Ratgeber: Was tun, wenn man nichts als Schulden erbt?
Die einen kommen in Besitz eines Vermögens, für die anderen kann der Nachlass teuer werden. Haben die Eltern oder Großeltern Miese hinterlassen, muss der Erbe schnell reagieren.
Ob Aktien, Bargeld, Schmuck oder Häuser: Die Nachkriegsgeneration hat viel Vermögen angehäuft. Jahr für Jahr reichen die Deutschen 130 Milliarden Euro an die Nachkommen weiter. Aber nicht alle können sich über Geerbtes freuen. Nicht jeder Nachlass macht reicher. Jeder elfte Erbe geht leer aus – oder hat plötzlich Schulden am Hals. D
enn: Erben haften auch für das Minus, das ihnen zufällt. Doch es gibt Wege, einen überschuldeten Nachlass abzuschütteln und nicht mit dem eigenen Vermögen dafür gerade stehen zu müssen, wie Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht in München, betont.
Erben können Erbschaft ausschlagen
Ein Beispiel: Die 57-jährige Michaela Mayer ist Alleinerbin ihrer Mutter, die gestorben ist. Sie hat ihr einen Aktienfonds, etwas Erspartes und ein paar Antiquitäten hinterlassen. Zugleich waren das Auto und die neue Waschmaschine aber noch nicht abbezahlt, einige Versandhausrechnungen sowie die Steuernachzahlung offen und das Girokonto mit 5000 Euro in den Miesen.
Was tun? Reicht ein Nachlass nicht aus, um die Schulden zu bezahlen, sollten Betroffene keine Zeit verlieren und die Erbschaft ausschlagen, rät Michael Henn, Vizepräsident der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht.
Ganz oder gar nicht lautet das Prinzip
Jeder 14. Deutsche hat nach einer Analyse der Postbank schon einmal eine Erbschaft ausgeschlagen, in der Regel wegen geerbter Schulden. Wer sich wie Frau Mayer zum Verzicht entschließt, dem muss aber klar sein, dass er alles aus der Hand gibt. Erben funktioniert nach dem Prinzip: ganz oder gar nicht. Den Sparstrumpf, die Aktien und die alten Möbel herauspicken, die Schulden aber ablehnen, das geht nicht. Will Frau Mayer die Vermögenswerte und persönliche Erinnerungsstücke ihrer Mutter haben, muss sie auch für deren Minus gerade stehen.
Ein Erbe schlüpft vermögensrechtlich in die Rolle des Erblassers hinein. Und das kann teuer werden. Zu den unvermeidlichen Verbindlichkeiten aus einem Nachlass zählen die Kosten für die Bestattung, die Testamentseröffnung oder die Nachlassverwaltung, aber auch die Erbschaftssteuer. Dazu kommen eventuell Schulden, die der Erblasser am Todestag hat – Miet- und Kaufverträge, überzogene Konten oder Unterhaltsrückstände.
Sechs Wochen Zeit, um das Erbe auszuschlagen
Steht der Entschluss, ein Erbe auszuschlagen, ist Eile angesagt. Es bleibt dafür nur eine Frist von gerade mal sechs Wochen. Sie läuft, sobald ein Erbe vom Tod der Mutter, des Onkels oder der Tante erfährt. Gibt es ein Testament oder einen Erbvertrag, tickt die Uhr ab dem Zeitpunkt, an dem die Verfügung eröffnet wird. Innerhalb der knappen Frist muss der Erbe entweder zum Notar gehen, der die Ausschlagung beglaubigt. Oder direkt zum Nachlassgericht, das in der Regel am Amtsgericht sitzt. Ein einfacher Brief an das Gericht genügt nicht, wie Fachanwalt Steiner betont. Wird die Frist versäumt, gilt das Erbe automatisch als angenommen.
Deutlich mehr Zeit bleibt nur, wenn ein Erbe im Ausland ist oder der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz außerhalb deutscher Grenzen hatte. Dann verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Wer schon damit angefangen hat, die Wohnung eines Verstorbenen aufzulösen, zu entrümpeln, Möbel und Schmuck zu veräußern, kann die Erbschaft meist nicht mehr ausschlagen, warnt Fachanwalt Henn. Sein Verhalten drücke klar aus: Ich habe das Erbe angetreten.
Außerdem wichtig: Verzichtet ein Erbe, dann fällt die Erbschaft an den Nächsten in der gesetzlichen Erbfolge. Im Fall von Frau Mayer wäre das ihr Sohn. Will auch er die Schulden nicht haben, muss er ebenfalls das Erbe amtlich ausschlagen. „Manchmal kann es notwendig sein, dass eine ganze Familie den Weg zum Nachlassgericht antritt“, sagt Martin Langenbahn, Jurist der Caritas in Karlsruhe. Haben letztlich alle aus der Familie, auch Onkel, Tanten oder Cousins, aufs Erbe verzichtet, fällt es an den Staat. Der versucht, das Hab und Gut zu Geld zu machen und damit die Schulden zu tilgen.
Erben haften nicht zwingend mit dem eigenen Vermögen
Kompliziert kann es werden, wenn Frau Mayer es verpasst, die Schulden auszuschlagen. Aber selbst dann gebe es Auswege, um das eigene Vermögen zu schützen, betont Steiner. So könnte sie die Annahme der Erbschaft beim Nachlassgericht oder beim Notar wegen Irrtums über die Überschuldung anfechten. „Man muss den Irrtum allerdings belegen können“, sagt Henn.
Ist eine Anfechtung nicht möglich, ist immer noch nicht alles verloren. Niemand müsse jahrelang den geerbten Kredit abstottern und sich den letzten Cent vom Mund absparen, betont Schuldnerberater Langenbahn: Allerdings ist dafür in der Regel anwaltliche Beratung notwendig. Und das kann kosten. Frau Mayer könnte beispielsweise eine Nachlassinsolvenz für die geerbten Schulden beantragen. Dafür zuständig ist das Insolvenzgericht. Sie wird die Erbschaft zwar formal nicht mehr los, haftet aber wenigstens nicht mit ihrem Vermögen.
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