Nach NSA-Affäre: USA wollen Aufsicht über ICANN abgeben
Die US-Regierung hat angekündigt, ihre Aufsicht über die Internet-Verwaltung ICANN abzugeben. Ob das dem weltweiten Datenschutz hilft oder schadet ist noch unklar.
Die Regierung der USA zieht ihre Lehren aus der NSA-Affäre. Bisher lag die Aufsicht über die ICANN, die Institution, die unter anderem die Vergabe der Domain-Registrierungen im Internet verwaltet, in den Händen der USA. Das soll sich nun ändern. Die US-Regierung will nämlich die Kontrolle über die Internet-Verwaltung ICANN aufgeben. Mit allen Beteiligten solle ein Plan für den Übergang der Aufsicht ausgearbeitet werden, erklärte das US-Handelsministerium am späten Freitag (Ortszeit).
Internet-Verwaltung ICANN: Neue Aufsicht gesucht
Der Startschuss solle bei der am 23. März startenden ICANN-Konferenz in Singapur fallen, kündigte die Internet-Organisation an. Regierungen, die Privatwirtschaft und die Öffentlichkeit seien zur Teilnahme an dem Prozess eingeladen, erklärte ICANN-Chef Fadi Chehadé. Eine neue internationale Struktur solle bis September 2015 stehen, wenn der aktuelle Vertrag mit der US-Regierung ausläuft.
Die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) ist unter anderem für die Vergabe der übergeordneten Domainnamen wie ".com" zuständig. Das US-Handelsministerium hatte seit der ICANN-Gründung 1998 die Aufsicht über die Organisation. Schon seit längerer Zeit gab es Forderungen, dies zu ändern.
Ein Vorstoß Russlands und Chinas für stärkeren staatlichen Einfluss war noch 2012 unter anderem nach Druck der Internet-Wirtschaft abgewehrt worden. Nach dem Skandal um ausufernde Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA forderte jüngst aber auch die EU-Kommission eine Neuordnung der ICANN-Aufsicht. Die US-Regierung betonte jetzt, es sei von Beginn an geplant gewesen, dass ihre Aufseherrolle zeitlich beschränkt sein werde.
ICANN: USA ziehen sich nach NSA-Affäre zurück
In früheren Jahren wurde die US-Aufsicht über die ICANN oft als eine Garantie für die Freiheit im Netz gesehen. Unter anderem Internet-Konzerne wie Google warnten vor einer Staatskontrolle über das Internet. Allerdings hat sich das Verhältnis der amerikanischen Internet-Branche zu Washington nach den NSA-Enthüllungen drastisch abgekühlt. Erst vor wenigen Tagen rief Facebook-Gründer Mark Zuckerberg Präsident Barack Obama an, um sich über die Überwachungsaktionen zu beschweren.
Nach der Ankündigung von Freitag gab es allerdings auch mahnende Stimmen. So betonte der Präsident des Verbandes europäischer Telekom-Unternehmen ETNO, Luigi Gambardella, es müsse ein offener und transparenter Prozess mit Einbindung aller Beteiligten werden.
Der konservative frühere US-Parlamentssprecher Newt Gingrich äußerte sich klar kritisch. "Wer ist diese globale Internet-Community, der Obama das Internet übergeben will? Damit riskieren wir, dass ausländische Diktaturen das Internet prägen werden", schrieb er beim Kurznachrichtendienst Twitter.
EU zeigt sich zufrieden mit geplanter ICANN-Reform
Die für Digital-Politik zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes zeigte sich hingegen zufrieden. Dies sei schon lange ein politisches Ziel der EU gewesen. Die Kommission werde eng an der Übergangslösung mitarbeiten.
Die ICANN hat ihren Sitz in Kalifornien und ist eine nichtkommerzielle Organisation. Zu ihren Aufgaben gehört es, für die Funktionsfähigkeit des Internets zu sorgen und den technischen Rahmen für das Netz festzulegen. Zuletzt organisierte sie unter anderem den Übergang zur neuen Version des Internet-Protokolls IPv6, das mehr Sicherheit sowie Raum für neue Websites und Dienste schaffen soll.
Ein umstrittener Schritt war die Entscheidung zur Einführung Hunderter neuer übergeordneter Adressenendungen wie Städtenamen oder sogar ".hello". So wurde kritisiert, dies bringe vor allem Unternehmen hohe Kosten für die Anmeldung neuer Adressen und fülle auch die Kassen der ICANN. Erst kürzlich hatte Berlin mit der Registrierung der Domain .berlin für Aufsehen gesorgt. dpa/AZ
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