsen. Der Export, etwa nach China, habe sich aber nicht wie gehofft entwickelt. Zudem setze jetzt so etwas wie ein Teufelskreis ein: Viele Betriebe produzieren mehr, damit ihr Umsatz trotz niedriger Preise gleich bleibt. Weil dann immer mehr Milch auf den Markt kommt, fallen die Preise weiter.
Doch es gibt Zweifel, ob die vom BDM geforderte Mengenbegrenzung eine Krise wie die derzeitige wirklich lösen kann. Eine Studie, die die sechs Länderagrarminister der Grünen erstellen ließen, kommt zu dem Schluss, dass eine Mengenbegrenzung kaum wirksam sein dürfte.
Andere Vorschläge für den Krisenfall formuliert der Bauernverband, der genauso wie der BDM Milchbauern vertritt. Er fordert, dass die Erzeuger bei Betriebsgewinn einen Teil steuerfrei zurücklegen können. Damit können sie sich ein Reservepolster für harte Zeiten schaffen.
Der Bauernverband sieht das größte Problem im Preiskampf, der im Lebensmitteleinzelhandel herrscht. Deswegen protestieren die Mitglieder des Bauernverbands derzeit vor den Filialen der Discounter. Ein erster Erfolg scheint sich abzuzeichnen. Lidl hat sich am Freitag bereit erklärt, die Einkaufspreise für Milch nicht weiter zu senken. Eine Reaktion von Aldi fehlt bislang.
Steigen dürften die Erzeugerpreise deswegen aber nicht – höchstens nicht weiter fallen. Mit Folgen, wie Milchbauer Johann Breitsameter sagt. Er schätzt, dass einige andere Höfe bald aufhören werden – hier, unweit der Aldi-Filiale in Dasing.
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