Sorgte neue Computer-Software für Insolvenz?
War Weltbild schlecht programmiert? In der Belegschaft heißt es, dass auch Software-Probleme die Verlagsgruppe in Not brachten.
Wie kann es sein, dass ein über Jahre florierendes Unternehmen zum Insolvenzfall wird? Diese Frage hat viele Weltbild-Mitarbeiter und Beobachter seit dem Insolvenzantrag am 10. Januar umgetrieben. Viel ist die Rede von der Konkurrenz durch den US-Branchenriesen Amazon, dem schwierigen Geschäft in den Filialen oder dem Streit unter den kirchlichen Eigentümern. Unter den Mitarbeitern im Unternehmen selbst wird noch ein weiterer Punkt kritisch diskutiert: die Einführung einer neuen Computer-Software, die Weltbild seit Jahren beschäftigt – und alles andere als reibungslos über die Bühne gegangen sein soll.
Lange Zeit hauseigene Software genutzt
Weltbild verschickt unter anderem Bücher. Damit ist der einst kleine Händler groß geworden. Für die Verwaltung hat man lange Zeit eine hauseigene Software mit der Bezeichnung ES 9000 verwendet. Diese aber erschien am Ende nicht mehr ausbaufähig für einen Konzern mit bald 6800 Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,59 Milliarden Euro (Stand Juni 2012), der immer mehr auf den Online-Handel setzt. Im Jahr 2010 startete deshalb der Umstieg auf ein neues System, wie auf einer Internet-Seite der Gewerkschaft Verdi nachzulesen ist. Zum Zuge kam das Software-Unternehmen SAP.
SAP ist Europas größter Software-Hersteller. Sitz ist die Stadt Walldorf in Baden-Württemberg. SAP-Programme sind darauf spezialisiert, alle Geschäftsprozesse einer Firma abzudecken, beispielsweise Buchführung, Einkauf, Lager oder Vertrieb. Lösungen gibt es für praktisch alle Branchen: Autoindustrie, Bankwesen, Chemie – auch für den Handel.
Vorreiter war Weltbild-Spielzeughändler Kidoh
Doch bei der Einführung bei Weltbild häuften sich offenbar Probleme. In der Mitarbeiterschaft sei man davon ausgegangen, dass die Einführung der neuen Software in ein bis zwei Jahren über der Bühne ist, heißt es aus Firmenkreisen. Vorreiter war der Weltbild-Spielzeughändler Kidoh. Das habe bereits „einige Nerven gekostet“, heißt es auf der Internet-Seite der Gewerkschaft. Nicht ohne Grund sei der Einführungstermin mehrfach nach hinten verschoben worden. Nach Kidoh folgten die anderen Unternehmensteile. Abgeschlossen sei die SAP-Umstellung noch immer nicht komplett, heißt es aus dem Unternehmen. Mittlerweile sei man im vierten Jahr. Die neue Software knirschte anfangs offenbar an mancher Stelle. Um eine Bestellung zu erfassen, habe man teils bis zu einer halben Stunde warten müssen, erinnern sich Mitarbeiter.
Ein Betrag von zehn Millionen Euro für die Umstellung sei bereits nach einem halben Jahr aufgebraucht gewesen, heißt es aus Unternehmenskreisen. Gegenüber unserer Zeitung bestätigte die Verlagsgruppe, dass sich die Kosten „in einem niedrigen zweistelligen Millionenbereich“ bewegen. Betriebsräte hatten auf einer Pressekonferenz diesen Januar 15 bis 20 Millionen Euro genannt.
Einführung erfolgreich umgesetzt
Weltbild berichtet heute, die Einführung mittlerweile erfolgreich umgesetzt zu haben. „Die Software läuft stabil und reibungslos“, sagt eine Weltbild-Sprecherin. „Die aktuellen Optimierungsnotwendigkeiten sind angesichts der Größe des Projektes noch weit weniger und kleiner, als zu erwarten war.“ Die erzielten Verbesserungen hätten anfängliche Schwierigkeiten längst wettgemacht.
Aus Sicht des Unternehmens ist das neue IT-System ein Fortschritt: „Insgesamt ist die SAP-Infrastruktur bereits heute wesentliche Voraussetzung für einen effizienten Online-Handel“, heißt es bei Weltbild. Dies gelte zum Beispiel für korrekte Aussagen zur Verfügbarkeit von Waren oder die Geschwindigkeit der Abarbeitung von Aufträgen. „Andere Unternehmen mit ähnlicher Größe im Online-Handel haben vergeblich versucht – mit einem dreistelligen Millionenbudget –, eine vergleichbare SAP-Umgebung zu installieren“, berichtet die Weltbild-Sprecherin. „Weltbild hat diese Umgebung erfolgreich eingeführt.“ Nach Informationen unserer Zeitung wird in Fachkreisen die Einführung nicht als Hauptgrund für die Krise gesehen – sondern als ein Problem unter vielen.
SAP teilte auf Anfrage mit, es könne keine Auskünfte erteilen, da die Arbeit mit Kunden Geheimhaltungspflichten unterliege.
Ein weiteres Bistum zahlt Mittel aus
Gute Nachrichten kommen indes aus Franken: Das Bistum Würzburg gibt rund 3,2 Millionen Euro für den Weltbild-Verlag. Damit leiste es abschließend seinen Beitrag als Gesellschafter zum Gesamtbetrag von 65 Millionen Euro, den der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz Ende Januar beschlossen hatte, teilte die Diözese mit. Der Betrag soll größtenteils zur sozialen Abfederung der von der Insolvenz betroffenen Mitarbeiter dienen, sagte Generalvikar Karl Hillenbrand. (mit epd)
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