So gefährlich sind Diesel-Abgase
Der Lungenfacharzt Dr. Andreas Hellmann berichtet nach dem VW-Skandal, welche gesundheitlichen Folgen Feinstaub und Stickoxide haben. Kinder müssen besonders aufpassen.
Der Dieselmotor hat keinen allzu guten Stand mehr, seitdem Volkswagen im vergangenen Jahr schwerwiegende Manipulationen bei Abgas-Untersuchungen einräumen musste. VW-Chef Matthias Müller denkt nun offen über die Zukunft der Technologie nach. Wir haben mit dem Lungenfacharzt Dr. Andreas Hellmann aus Augsburg darüber gesprochen, wie gefährlich die Abgase der Dieselfahrzeuge sind – und welche Folgen die Schadstoff-Belastung haben kann.
Herr Dr. Hellmann, ist es richtig, dass Lungenfachärzte Dieselfahrzeuge nie gerne gesehen haben – weder jetzt nach dem Abgasskandal noch davor?
Andreas Hellmann: Ja, das ist richtig. Auf unsere frühere Kritik hin wurden Pseudolösungen wie Filter angeboten, die in Experimenten auch ganz gut abgeschnitten haben. Aber die Schadstoffbelastung ist dadurch nicht gesunken. Wir haben ständig Probleme mit Feinstaub, überlegen, ob man Umweltzonen einrichten oder Fahrverbote einführen sollte – weil keiner es wagt, das Grundproblem – den motorisierten Verkehr – anzugehen. Dass durch die bisherigen Eingriffe und moderne Technologien keine Senkung der Stickoxidbelastung erreicht werden konnte, sollte eigentlich stutzig machen.
Dieselfahrzeuge stoßen sowohl mehr Feinstaub als auch mehr Stickoxide aus. Zu was führt diese Entwicklung?
Andreas Hellmann: Früher stand der Feinstaub im Vordergrund. Da hat sich die Lage zwar verbessert, aber die Belastung ist trotzdem nach wie vor hoch. Denn ein Teil kommt nicht aus dem Auspuff, sondern stammt aus dem Abrieb von Bremsen und Reifen.
Was bewirkt die Feinstaubbelastung?
Andreas Hellmann: Feinstaub ist so fein, dass er durch die Lunge hindurchgeht. Er kommt in die Lymphe und ins Blut, wo er die Blutviskosität, also die Zähflüssigkeit des Blutes, verändert. Das führt dann zu Herz-Kreislauf-Problemen und nach einer halben oder einer Stunde steigt das Infarktrisiko.
Und wie sieht es mit den Stickoxiden aus?
Andreas Hellmann: Das Stickstoffmonoxid, das bei der Verbrennung entsteht und unter Sauerstoffeinfluss in Stickstoffdioxid umgewandelt wird, verstärkt die Ozonbelastung. Und die ist nicht am höchsten dort, wo der meiste Verkehr ist, sondern dort, wo viel Stickoxide hintransportiert werden und die Sonneneinstrahlung groß ist, im Staugebiet der Berge zum Beispiel. Im Körper machen Stickoxide Entzündungen an der Schleimhaut. Die klassische Entzündung an Schleimhäuten der Atemwege ist das Asthma bronchiale. Wenn ein Asthmatiker viel Stickoxide einatmet, kommt es zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion. An Hauptverkehrsstraßen gibt es eine deutliche Zunahme asthmatisch-allergischer Erkrankungen – ein wesentlicher Teil davon ist auf verkehrsbedingte Emissionen zurückzuführen.
Für welche Gruppen ist das besonders bedenklich?
Andreas Hellmann: Es gibt Hinweise, dass Kinder heftiger auf solch eine Schadstoffbelastung reagieren. Zu bedenken ist dabei, dass Kinder von der Körpergröße her eher mit der Nase auf Auspuffhöhe sind, deshalb sind sie noch zusätzlich betroffen. Bei Menschen, die schon an Asthma leiden, kommt es zu einer Verschlimmerung ihrer Symptome beziehungsweise ihrer Krankheit. Und klar, wer als Lungenkranker ohnehin schon schlecht Luft bekommt, hat bei belasteter Luft ein doppeltes Problem. Dass sich die Lungenfunktion unter Schadstoffeinfluss verschlechtert, ist aber auch bei Gesunden nachgewiesen.
Wie groß ist Ihrer Ansicht nach das Problem?
Andreas Hellmann: Fairerweise muss man sagen, dass die verkehrsbedingte Luftverschmutzung im Vergleich zum Inhalationsrauchen zu vernachlässigen ist. Wenn Sie selbst rauchen, könnten Sie auch auf dem Grünstreifen der Autobahn wohnen, das würde dann auch nichts mehr ausmachen.
Bemerken Sie Tage mit besonders stark belasteter Luft in Ihrer Praxis?
Andreas Hellmann: Insgesamt spielen in der lungenärztlichen Praxis Wettereinflüsse eine große Rolle. Wenn es warm und windig ist, geht es Allergikern sehr schlecht. Inwieweit dabei auch Ozon eine Rolle spielt, ist schwer zu sagen.
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Autoabgase machen krank
Seit vielen Jahren wissen wir, dass Autoabgase, gerade die der Dieselwagen, krank machen. Und letztlich für jährlich Tausende Todesfälle nach Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Lungenkrankheiten verantwortlich sind. Doch die Grenzwerte werden nicht verschärft und der Autoverkehr nicht gezügelt und entgiftet. Vermutlich liegt das sowohl an der Lobbymacht der Autoindustrie und der Verantwortungslosigkeit vieler Politiker wie auch an den dummen „Freiheitsparolen“ einiger Millionen Bürgerinnen und Bürger. Letztere schrieben früher ja auch häufig im Forum der AZ ihre menschenverachtenden Kommentare. Für mich ist unfassbar, dass nach der Aufdeckung der Dieselverbrechen von VW – und wohl im geringeren Maße auch von Daimler und Opel – die Verkaufszahlen dieser Autokonzerne nicht zurückgegangen sind. Hunderttausende von deutschen VW-Käufern haben gezeigt: Gesundheitsschädliche Abgase und verbrecherische Umgehung der Vorschriften kümmern mich nicht.
Raimund Kamm