Neuorientierung bei Siemens: Unternehmen trennt sich von Bosch
Die Konzerne Bosch und Siemens haben lange zusammen Haushaltsgeräte gebaut. Siemens-Chef Joe Kaeser will aber nun andere Wege einschlagen.
Die Logik der Konzerne entschlüsselt sich oft erst nach gründlicher Motivationsforschung. So bleibt es zunächst rätselhaft, warum sich Siemens von seinem 50-Prozent-Anteil an dem soliden und gut verdienenden Haushaltsgeräte-Unternehmen BSH Bosch und Siemens trennt und das Geschäft komplett seinem bisherigen Partner Bosch überlässt.
Am Geld kann es nicht liegen. Siemens ist einer der finanziell flüssigsten Riesen der Wirtschaftswelt. Der Konzern wurde schon als Bank mit angeschlossener Elektroabteilung verspottet. Die Münchner sind auf die drei Milliarden Euro nicht angewiesen, welche sie aus Stuttgart für ihren Ausstieg überwiesen bekommen. Wenn es nicht ums Geld geht, könnte es an unterschiedlichen Auffassungen der Partner liegen, wie ein Haushaltsgeräte-Unternehmen zu führen ist. Über solche fundamentalen Differenzen können indes auch mit dem Unternehmen vertraute Personen nichts berichten.
Das Joint Venture hat in den vergangenen Jahren hohe Gewinne erzielt
Schenkt man den Werbeslogans beider Riesen Glauben, haben sich die Firmen über 47 Jahre – so lange gibt es das Joint Venture – gut ergänzt. Auf der Internetseite des Unternehmens ist ganz unbescheiden nachzulesen, Bosch stehe für Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und ausgereifte Technologien. Siemens hingegen sei für Pioniergeist, intelligente Innovationen und Fortschritt im Dienste der Menschheit bekannt.
Eigentlich ein perfektes Paar. Warum steigt Siemens dann trotzdem aus der erfolgreichen Staubsauger-, Geschirrspüler- und Wäschetrockner-Ehe aus? Und das auch noch, wo die Partnerschaft den Münchnern satte Gewinne eingebracht hat. BSH erfreute die Mütter 2013 mit einem Ergebnis von 308 Millionen Euro, 2012 waren es sogar 466 Millionen. Solche stolzen Gewinne wurden auch in den Jahren zuvor regelmäßig verbucht. Mal stand vor der dreistelligen Ergebnissumme eine 3, mal eine 4.
Eine Cash Cow, also eine angenehm und ergiebig zu melkende Geld-Kuh, wird ein Unternehmen dieser Preisklasse im Wirtschaftsdeutsch salopp genannt.
Siemens-Chef Joe Kaeser plant die Zukunft des Konzerns anders
Das alles konnte Siemens-Chef Joe Kaeser nicht davon abhalten, sich von BSH für einen – wie Finanz-Analysten sagen – „guten Preis“ zu verabschieden. Der seit 2013 an der Spitze des Konzerns stehende Niederbayer hat eine Vision, genauer gesagt die „Vision 2020“. Dabei will sich der Nachfolger von Peter Löscher und frühere Finanz-Chef des Unternehmens auf die Felder „Digitalisierung“, „Automatisierung“ und „Elektrifizierung“ konzentrieren.
Werden aber nicht auch Kühlschränke immer intelligenter – und schaffen den Weg in die digitale Welt? Auf der diesjährigen Funkausstellung IFA in Berlin zeigten Bosch und Siemens ihre Vision eines vernetzten Hauses, das sich über das Smartphone oder Tablet steuern lässt. Verbraucher können etwa ihren Siemens-Backofen vom Büro aus aufheizen, sodass das Essen fertig ist, wenn die Familie zu Hause eintrifft. In diesem Fall wäre sogar noch Kaesers Vorgabe stärkerer Automatisierung von Prozessen erfüllt. Der Mensch kann Arbeit und Schweinebraten verbinden. Doch der Siemens-Chef sieht in solchen Lösungen für den Haushalt nicht die Zukunft des Konzerns, den er zu einem Investitionsgüter-Multi umgestalten will. Kaeser vollendet damit, was seine Vorgänger eingeleitet haben: Siemens zieht sich aus dem Geschäft mit Endkunden zurück, ob früher bei Computern, Telefonen, Leuchtmitteln (Osram) und jetzt bei Haushaltsgeräten.
Bosch will sich im Hausgeräte-Geschäft weiter entwickeln
Am Ende steht ein Unternehmen, das sich auf Energie, Medizintechnik und Automatisierung konzentriert. Deshalb passt es ins Bild, dass Siemens für knapp sechs Milliarden Euro in den USA den Ausrüster für die Öl- und Gasindustrie, Dresser-Rand, übernimmt. Vereinfacht gesagt heißt Kaesers Devise: Kraftwerke statt Kühlschränke. Dennoch darf Bosch den Namen „Siemens“ weiter benutzen. Das ist ein großer Vorteil für das Unternehmen, dessen neue Bezeichnung für die Zeit nach Siemens noch nicht feststeht.
In Russland zieht die Marke Bosch mehr Kunden an, während in China Siemens gerne gekauft wird. BSH ist ein globales Unternehmen, das regional wie in Dillingen über tiefe Wurzeln verfügt. Viele der über 2.300 Beschäftigten des dortigen Geschirrspülerwerks sagen schon lange: „Ich schaff bei Bosch.“ Ihnen sollte die Anpassung an die neuen Zeiten leichter fallen, zumal der regionale IG-Metall-Chef Michael Leppek glaubt: „Die Mitarbeiter müssen sich keine Sorgen machen.“ Bosch sei ein verantwortlicher und guter Arbeitgeber.“ Besseres könne dem Standort nicht widerfahren. Dafür spricht, dass Bosch das Hausgeräte-Geschäft voranbringen will, um sich unabhängiger vom heute dominierenden Autozulieferbereich zu machen.
Am Ende haben sich zwei Konzerne getroffen, in deren Strategie es exakt passt, dass an BSH nur noch ein Unternehmen beteiligt ist.
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