Mit dem Chef in die Sparfalle
Berufseinsteiger stehen oft vor der Frage, ob sie eine Direktversicherung vom Arbeitgeber als Altersvorsorge abschließen sollen. Dabei hat dieses Modell auch seine Tücken.
Die Großeltern und Eltern hatten noch Glück. Sie gehören zu den rund 15 Millionen Beschäftigten in Deutschland, denen die Firma großzügige Betriebsrenten spendierte. Junge Arbeitnehmer müssen sich nun selbst um ein Finanzpolster fürs Alter kümmern. Doch mehr als eine Direktversicherung haben viele Firmen heute nicht mehr zu bieten. Und selbst da stellt sich die Frage: Ist das sinnvoll für Jobeinsteiger?
Eher nicht, winkt Georg Plötz, Altersvorsorgespezialist der Verbraucherzentrale Bayern, ab. Grundsätzlich zahle sich die Direktversicherung nur aus, wenn der Chef ordentlich etwas beisteuere. Ein Zuschuss von mindestens 20 Prozent ist notwendig, damit sich die Investition für den Arbeitnehmer am Ende rechnen kann, sind die Experten der Verbraucherzentrale überzeugt. „Wenn nur der Beschäftigte allein zahlt, wird es häufig ein Minusgeschäft“, betont Plötz. Wer einen Vertrag vom Chef vorgelegt bekomme, sollte ihn in jedem Fall nicht blind unterschreiben, rät Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Auch Eva Müller, 26 Jahre alt, überlegt. Nach dem Studium hat sie ihre erste feste Stelle in einem Versandhandel in München angetreten. Mit dem Arbeitsvertrag bekommt sie die Chance, über den Betrieb mithilfe einer Direktversicherung fürs Alter zu sparen. Wie in den meisten Fällen üblich, soll Eva eine klassische Lebensversicherung mit Kapitalgarantie abschließen.
Seit 2002 haben Arbeitnehmer das Recht auf betriebliche Altersvorsorge. Jeder Beschäftigte kann vier Prozent seines sozialversicherungspflichtigen Bruttogehalts durch eine Entgeltumwandlung in einen Vertrag investieren - und zwar noch bevor er darauf Steuern und Sozialabgaben zahlen muss. Auch der Arbeitgeber hat Vorteile, weil er sich seinen Anteil an den Sozialabgaben erspart. Derzeit werden Einzahlungen bis zu 4488 Euro im Jahr vom Staat gefördert.
Doch der Vorteil bei der Einzahlung schmilzt mitunter schnell. Ob sich die Direktversicherung über den Boss rentiert, hängt unter anderem davon ab, welchen Vertrag er ausgehandelt hat. Eine Direktversicherung mit schlechten Konditionen bringt bei 100 Euro Monatsbeitrag über 20 Jahre gut 4000 Euro weniger ein als eine gute Police, hat die Stiftung Warentest errechnet. Die Unterschiede der Produkte am Markt sind immens. Größere Firmen haben meist günstige Rabattverträge mit großen Versicherungsgesellschaften wie Allianz, Axa & Co. ausgehandelt. Aber wie sollen junge Leute wie Eva Müller abschätzen können, was rentabel ist?
„Schießt der Arbeitgeber nicht mindestens das zu, was er sich durch den Wegfall der Sozialabgaben erspart hat, ist die Rechnung für den Mitarbeiter von vornherein uninteressant“, betont Verbraucherschützer Plötz. Sein Tipp: Wer ein Gefühl dafür kriegen will, wie teuer ihn die Betriebsrente kommt, sollte sich vom Chef den garantierten Übertragungswert als Prognose geben lassen. „Ist der nach fünf Jahren noch nicht im Positiven, ist die Direktversicherung unrentabel.“
Von Nachteil ist auch, dass die Entgeltumwandlung den späteren Rentenanspruch schmälert. Weil Arbeitnehmer über Jahrzehnte hinweg einen Teil ihres Bruttogehalts in die Direktversicherung stecken und erst danach die Rentenversicherungsbeiträge vom Lohn abgezogen werden, zahlen sie weniger in die Rentenkasse ein. Die größte Tücke aber taucht erst zu Rentenbeginn auf. „Das ist brutal, was da auf die Leute zukommt“, sagt Plötz. Die Krankenkasse hält dann die Hand auf: Gesetzlich Versicherte müssen auf ihre Betriebsrente den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag zahlen. Derzeit macht die Einbuße fast ein Fünftel aus. In jedem Fall kriegen Versicherte tausende Euro weniger heraus als erhofft. Dazu kommt: Jeder, der ab 2040 in Rente geht, muss seine Alterseinkünfte zu hundert Prozent versteuern. „Wer sich einen Einmalbetrag auszahlen lässt, kann damit konfrontiert sein, dass die Hälfte davon weg ist“, sagt Plötz.
Und: Sollte Eva sich für die Direktversicherung über ihre Firma entscheiden, muss ihr klar sein, dass sie den Vertrag nicht kündigen kann. Auch dann nicht, wenn sie finanziell in Not gerät oder während einer Babypause kein Einkommen hat. Es ist nur eine Beitragsfreistellung möglich, die am Ertrag nagt. Erst im Rentenalter kann der Kunde an sein Geld. „Junge Frauen sollten eine Entscheidung auch von ihrer Familienplanung abhängig machen“, betont Weidenbach. Auch beim Jobwechsel kann der Vertrag nicht ohne Einbußen beim neuen Arbeitgeber weitergeführt werden. Dieser muss nur das Guthaben übernehmen, frühere Rabatte oder niedrige Gebühren aber nicht.
„Wir raten jungen Leuten meist ab, sich mit einer Direktversicherung auf Jahrzehnte zu binden“, sagt Experte Plötz. Auch Eva Müller hat sich dagegen entschieden - weil ihr Arbeitgeber keinen Cent zuschießt und sie in spätestens drei Jahren den Job wechseln will. Privat sparen oder ein Riester-Banksparplan ist nach Ansicht der Verbraucherschützer die bessere Alternative, flexibler und oft sogar rentabler.
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