Unternehmer Veit: „Scheitert TTIP, verspielen wir eine große Chance“
Der Landsberger Unternehmer Günter Veit befürchtet, ein Ende der Verhandlungen könnte deutsche Jobs bedrohen. Ohne Abkommen wird Europa seiner Ansicht nach vom Handel abgehängt.
Herr Veit, Wirtschaftsminister Gabriel rechnet mit dem Scheitern von TTIP. Was würde das für Ihr Unternehmen bedeuten?
Günter Veit: Unser Handel mit den USA würde dann weiterhin stark eingeschränkt sein. Bereits heute können wir viele unserer Produkte nicht in den USA verkaufen. Dieser Zustand ist unbefriedigend.
Ihr Unternehmen stellt unter anderem Bügelmaschinen her. Was verhindert, dass die Landsberger Bügelmaschine in den USA in Betrieb geht?
Veit: Amerika hat verschiedene Vorschriften und Standards, die mit unseren europäischen, zum Teil wesentlich besseren Standards nicht kompatibel sind. Dadurch können Produkte, die wir herstellen, in den USA nicht vertrieben werden.
Können Sie ein Beispiel für solche Handelsschranken nennen?
Veit: Wir stellen zum Beispiel Dampferzeuger für die Textilpflege her. Ginge es nach den US-Vorschriften, darf der Dampfkessel darin nur aus einem bestimmten Stahl sein. Um die US-Vorschrift zu erfüllen, müssten wir jeden einzelnen Kessel im Werk von einer zertifizierten Person abnehmen lassen. Das kostet Geld. Falls wir das machen lassen würden, wären unsere Produkte in den USA unverkäuflich teuer. Unsere Kessel sind aber nicht in irgendeiner Form gefährlich. Sie sind vom TÜV abgenommen und haben hervorragende Sicherheitseigenschaften. Würden die USA und die EU ihre Normen gegenseitig anerkennen, könnten wir als Landsberger Unternehmen in den USA wesentlich mehr verkaufen.
Würde sich dies auch in Arbeitsplätzen niederschlagen?
Veit: Selbstverständlich. Immer wenn Stückzahlen hochgehen, gehen auch die Arbeitsplätze hoch. In unserem Unternehmen gibt es noch immer sehr viel manuelle, hoch qualifizierte Montagearbeiten. Wir haben in Landsberg 200 Mitarbeiter, weltweit 400. Mit dem Abkommen könnten es mehr sein.
Muss man aber nicht auch die Kritiker verstehen? Das Chlorhühnchen war zwar nur ein Symbol, zeigt aber die Gefahr, dass mit dem Abkommen US-Produkte nach Europa kommen können, die hier die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt.
Veit: Ich habe mir die Argumente der Gegner angeschaut und die Kritikpunkte auf der Seite der Globalisierungsgegner von „Attac“ auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Es blieb nicht viel übrig außer Angstmache. Über eine Million Deutsche fahren jeden Sommer nach Amerika, um Urlaub zu machen. Wäre die Nahrung dort so ungesund, müsste ein größerer Teil krank zurückkommen. Das passiert natürlich nicht. Im Gegenteil, wir haben keine Probleme, das Essen dort zu genießen, und vertrauen darauf, dass die amerikanischen Lebensmittelvorschriften geeignet sind. Wenn die Herkunft eindeutig gekennzeichnet wird – und eine Kennzeichnung ist ja vorgesehen –, müssen Menschen, die vorsichtig oder ängstlich sind, die US-Produkte nicht kaufen.
Kritiker befürchten aber, dass TTIP zum Beispiel gentechnisch veränderten Lebensmitteln aus den USA den Weg nach Europa öffnet. Da kann man viele Sorgen nachvollziehen, oder?
Veit: Wenn der mündige Verbraucher nicht unterscheiden könnte, wo ein Produkt herkommt, dann wäre das so. Man kann aber bereits heute erkennen, ob ein Produkt aus den USA, China oder Deutschland kommt. Wenn ich Angst vor bestimmten Lebensmitteln habe, kaufe ich heimatnah. Deshalb verstehe ich die Angst vor TTIP nicht. Es wird doch nichts vertuscht und verheimlicht. Ich denke nicht, dass die EU gute Sicherheitsvorschriften aufgibt. Im Gegenteil – als Unternehmer wäre man manchmal froh, wenn einige unnötige EU-Vorschriften wegfielen.
Ein Freihandelsabkommen erzeugt Gewinner und Verlierer. Wird TTIP nicht auch Jobs hierzulande kosten?
Veit: Wir als Verband für den Maschinen- und Anlagenbau, in dem ich aktiv bin, haben da keine Bedenken. Wir sind weltweit in einer führenden Position. Wir würden uns gerne stärker mit unseren amerikanischen Wettbewerbern messen und mit Sicherheit auf der Gewinnerseite sein.
TTIP ist ein frühes Wahlkampfthema zur Bundestagswahl geworden. Fühlen Sie sich von der Politik gut vertreten?
Veit: Ich finde es schade, dass die positive Seite des Abkommens viel zu spät in einer sachlichen Form der Öffentlichkeit vermittelt wurde. Man hat es radikalen, ideologisch geprägten Gruppen überlassen, die Bevölkerung aufzuhetzen. Als man versucht hat, den Fehler zu korrigieren, war die Bevölkerung bereits stark emotional negativ gegen TTIP eingestellt. Wir verspielen aber eine große Chance und viele Jahre der Arbeit, wenn die Gespräche nicht vor der Neuwahl des US-Präsidenten zum Abschluss kommen.
Sind die USA aber nicht auch selbst schuld, falls TTIP scheitert? Im Streit um private Schiedsgerichte ist Amerika anscheinend nicht kompromissbereit. Kritiker in Europa lehnen diese Gerichte strikt ab.
Veit: Ich denke, der Bürger hat teils falsche Vorstellungen von den Schiedsgerichten. Wir in der Industrie vereinbaren in Verträgen meist freiwillig Schiedsgerichte statt einer ordentlichen Gerichtsbarkeit. Dies ist praktikabler, schneller und günstiger. Denn man einigt sich darauf, Streitigkeiten im Rahmen eines anerkannten Rechtssystems eines dritten Staates zu lösen, zum Beispiel der neutralen Schweiz. Mit einem Schiedsgericht bekommt man als Unternehmer schnell ein Urteil. Das ist besser als eine jahrzehntelange Hängepartie vor unseren Gerichten oder den internationalen Gerichtshöfen.
Es gibt aber die Befürchtung, dass US-Konzerne über Schiedsgerichte ganze Staaten verklagen können. Kommunen fürchten um ihre Wasserversorgung, Umweltschützer haben Angst vor Klagen gegen Fracking-Verbote.
Veit: Es ist ja nicht so, dass unter einem Schiedsgericht die Amerikaner immer recht bekommen. Die Verhandlungen finden vor einem paritätisch besetzten Gericht statt, das beide Seiten vertritt – unter Vorsitz eines neutralen Richters. Dies ist ein faires, gerechtes Verfahren.
Die TTIP-Verhandlungen werden hinter verschlossenen Türen geführt. Selbst Bundestagsabgeordnete bekamen nur in einem Leseraum Einblick. Hand aufs Herz – haben Sie sich gut informiert gefühlt?
Veit: Ich selbst habe über den Verband viele Informationen bekommen. Aber es war ein Fehler, dass die Politik die Bürger schlecht oder zu spät informiert hat. In Informationsveranstaltungen bin ich bereits auf eine ablehnende Haltung der Bevölkerung gestoßen.
Was passiert, wenn TTIP nicht kommt?
Veit: Europa ist nicht allein auf der Welt. Es gibt auch noch das Abkommen der USA mit den asiatischen Staaten, kurz TPP. Dieses stärkt die Achse „Amerika – Asien“, und es schwächt die alte, erfolgreiche Achse „Amerika – Europa“. Kommt das amerikanisch-asiatische Abkommen zustande und das amerikanisch-europäische nicht, wird das die Weltwirtschaft beeinflussen. Dann ändern sich die Wirtschaftsströme zu unseren Ungunsten. Das wird am Ende zu Verlusten von Arbeitsplätzen bei uns führen. Ich bin in Asien viel unterwegs. Ich erlebe das selbst. Die Freihandelspläne haben Asien großen Aufschwung gebracht. Es gibt dort eine Zukunftshoffnung.
Glauben Sie, dass TTIP noch eine Chance hat?
Veit: Aus meiner realistischen Unternehmerperspektive befürchte ich, dass es zu spät ist.
Zur Person: Günter Veit, 62, ist seit 1990 verantwortlicher Geschäftsführer des Textilmaschinenspezialisten Veit aus Landsberg. Das Unternehmen stellt zum Beispiel Bügelmaschinen oder Hemdenpressen her. Der Industriekaufmann und studierte Betriebswirt ist Chef des Fachverbands Bekleidungs- und Ledertechnik des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, kurz VDMA.
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Lieber auch einmal eine "große Chance" verspielen, als noch den letzten kläglichen Rest, der von unserer sog. Demokratie übrig ist, dem "Götzen Markt" zu opfern . . .
Die Unternehmer, die nach USA exportieren, sehen es nur aus ihrer Sicht, das TTIP keine Einbahnstraße ist sollte jedem klar sein. Das Arbeitsplätze wegfallen kann bisher niemand abschätzen. Die einzigen Arbeitsplätze die nicht entstehen, sind die, die das Ganze befördern und Verkehr haben wir bereits zu viel. TTIP und CETA gehören in den Papierkorb.