Rupert Stadler – der Audi-Chef in Erklärungsnot
Eigentlich sollte es um die Verkaufszahlen von Audi gehen. Doch nach der Razzia dreht sich alles um den Dieselskandal. Mittendrin ein Vorstandschef, der keine Antworten bietet.
Rupert Stadler steht, umringt von rund hundert Journalisten, vor einem knallgelben, blank polierten Audi SQ5 und versucht sich an einem Lächeln für die Fotografen. Er, der Erfolgsverwöhnte, der es gewohnt war, viele Jahre mit einem Strahlen immer neue Bestmarken zu verkünden, scheitert. Er verzieht leicht die Mundwinkel, das war’s.
Schon allein die Zahlen, die Stadler und seine Vorstandskollegen ein paar Minuten später bei der Bilanzpressekonferenz von Audi am Mittwoch verkünden mussten, hätten die Miene erklären können. Doch die ganze Wucht der Dieselaffäre hatte das Unternehmen knapp drei Stunden zuvor getroffen. Pünktlich um 7 Uhr morgens war eine Kolonne von Fahrzeugen mit Münchner Kennzeichen vor dem Vorstandsgebäude angerückt. Auf der Rückbank lagen Aktentaschen und Blaulichter. Die Staatsanwälte und Polizisten begannen mit ihrer Razzia in der Konzernzentrale eine halbe Stunde, bevor Stadler an seinen Arbeitsplatz kam. Der Einsatz war von langer Hand geplant und konnte wohl nicht mehr verschoben werden.
Wie tief steckt Audi im Dieselskandal?
Diese laut Staatsanwaltschaft München II „unglückliche Terminkollision“ mit der Jahrespressekonferenz brachte Rupert Stadler am Mittwoch mächtig in Erklärungsnot. Die Konferenzräume im Museum Mobile, das die glanzvolle Geschichte von Audi (→ Kommentar zur Bedeutung der deutschen Autoindustrie) widerspiegelt, waren voll besetzt mit Journalisten, die alle nur eines wissen wollten: Was hat es mit dieser Razzia auf sich? Wie tief drin steckt Audi wirklich im Dieselskandal? Was kommt noch alles auf das Unternehmen zu und welche personellen Konsequenzen wird es geben? Antworten gab es nicht, stattdessen war bei Nachfragen immer und immer wieder nur ein Satz zu hören: „Wir arbeiten voll umfänglich mit den Behörden zusammen.“
Die Pressekonferenz lief nach außen wie geplant, Rupert Stadler und Finanzvorstand Axel Strotbek sprachen lieber über Zahlen als über das, was gleichzeitig ein paar Meter weiter vor sich ging. Auch wenn das die Journalisten weit mehr interessiert hätte. Stadler leitete dann auch schnell über zur Bilanz: „Trotz der Tagesaktualität wünsche ich mir, dass wir uns auf das abgelaufene Geschäftsjahr konzentrieren.“ Das war sein einziger Satz zu den Durchsuchungen. Ansonsten: kein Kommentar. Nicht dazu, ob er selbst zurücktreten werde.
Rupert Stadler: "Meine Frau hat noch nicht angerufen"
Nicht dazu, wie er den Zeitpunkt der Razzia bewertet, nicht dazu, ob er glaubt, dass die Ermittler relevante Dinge finden könnten. Auf die Frage, ob sein Privathaus durchsucht worden sei, sagt Stadler: Als er morgens aus dem Haus sei, war niemand da und „meine Frau hat mich auch noch nicht angerufen“. Da lachte er sogar ein bisschen. Tatsächlich sind nach Informationen unserer Redaktion keine Wohnräume von Vorstandsmitgliedern durchsucht worden.
Wie erwartet, spiegelt sich auch in den Zahlen für 2016 die Dieselaffäre wider. Der Gewinn vor Steuern ist deutlich eingebrochen – von 5,3 auf drei Milliarden Euro. Allein die Bewältigung des Diesel Skandals in den USA kostete Audi bereits 1,8 Milliarden Euro. Aber auch, wenn man diesen Faktor herausrechnet, steht unter dem Strich noch ein deutlicher Rückgang.
Über die derzeitigen Schwierigkeiten von Audi konnte auch ein Absatzplus von 3,6 Prozent auf 1,87 Millionen verkaufte Fahrzeuge nicht hinwegtäuschen. Vor allem auch deshalb nicht, weil das laufende Jahr schwach begann. Weltweit ist der Absatz in den ersten beiden Monaten im Vergleich zum Vorjahr um fast acht Prozent eingebrochen. Ausschlaggebend war das schlechte Geschäft in China.
Digitalisierung und "pilotiertes Fahren" bei Audi
Während draußen die Ermittler immer wieder leere Kartons in die Büroräume tragen, um sie mit Akten und Daten aus der Vergangenheit zu füllen, blickt Audi zuversichtlich in die Zukunft. Mit den Themen Digitalisierung und „pilotiertes Fahren“ sowie neuen Produkten und Antriebsmöglichkeiten wie dem g-tron und dem e-tron soll der Konzern wieder zurück in die Erfolgsspur. Das würden sich auch die Mitarbeiter wünschen. Denn der Skandal und der damit verbundene Gewinneinbruch bleiben nicht ohne Folgen für sie. Jahrelang gab es bei Audi eine üppige Erfolgsbeteiligung, die in Bestzeiten bei über 8000 Euro lag – im Durchschnitt. Schon im vergangenen Jahr war die Prämie auf 5420 Euro gesunken, im kommenden Jahr sind es 3510 Euro.
Rupert Stadler wird viel erklären müssen – den Staatsanwälten und seinen Mitarbeitern.
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