Nachwuchsmangel bei den Köchen: schlechte Bezahlung und Schichtarbeit
Kaum einer will mehr den Beruf des Kochs erlernen. Restaurants klagen, dass sie keine Auszubildenden finden. Warum? Darüber haben wir mit Andreas Kühner, 31, gesprochen.
Köche haben massive Nachwuchssorgen. Kürzlich sind deshalb hunderte von ihnen in Erfurt auf die Straße gegangen. Doch der Beruf ist viel besser als sein Ruf, sagt der Koch Andreas Kühner, 31, Geschäftsführer von Kühners Landhaus und Kühners Catering in Kissing.
Herr Kühner, Nachwuchsmangel bei Köchen, ist das wirklich ein Problem?
Kühner: Ja, ich finde es sehr wichtig, dass dieses Thema endlich offen diskutiert wird.
Bekommen Sie genug Bewerbungen?
Kühner: Wir haben jedes Jahr zwei bis drei Bewerbungen für die Ausbildung zum Koch und zwei bis drei zur Restaurantfachfrau, die die Gäste bedient. Mir erschien dies zuerst als relativ wenig. Wenn ich aber mit Kollegen spreche, können wir dankbar sein. Viele andere Restaurants auf dem Land haben größere Probleme, ihre Lehrstellen zu besetzen. Mit unserem Programm, das auf die Region setzt und die Bayerische Küche jeden Tag neu erfinden will, können wir gute Mitarbeiter gewinnen.
Sagen Sie, was schreckt junge Leute ab, Koch zu werden.
Kühner: Ein Grund ist die Bezahlung. In der klassischen Gastronomie ist die Marge unterdurchschnittlich. Ein massiver Punkt sind die Arbeitszeiten. Wir leben in einer Freizeit- und Spaßgesellschaft. Wir Köche aber arbeiten, wenn andere frei haben: Am Wochenende, an Feiertagen, abends, eben dann, wenn die Gäste essen gehen. Mit 15 oder 16 Jahren eine Entscheidung zu treffen, die einen ein Leben lang begleitet, ist zudem sicher nicht leicht.
Und der Stress ist auch nicht gering ...
Kühner: Die Rahmenbedingungen können stressig sein, weil die Gäste schubhaft kommen und nicht über den Tag verteilt, sondern mittags um 12 Uhr und abends um 7 Uhr. Dessen muss man sich bewusst sein.
Warum lohnt es sich trotzdem, den Beruf zu erlernen? Warum sind Sie beispielsweise Koch geworden?
Kühner: Ich stehe im Restaurant unserer Familie, seit ich 14 war. Das hat immer Spaß gemacht. Nach dem Abitur stand fest, dass ich in den Beruf einsteigen will. Zuerst habe ich die Prüfung zum Koch gemacht, dann Betriebswirtschaft und Tourismus studiert, um das zu lernen, was man als Koch nicht lernt: Büro, Buchhaltung, Personalwesen. Denn es gibt zwar viele Köche, es ist aber nicht leicht, ein Restaurant rentabel und betriebswirtschaftlich solide aufzustellen. Ich bin Koch mit Leib und Seele. Und dann ist da der Spaß am Hobby...
Hobby? Sie sehen Ihren Beruf also nicht nur als Broterwerb?
Kühner: Ich koche auch gerne privat – asiatisch und italienisch. Da kann man viele neue Dinge ausprobieren.
Warum sollte ein junger Mensch denn Koch werden?
Kühner: Koch zu sein heißt Kreativität, Spaß, Leidenschaft. Ein Koch kann in vielen Bereichen arbeiten. Als Diätkoch in Kantinen und Restaurants, als À-la-carte-Koch, im Catering, also der Außer-Haus-Gastronomie oder als Freiberufler. Viele Köche stellen sich als Mietköche für andere Gastronomen zur Verfügung. Viele gehen gerne auf ein Schiff. Heute kann man auf der ganzen Welt kochen: in Dubai, London, New York, Las Vegas. Ein Koch muss Erfahrungen sammeln!
Sind Sie auch hinausgegangen in die Welt?
Kühner: Ja, ich war im Bayerischen Hof in München und im Sterne-Restaurant Amador in Frankfurt, wo ich viel in der avantgardistischen Küche gekocht habe.
Ein Koch kann also Karriere machen?
Kühner: Es gibt viele Weiterbildungsmöglichkeiten. Sie können als Jungkoch im Hotel einsteigen, dann „Chef de Partie“ werden, der beispielsweise für Fleisch und Soße, Fisch, Beilagen, Patisserie oder Desserts zuständig ist, dann Zweiter Küchenchef, dann Küchenchef. Aber man muss dazu auch den Ehrgeiz haben, sich persönlich voranzubringen!
Trägt der Beruf sein schlechtes Image also zu Unrecht?
Kühner: Vollkommen zu Unrecht. Leider ist unser Image ja ähnlich tief wie das des Metzgerberufs. Dabei haben wir hier ein tolles Teamgefüge! Wir haben Kellner, die sich um die Azubis kümmern. Und wir hier in unserem Restaurant bezahlen überdurchschnittlich.
Ein Problem ist, dass viele Restaurants nach ein paar Jahren verschwinden.
Kühner: Oft sogar nach wenigen Monaten! Denn der Brancheneinstieg fällt zu leicht: Sie können nach einem 3-Tageskurs ein Restaurant aufmachen. Von Kühlketten und allen komplexen Problemen hat man danach aber kaum Ahnung.
Beneiden Sie nicht manchmal die Fernsehköche?
Kühner: Warum sollte ich sie beneiden?
Weil Köche wie Alfons Schuhbeck, Christian Rach oder Tim Mälzer Stars sind...
Kühner: Ich erkenne an, was sie geleistet haben. Die Fernsehköche führen kleine Imperien mit Restaurantbetrieben, mit Verlagen und mit Produktlinien. Das ist aber nicht mein Ziel. Denn das sind keine Köche mehr. Es sind Entertainer.
Wie kann man denn den Beruf attraktiver machen?
Kühner: Klar ist, dass es am Gastronomen selbst liegt, den Beruf so attraktiv zu gestalten, dass junge Leute auf ihn zukommen. Viel lässt sich über die Arbeitszeiten lösen: In einem modernen Schichtmodell dauert die erste Schicht von 9 bis 18 Uhr, dann fängt die zweite an. Die Schichten wechseln, es sei denn, ein Mitarbeiter nutzt sie, um tagsüber die Kinder zu betreuen. Idealerweise gibt es an Geburtstagen frei. Wir versuchen, auf die Wünsche einzugehen – in 90 Prozent der Fälle klappt es. Auch die politischen Rahmenbedingungen könnten besser sein: Wir Gastronomen zahlen im Einkauf 7 Prozent Mehrwertsteuer, müssen aber auf die Gerichte 19 Prozent erheben. Müssten wir nur 7 Prozent erheben, könnten die Betriebe höhere Löhne zahlen und investieren.
Was kochen Sie eigentlich gerne?
Kühner: Trockengereifte Steaks – wie vor 60 Jahren. Der Wasserverlust beträgt 30 Prozent – und das Aroma im Fleisch ist der Brüller.
Sie stehen also immer gerne am Herd?
Kühner: Mir würde es schwerfallen, mich in ein Büro zu setzen. Wenn es den Gästen geschmeckt hat und man sich dann die Anerkennung abholen kann, dann ist das ein tolles Gefühl. (AZ)
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